Wann haben wir angefangen, lebhafte Farben zu fürchten?

Es war einmal eine bunte, farbenfrohe Zeit, in der die Welt die Farben umarmte, als sei sie ein Kleinkind, das mit einem Satz Farbstifte allein gelassen wurde.
Autos waren nicht einfach nur Autos, sie waren Pfauen auf Rädern, die mit grellen Orangetönen, kompromisslosen Türkistönen und Gelbtönen protzten, die geradezu radioaktiv strahlten, als würden sie als Warnzeichen dienen.
Toaster grinsten von Arbeitsplatten in feurigem Orange und Avocado-Grün, im fröhlichen Kontrast zu Tapeten, die aussahen wie aus einem 70er-Jahre-Katalog entsprungen – großflächige Muster, satte Farben, pures Lebensgefühl.
Aber jetzt?
Jetzt schwimmen wir alle in einem seelenlosen Meer aus „Greige“, einer Farbe, die so unverbindlich ist, dass sie sich nicht entscheiden kann, ob sie Beige ist, das versucht, grau zu sein, oder Grau, das versucht, beige zu sein.
Im Zeitalter von „Greige“
Wenn Sie heute einen Parkplatz betreten, befinden Sie sich in einer dystopischen Einöde monochromer Mittelmäßigkeit. Weiß. Schwarz. Ein paar Grautöne.
Ein paar Wagemutige haben sich vielleicht für Silber entschieden, aber das war’s dann auch schon mit der Rebellion.
Erinnern Sie sich noch daran, als Autos Ausdruck der Persönlichkeit waren? Ein pinkfarbener Roadster sagte: „Schau mich an, ich komme groß raus!“ Ein limettengrünes Schrägheck verkündete: „Mir sind Vibes wichtiger als Abschreibungswerte!“
Heute sieht jedes Fahrzeug aus, als wäre es auf dem Weg zu einer sehr feierlichen, farbcodierten Beerdigung.
Die traurige Realität ist, dass die Menschen graue Autos kaufen, weil sie „sicher“ sind.
Nicht sicher im Sinne von Aufprallschutz, obwohl ich sicher bin, dass sie ihren Dienst tun, sondern dahingehend sicher, dass sie nicht vor Scham erröten, wenn sie versuchen, sie weiterzuverkaufen.
Gott bewahre, dass man ein flottes rotes Cabrio kauft und die Abschreibungstabelle eines Erbsenzählers ruiniert. Also gehen wir Kompromisse ein.
Mittlerweile sind 80 Prozent aller weltweit verkauften Neuwagen in Grautönen gehalten, wobei Weiß mit erstaunlichen 25 Prozent an der Spitze liegt, gefolgt von Grau mit 21 Prozent und Schwarz mit 20 Prozent. Das ist übrigens kein Zufall.
Branchenkenner sagen, dass wir diese „sicheren“ Farben wählen, weil sie einen besseren Wiederverkaufswert haben. Offenbar möchte niemand der Trottel sein, der versucht, einem Markt, der von der Frage „Was passt zu allem?“ besessen ist, ein kanariengelbes Fließheck zu verkaufen.
Die Hersteller sind so auf diese Neurose eingestellt, dass sie auf kräftige Farben ganz verzichtet haben, es sei denn, man zählt Orange dazu, das bei 0,6 Prozent der Autos auftaucht, oder Lila, das sich mit 0,1 Prozent gerade noch so über Wasser hält.

Das jetzt übliche Einerlei. Foto: suman bhaumik/iStock
Die „Beige-ifizierung“ von allem
Nicht nur Autos haben jegliche Persönlichkeit verloren. Diese Plage der Tristesse erstreckt sich auf alles.
HBO, ein amerikanischer Fernsehsender, einst ein Leuchtturm in einem fröhlichen blau-weißen Logo, ist jetzt monochrom. Das Branding des Unternehmens hat sich einem Bürstenschnitt im mittleren Alter unterzogen und behauptet: „Es dient der Einfachheit.“
Verpackungen, Inneneinrichtungen, Kleiderschränke – alles ist jetzt in einer Farbpalette gehalten, die jedes vernünftige Kleinkind mit einer Schachtel Buntstifte angewidert wegwerfen würde.
Aber das ist kein modernes Phänomen. Der Verfall setzte lange vor dem Aufkommen des Begriffs „offene neutrale Räume“ ein.
Das britische Science Museum analysierte 7.000 Objekte und kam zu dem Schluss, dass sich die Gesellschaft bereits zur Zeit der industriellen Revolution für Farbe zu begeistern begann.
Davor wurden Gegenstände liebevoll aus lebhaft gefärbtem Holz gefertigt oder mit wilder Hingabe handbemalt.
Dann kamen die Fabriken ins Spiel. Plötzlich musste alles einheitlich, effizient und anscheinend frei von allem sein, was auch nur annähernd Spaß machen könnte.
Doch hier ist der Clou, die wirklich frustrierende, verblüffende Wahrheit: Es geht nicht um Ästhetik oder Raffinesse. Oh nein. Es geht um „Angst“. Das ist es. Wir haben Angst vor Farbe bekommen.
Irgendwann hat die Gesellschaft kollektiv entschieden, dass Farbtöne, die heller sind als „Driftwood Ash“, zu gefährlich sind, um ihnen vertrauen zu können. Besser, alles bleibt sicher, fad und unauffällig.
Es ist, als hätten wir Angst, dass ein blaugrüner Kühlschrank oder ein senfgelber Schal einen vollständigen gesellschaftlichen Zusammenbruch auslösen könnten.
Aber es gibt Hoffnung
Doch noch ist Hopfen und Malz nicht verloren. Es braut sich eine Rebellion zusammen, und sie ist fabelhaft.
Apple, ja, der Techriese, der einst Weiß zum Synonym für Selbstgefälligkeit machte, hat wieder iMacs in echten Farben eingeführt.
Farbenhersteller berichten von einer Zunahme der Kundennachfrage nach satten, kompromisslosen Farbtönen.
Ganze Instagram-Konten widmen sich dem subversiven Nervenkitzel, Wohnzimmerwände in Juwelentönen zu streichen statt in dem üblichen vagen „Haferflocken“-Ton.
Sogar rote Esszimmer sind wieder in Mode, sodass Mahlzeiten zu einer dramatischen Angelegenheit werden, die eines Shakespeare-Monologs würdig sind.
Was nun?
Dennoch ist dies keine Garantie dafür, dass die Farbpalette der Gesellschaft lebendig bleibt. Die Welt wird immer zwischen Überschwang und Zurückhaltung hin- und herpendeln. Das Beige von heute könnte morgen zum Comeback bunt gemusterter Retrotapeten werden. Aber wir sollten nicht zulassen, dass die Zweckmäßigkeit die Ästhetik diktiert.
Denn eine Welt ohne Farbe ist nicht nur langweilig, sondern unsagbar tragisch.
Es ist, als würde man einen Kuchen backen und beschließen, ihn nicht zu glasieren, weil „Einfachheit“ im Trend liegt. Sicher, der Kuchen existiert. Aber wo bleibt die Freude?
Wo bleibt die herrlich verrückte Freude, die nur Zuckerstreusel schenken? Der unverblümte Luxus einer dicken Schicht Buttercreme?
Ein Leben ohne Farbe, ohne ein bisschen herrlichen, unnötigen Überfluss ist nur ein trauriger, trockener Schwamm, der vorgibt, genug zu sein. Und ganz ehrlich? So möchte ich nicht leben.
Über die Autorin:
Nicole James ist eine in Australien ansässige freiberufliche Journalistin für die Epoch Times. Sie ist preisgekrönte Autorin von Kurzgeschichten, Journalistin, Kolumnistin und Redakteurin. Ihre Arbeiten wurden in Zeitungen wie „The Sydney Morning Herald“, „Sun-Herald“, „The Australian“, „Sunday Times“ und „Sunday Telegraph“ veröffentlicht. Sie hat einen Bachelor of Arts in Kommunikationswissenschaften mit Schwerpunkt Journalismus und zwei postgraduale Abschlüsse, einen davon in kreativem Schreiben.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „When Did We Start to Fear Vibrant Colours?“. (deutsche Bearbeitung so)
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
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