Kredit an die Ukraine aus russischen Zinserträgen birgt Gefahr
Auf ihrem Treffen in Apulien, Italien, haben die G7-Staatschefs beschlossen, der Ukraine einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zu gewähren. Damit sollen Waffen gekauft und auch Haushaltslöcher der ukrainischen Regierung gestopft werden.
Das brisante daran: Der Kredit soll teilweise mit den Zinseinnahmen der russischen Währungsreserven, die der Westen bereits Anfang 2022 eingefroren hat, finanziert werden. Wie zu hören ist, handelt es sich dabei um 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro).
Der größte Teil davon befindet sich innerhalb der Europäischen Union: nach Kommissionsangaben sind das rund 210 Milliarden Euro. Bislang hat der Westen bereits schätzungsweise 280 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der Ukrainekrieges ausgegeben. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear lies verlauten, dass auf die russischen Währungsreserven Zinserträge in Höhe von 4,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr angefallen sind.
Vermögen und Zinserträge sind ökonomisch eine Einheit
Die Idee, die vom Westen konfiszierten russischen Währungsreserven zur Finanzierung des Ukrainekrieges vollumfänglich zu verwenden, wurde bereits im April 2024 aus Washington vorgebracht. Doch die Europäische Zentralbank erhob daraufhin Einspruch: Man befürchtet in Frankfurt, eine solche Maßnahme könnte das Vertrauen in den Euro erschüttern und zu Kapitalflucht aus dem Euroraum führen. Der Plan wurde nicht weiter vorangetrieben.
Daher sind die Vertreter der G7-Länder (USA, Kanada, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan) nun wohl der Auffassung, sie hätten einen umsichtigen Kompromiss gefunden: Man bedient sich an den Zinserträgen des russischen Vermögens, vergreift sich aber nicht am eingefrorenen Geld der Russen.
Doch bei genauer Betrachtung kann diese Idee nicht überzeugen: Vermögen und Zinserträge sind nämlich ökonomisch gesehen keine separaten Einheiten, sie gehören vielmehr zusammen. Wer den Russen die Zinserträge nimmt, der enteignet ihr Vermögen. Das sollte spätestens jedem dann klar sein, wenn er an die Zins- und Zinseszinsrechnung denkt.
Das, was die G7-Repräsentationen nun zu tun gedenken, ist für das internationale Finanzsystem heikel. Denn die Botschaft, die die nicht-westliche Welt mit dem G7-Beschluss erhält, ist lauter und schärfer denn je: Wer nicht nach der Pfeife Washingtons und seiner Verbündeten tanzt, dem drohen nicht nur Sanktionen. Nein, wenn es dem Westen passt, dann verliert er auch noch seine Guthaben in Form von US-Dollar, Euro & Co. Ohne Gerichtsbeschluss, einfach so, verordnet von den gerade sich im Amt befindenden Entscheidungsträgern.
Erhebliche Risiken mit der westlichen Währung verbunden
Schon das Einfrieren der russischen Währungsreserven hatte in vielen nicht-westlichen Ländern die Alarmglocken schrillen lassen. Und jetzt werden sie noch viel lauter schrillen, wenn der Westen Russlands Zinserträge vereinnahmt und für die Finanzierung von Kriegshandlungen gegen Russland verwendet.
Viele Zentralbanken und auch private Anleger in den nicht-westlichen Ländern bemühen sich bereits seit geraumer Zeit, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar, aber auch vom Euro, Kanadischen Dollar, Britischem Pfund und japanischen Yen zu verringern – indem sie ihre Ersparnisse diesen Währungen nicht mehr anvertrauen, sondern beispielsweise auf die Goldhaltung ausweichen, und ihre Umsätze für Güter und Finanzgeschäfte mit ihren eigenen Währungen bilateral abwickeln.
So ist bereits seit geraumer Zeit erkennbar, dass Ausländer sich aus dem Markt für US-Staatsschuldpapiere zurückziehen. Dieser Trend wird durch die jüngste G7-Maßnahme absehbar verstärkt. Internationale Anleger kommen gar nicht umhin einzusehen, dass mit dem Halten der westlichen Währungen für sie erhebliche politische Risiken verbunden sind.
Immer neue Geldbeträge verlängert das Morden
Die „Ent-Dollarisierung“ des Weltfinanzsystems bekommt dadurch neuen Schub. Die Folgen liegen auf der Hand. Die Abkehr vom US-Dollar als international bevorzugte Transaktionswährung macht den Welthandel, das Abwickeln von Güter- und Finanzgeschäften weniger effizient und vor allem auch teurer.
Weiterhin befördert die ausbleibende Nachfrage nach westlichen Schuldpapieren die Zinsen in den Kreditmärkten in die Höhe. Die Steuerzahler im Westen haben die damit verbundenen Kosten zu tragen – und zwar in Form höherer Steuern und natürlich auch erhöhter Inflation, wenn die westlichen Zentralbanken wieder beginnen, heimische Staatsschuldpapiere in großem Stil aufzukaufen und sie mit neuem, aus dem Nichts erzeugten Geld bezahlen.
Wachstum und Beschäftigung werden in Mitleidenschaft gezogen, die materielle Güterausstattung geschädigt. Und bei all dem ist letztlich auch zu bedenken, dass die Gelder, die die Steuerzahler im Westen der Ukraine bereitstellen, gar nicht „an die Ukraine“ gehen. Die US-Dollar landen vielmehr in den Kassen der US-amerikanischen Rüstungskonzerne oder – wenn Infrastruktur repariert wird – der europäischen Baufirmen, und vermutlich wird nicht wenig in dunklen und korrupten Kanälen versickern.
Kriege sind eben ein profitables Geschäft für einige wenige, sonst würde es sie gar nicht, schon gar nicht im großen Stil geben. Vor allem aber sollte man nicht übersehen: Mit immer neuen Geldbeträgen – und zwar auf beiden Seiten – wird das Morden und die Zerstörung verlängert.
Es ist allerhöchste Zeit, den Krieg zu beenden, alle Energien daran zu setzen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Waffen zum Schweigen zu bringen und Menschenleben zu retten. Erinnern wir uns daher abschließend hier an ein treffendes, zeitloses Zitat von George Orwell: „All der Krieg, die Propaganda, das Geschrei und die Lügen und der Hass kommen immer nur von den Leuten, die nicht kämpfen müssen.“
Über den Autor:
Dr. Thorsten Polleit ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Herausgeber von Dr. Polleits Boom & Bust Report.
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