Seuchensozialismus: Das politische Management der Corona-Krise
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir behandeln heute das Thema Seuchensozialismus, das politische Management der Corona-Krise, und ich erlaube mir zunächst einige Vorbemerkungen.
Die Pandemie hat uns bisher mindestens eine Million Tote beschert, weltweit. Vielleicht sind es auch zwei. Vielleicht waren knapp zehn Prozent der Weltbevölkerung infiziert, laut „The Economist“. Denn gerade in den Entwicklungsländern weiß man nicht genau, wie viele Opfer es gibt und außerdem gibt es natürlich das Problem, dass nicht klar ist, ob jemand an oder nur mit Corona gestorben ist. Alle Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, aber die Größenordnung liegt irgendwo bei ein bis zwei Millionen Tote.
Was bedeutet die Pandemie für die Weltwirtschaft?
Und weil es ja eine Pandemie ist, scheint mir das die angemessene Frage, und nicht nur der enge Blick auf unser kleines Land, mit ja nur ungefähr einem Prozent der Weltbevölkerung.
Im Gegensatz zur Krise von 2008 haben wir es dieses Mal mit einer globalen Wirtschaftskrise zu tun. Denn die Krise von 2008 hat die Emerging Markets, vor allem Asien, kaum betroffen und das kann man dieses Mal nicht ganz so sagen.
Man rechnet mit ungefähr 5 Prozent Verlust der Weltwirtschaftsleistung in diesem Jahr. Man rechnet mit einer Schrumpfung des Welthandels von 9-10 Prozent in diesem Jahr.
Man rechnet damit, dass irgendwo zwischen 60 und 100 Millionen Menschen unter die Armutsschwelle der Weltbank fallen werden – das heißt unter 1,9 US-Dollar pro Kopf und Tag.
Wenn man die Zahl der Menschen betrachtet, für die der Hunger wieder ein Problem werden wird, dann haben wir es eher mit 500 Millionen oder einer halben Milliarde Menschen zu tun. 3 bis 5 mal so viele werden wieder am Rand des Hungers leben.
Die Staatsdefizite werden in den reichen Industrieländern ungefähr um 3,3 Prozent pro Jahr steigen auf im Durchschnitt 16,6 Prozent. In den Emerging Markets von 4,9 Prozent auf 10,6 Prozent des BIP. (Quelle: Reinhart, Foreign Affairs; The Economist)
Die Staatsschuldenquote wird in den reichen Ländern – wieder – im Mittelwert von 83 Prozent auf 103 Prozent des BIP steigen.
Deutschlands Krisen-Management im Vergleich
Deutschland schlägt sich im innereuropäischen oder innerwestlichen Vergleich gut und unsere Politiker scheinen darauf stolz zu sein.
Das liegt daran, dass man auf peinliche Leistungsvergleiche mit Ostasien verzichtet. Denn wenn man dorthin guckt, dann kann man sagen, wir sind vielleicht Klassenbester unter den Sitzenbleibern, aber nicht mehr.
Sehen Sie sich etwa Japan an: Die Zahl der Opfer der Pandemie pro 1 Million Einwohner ist dort nur irgendwo zwischen 1/9 und 1/10 unserer Zahl. Mit anderen Worten, so großartig haben wir die Pandemie nicht gemanagt.
In Ostasien allerdings ist Japan eher ein Land, das sich schlecht geschlagen hat. Nicht ein Land, was sich besonders prächtig geschlagen hat. Da gibt es ganz andere. Da gibt es zum Beispiel die Insel Taiwan – ich könnte auch kurz sagen, das kapitalistische China.
Oder da gibt es das kommunistisch regierte Entwicklungsland Vietnam, deutlich ärmer als China und sehr viel ärmer als unser Land. Und wenn Sie entweder nach Taiwan oder nach Vietnam gucken, und die Opferzahlen mit unseren vergleichen, dann haben die 1 Toten und wir haben 300!
Haben wir nicht eine großartige Regierung?! Ist unser Corona-Management nicht beneidenswert, wenn Sie diese Zahlen sehen? Das sind allerdings Zahlen, die ich nicht irgendeinem Verschwörungsblatt entnommen habe, sondern vor ungefähr einer Woche einem Beiblatt der „FAZ“. Nicht einer AFD-Verlautbarung, sondern aus der „FAZ“.
Das Einzige, was ich hinzugefügt habe, ist: Ich habe sozusagen Proportionen gebildet. Die standen da nicht drin, aber das kann jeder nachrechnen, der den Grundschulstoff im Rechnen beherrscht. Mehr ist dazu nicht nötig. Leistungsvergleich 1 zu 300, verglichen mit einem Entwicklungsland.
Deutschland schlägt sich auch bei der Staatsverschuldung gut, bleibt also unter dem Wert anderer Länder: Wir sind besser als die Amerikaner, die Briten, die Franzosen, die Italiener oder die Japaner. Genau deshalb – wegen unserer fiskalischen Leistungsfähigkeit – leiden wir aber unter steigendem Umverteilungsdruck und leisten natürlich immer weniger Widerstand gegen die europäische Transferunion.
Inzwischen ist es sogar Aufgabe der EU geworden, Geld zu verschenken. Aber wenn es darum geht, deutsches Steuergeld zu verbraten, dann hat unsere Regierung dem noch nie Widerstand entgegengesetzt.
Überall nimmt durch zunehmende Verschuldung und zunehmende Reglementierung das Gewicht des Staates zu, das Gewicht des Marktes nimmt ab.
Was bedeutet das? Schlechtere Arbeitsanreize, verzerrte Preise, weniger rationale Ressourcenallokation, schlechtere Nutzung des Wissens und des Humankapitals und schwerer korrigierbare Irrtümer.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Erich Weede ist seit 2004 emeritierter Lehrstuhlinhaber für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn. Er ist Mitglied bei: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Deutsche Gesellschaft für Politikwissenschaft, Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Hayek-Gesellschaft, International Political Science Association, International Sociological Association, International Studies Association, List Gesellschaft, Mont Pelerin Society, Peace Science Society (International).
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