Deutsche Regierung bleibt beim geplanten Atomausstieg

Um die ehrgeizigen CO2-Reduktionsziele der Bundesregierung erreichen zu können, haben einige Unionspolitiker vorsichtig einen zumindest teilweisen Ausstieg aus dem Atomausstieg angeregt.
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Das französische Atomkraftwerk in Neuvy-sur-Loire, am Ufer der Loire zwischen Orleans und Nevers, wurde 1987 erbaut. Ein Bild vom 15. Mai 2018.Foto: iStock
Von 18. Dezember 2019

Am Mittwoch (18.12.) wies Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin Spekulationen zurück, der 2011 getroffene Beschluss zum Atomausstieg könnte in Richtung einer Verlängerung der Restlaufzeiten einiger Atomkraftwerke modifiziert werden.

„Der Ausstieg wird wie geplant vollzogen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) zufolge am Mittwoch in Berlin. Die Haltung der Bundesregierung zur Atomkraft gelte unverändert.

Zudem betonte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums, wie wichtig der dahinterstehende „Konsens“ sei, der sich im Wesentlichen darauf gründete, dass linksgrüne Atomkraftgegner und Leitmedien diese Form der Energieerzeugung jahrzehntelang dämonisiert hatten, bis Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Angst vor der Stimmung nach den Ereignissen von Fukushima eigenmächtig den Atomausstieg verkündete.

In der Stellungnahme dazu hieß es: „Dieser Konsens ist ein hohes Gut. Er hat einen gesellschaftlichen Großkonflikt befriedet, der die Energiepolitik in Deutschland über Jahrzehnte gelähmt hat.“

„Initiative muss von den Grünen und Linken ausgehen“

Zuvor hatte der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, gegenüber dem „Spiegel“ erklärt, er wäre unter Umständen offen dafür, auch in Zukunft Kernkraftwerke zu betreiben. „An mir und an der Unionsfraktion wird es nicht scheitern“, meinte er und fügte hinzu, den übers Knie gebrochenen Atomausstieg von 2011 grundsätzlich für falsch gehalten zu haben.

Seine „Dialogbereitschaft“ verband er jedoch mit etwas, was man im Juristendeutsch eine „anfängliche unmögliche Bedingung“ nennen würde – er wünschte sich die Initiative dazu von jenen Parteien, die in ihrem unermüdlichen ideologischen Eifer erst zu den Schrittmachern des Atomausstieges geworden waren:

Wenn es jetzt aber darum geht, aus Klimaschutzgründen wieder in die Kernenergie einzusteigen, muss die Initiative von den Grünen und Linken ausgehen.“

Kernkraftwerke mögen zwar anders als Kohle- und Gaskraftwerke kein „klimaschädliches“ CO2 ausstoßen. Die Reduktion des ungeliebten Spurengases durch eine gleichzeitig auch noch effiziente Technologie zur Energieerzeugung würde jedoch all jenen den Wind aus den Segeln nehmen, die den „Klimaschutz“ zum Anlass nehmen wollen, der Menschheit eine radikale Veränderung ihrer Lebensweise samt ebenso radikaler Veränderung der Gesellschaft zu verordnen. Und eine so günstige Gelegenheit dazu würde sich möglicherweise so schnell nicht wieder finden.

Laschet: „Zumindest Reihenfolge war falsch“

CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne hatten 2011 der Vorlage Merkels zugestimmt, die letzten drei Anlagen in Deutschland – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 – bis spätestens Ende 2022 vom Netz zu nehmen und gleichzeitig mithilfe umfangreicher Subventionen die erneuerbaren Energien auszubauen. Die Linke stimmte nicht zu, weil ihr die Vorlage immer noch nicht weit genug ging, die AfD existierte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht.

Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hatte Anfang des Monats Kritik am Atomausstieg und dem im Frühjahr verkündeten Kohleausstieg bis 2038 geübt und seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass die öffentliche Debatte Deutschlands Charakter als Industrieland außer Acht lasse.

Im „Berliner Salon on Tour“ in Köln erklärte er laut RND: „Wenn das CO2 und das Weltklima das größte Problem sind, um das wir uns kümmern müssen, war die Reihenfolge zumindest falsch.“ Deutschland hätte in diesem Fall „erst aus der Kohle und danach aus der Atomkraft aussteigen müssen“.

Forschung sollte hier bleiben

In Deutschland gäbe es eine Mentalität des „Man will eigentlich gar nichts“. Zur ideologisch bedingten Ablehnung von Kernkraft und Kohle trete die moralisierend begründete Kritik an Erdgas aus Russland „wegen Putin“ und aus den USA „wegen Fracking“. Gleichzeitig werde auch der Ausbau der Windkraft mit Argwohn bedacht. Laschet: „Manchmal denkt man: Wie soll das alles gehen?“

Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, wandte sich zwar gegen eine Infragestellung des „politisch entschiedenen“ Atomausstiegs. Die Forschung zur Kernenergie müsse aber unbedingt in Deutschland bleiben.

Merkel selbst hatte im Oktober an das kollektive „Wir schaffen das“ appelliert, indem sie den kurz nacheinander beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft und aus der Kohle als „große Herausforderung“, aber auch als „richtig“ bezeichnete.

Im Zeitraum Juli, August und September 2019 lagen bezüglich der Energieerzeugung die erneuerbaren Energien auf 42,4 Prozent und damit vor dem Kohlestrom. Konventionelle Energieträger kamen im dritten Quartal 2019 insgesamt auf 69,2 Terawattstunden oder einen Anteil von 57,6 Prozent.

Anteil der Erneuerbaren steigt – auch weil Produktion insgesamt zurückgeht

Die Gesamtmenge des in Deutschland produzierten und ins Netz eingespeisten Stroms ging im Jahresvergleich jedoch um 12,8 Prozent auf 120,1 Terawattstunden zurück. Die Tendenz läuft demnach darauf hinaus, dass der Anteil der Erneuerbaren Energien auch deshalb steigt, weil die Stromerzeugung im eigenen Land insgesamt zurückgeht.

Um Strom aus ungleichmäßig arbeitenden Energieträgern speichern und Engpässe überbrücken zu können, aber auch um rückläufige Mengen aus eigener Erzeugung auszugleichen, muss Energie importiert werden.

Ein Teil davon kommt aus atomaffinen Nachbarländern wie Frankreich oder der Tschechischen Republik, aus österreichischer Wasserkraft, aus polnischen Kohlerevieren oder auch aus der Russischen Föderation, die auf diese Weise ihre strategische Bedeutung als Energielieferant für Deutschland und die gesamte EU festigen kann.

(Mit Material von AFP)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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