Peter Haisenko: Kann die Grundrente überhaupt „gerecht“ sein?

Dass es überhaupt eine Diskussion um eine Grundrente gibt, zeigt, dass das System an sich nicht in Ordnung ist. Die Systemfrage wird nicht gestellt, sondern an Details herum diskutiert.
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Grundrente für alle?Foto: iStock
Von 10. November 2019

Dass es überhaupt eine Diskussion um eine Grundrente gibt, zeigt, dass das System an sich nicht in Ordnung ist. Genauso wie es in einem der reichsten Industrieländer einen Mindestlohn geben muss. Die Systemfrage wird nicht gestellt, sondern an Details herum diskutiert. Bedürftigkeitsprüfung oder nicht? Das geht am Grundproblem vorbei.

Meine (älteren) Schwestern im Rentenalter haben mich überrascht mit ihrem Standpunkt, für die Grundrente wäre eine Bedürftigkeitsprüfung angebracht. Beide haben ein typisches Leben geführt wie viele Frauen, die heute über 70 Jahre alt sind. Beruf erlernt, gearbeitet, geheiratet, Kinder bekommen und groß gezogen und deswegen große Lücken in ihrer Erwerbsbiographie.

Ihre persönlichen Rentensprüche liegen unter der geplanten Grundrente. Weil aber beide mit einem Beamten verheiratet sind, reicht die Pension der Männer aus für ein angenehmes Leben im Alter. Da liegt der Haken. Bei einer Bedürftigkeitsprüfung würden sie durchfallen. Sie hätten keinen Anspruch auf ihre persönliche Grundrente.

Würden sie ihren Lebensstandard halten können, wenn der Mann stirbt und die Pension dementsprechend gekürzt wird? Diese Betrachtung hat sie veranlasst, ihre diesbezügliche Haltung zu revidieren.

Das alte Mantra „Leistung muss sich lohnen“ wird pervertiert

Dieses kleine Beispiel zeigt auf, dass auch das Konzept der Grundrente nicht durchdacht ist. Ich sage vorab, dass es kein gerechtes System werden kann, solange nicht Grundlegendes verändert wird. Es geht wieder einmal damit los, dass Grenzwerte zugrunde gelegt werden.

Grundrente erst, wenn 35 Jahre Ansprüche erworben worden sind. Warum nicht 34 oder 30? Fünfzehn Jahre müssen es sowieso sein, damit überhaupt ein Rentenanspruch entstehen kann. Aber nicht einmal die hat mancher angesammelt, der sein Leben lang selbstständig war und keine Rentenbeiträge leisten musste. Aber auch der hat eine „Lebensleistung“ vollbracht und zum Prosperieren der Gesellschaft beigetragen.

Da liegt der erste Grundfehler, nämlich der, dass eben nicht alle, restlos alle verpflichtet sind, Rentenbeiträge zu leisten. Dass das so ist, ist ein Geschenk der Politik an die privaten Lebensversicherer, die sonst kaum existieren könnten.

Das Grundproblem mit der Gerechtigkeit bei der Grundrente liegt bei Personen, die einen Rentenanspruch erworben haben, der in der Nähe der Höhe der Grundrente liegt. Sind sie einen Euro drüber, erhalten sie eben nur diese Rente. Wie soll diesen Menschen erklärt werden, dass jemand, der zwar 35 Jahre Rentenansprüche erworben hat, diese aber nicht ausreichen für eine Rente oberhalb der Grundrente, dennoch genauso viel erhalten soll, wie sie selbst?

Es darf nicht sein, dass sich der fleißige Einzahler auf demselben Niveau wiederfindet wie jemand, der nicht so fleißig eingezahlt hat. Das ist die Pervertierung des alten Mantras, „Leistung muss sich lohnen“.

Natürlich darf hier der Hinweis nicht fehlen, dass das Grundproblem hierzu in den schändlich niedrigen Löhnen im Niedriglohnsektor liegt. Wie kann angenommen werden, dass man sich eine ausreichende Rente erwerben kann, wenn das normale Einkommen sowieso kaum zum Leben ausreicht? So müssen eben nicht nur die Löhne und jetzt auch die daraus resultierenden Niedrigrenten aufgestockt werden – wovon ausschließlich die Konzerne profitieren.

Die Lösung: Gesichertes Grundeinkommen für alle Staatsbürger

Wer fünfzehn Jahre Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hat, hat Anspruch auf Rentenbezug. Dieser kann durchaus über der Grundrente liegen, wenn er Maximalbeiträge abgeführt hat. Es kann aber auch verdammt wenig sein. Wer 15 Jahre von einem Gehalt von 2.000,- € brutto Rentenbeiträge abgeführt hat, hat sich einen Anspruch auf etwa 300,- €/Monat erworben. Bei 35 Jahren sind es etwa 700,- €, bei 45 etwa 900,- €. Ein Einkommen von 2.000,- € hat aber nicht jeder.

Damit man im Alter dennoch leben kann, müsste dieser Rentenanspruch eben auf Höhe der Grundrente aufgestockt werden und die liegt nach der aktuellen Planung bei knapp 900,-€/Monat. Hier wird schon sichtbar, dass es dem Rechtsempfinden schwer vermittelbar ist, wenn derjenige, der 35 Jahre eingezahlt hat, anschließend Rente in derselben Höhe erhalten soll wie derjenige, der zehn Jahre länger seine Beiträge abgeführt hat.

Um hier in die Nähe einer Gerechtigkeit zu gelangen, müsste ein System eingeführt werden, das auch denjenigen in den Genuss einer Aufbesserung bringt, der nahe an oder über der Grundrente liegt. Wie soll man das aber gestalten? Sollte es eine Grenze geben, über der keine Aufbesserung vorgesehen ist?

Wie war das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz? Was ist noch Rente und was staatliche Leistung aus Steuereinnahmen? Man sieht deutlich, dass die gesamte Planung ein großes Schlamassel ist. Wie üblich wird an Details herumgedoktert, anstatt die Systemfrage zu stellen. Erst wenn man das tut, können vernünftige Lösungen sichtbar werden.

Eine Lösungsmöglichkeit wäre ein gesichertes Grundeinkommen. Gesichert, keineswegs bedingungslos!

Die wichtigste Bedingung ist nach meinem Verständnis, dass ausschließlich die Bürger eines Staates, die Staatsangehörigen, diesen Anspruch haben. Wer im fremden Land arbeitet und Geld verdient, jedoch nicht die Staatsbürgerschaft erwirbt, darf diesen Anspruch nicht geltend machen können. Will er ihn erwerben, muss er eben die Staatsbürgerschaft annehmen.

Sozialistische Gleichmacherei statt Gleichbehandlung

Wie könnte sich ein solches Modell auf das Rentenproblem auswirken? Grundsätzlich darf ein solches Grundeinkommen nicht so hoch sein, dass man sich faul zurücklehnen kann. So haben wir bei der Entwicklung unserer Humanen Marktwirtschaft den Hartz IV-Satz zugrunde gelegt, also etwa 400,- €/Monat. Und zwar für jeden, vom Säugling bis zum Greis.

Betrachtet man dazu die niedrigst mögliche Rente nach mindestens 15 Jahren Einzahlung, so wird sichtbar, dass mit diesen 400,- € als Grundstock nahezu jeder an oder über den Betrag der Grundrente kommen wird, sobald er Rentner ist. Problem gelöst, und das auch noch gerecht, in dem Sinn, „Leistung muss sich lohnen“. So einfach? Ja, aber nicht ganz. Die Frage bleibt offen, wie das finanziert werden soll.

Bevor ich das beantworte, stelle ich noch weitere Vorteile dieses gesicherten Grundeinkommens vor. Nehmen wir die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Sie bezieht für sich und ihre Kinder dreimal Grundeinkommen, also 1.200,- €/Monat. Sogar mit einem Teilzeitjob kann sie jetzt ein Gesamteinkommen erreichen, das ihr ein anständiges Leben ermöglicht.

Wir sind aber mit unserer Humanen Marktwirtschaft weiter gegangen, indem wir ein Modell vorstellen, das gänzlich ohne Lohnsteuer auskommt. Ja, das ist möglich, wie uns „Fachleute“ bereits bestätigt haben. Wir haben auch vorgerechnet, wie ein gesichertes Grundeinkommen finanziert werden kann, und zwar mit einer Verbrauchssteuer, die effektiv nur zehn Prozent betragen muss. Also weniger als die Mehrwertsteuer, die in unserem System auch entfallen wird.

So propagieren wir einen Zustand, wo nicht nur die alleinerziehende Mutter profitiert, sondern auch ein Rentner, der zu wenig Vorsorge getroffen hat. Beide, jeder, kann alles ohne Abzüge behalten, was er sich mit produktiver Arbeit dazu erwirbt. Ist das dann das Paradies? Ja, zumindest verdammt nahe dran und es ist möglich.

Die von der GroKo geplante Grundrente ist ein zutiefst sozialistisches Modell, das dem Prinzip „Leistung muss sich lohnen“ Hohn spricht. Es ist der Einstieg in die Einheitsrente, ganz gleich, welche Lebensleistung erbracht worden ist.

Es ist aus wahlkampftaktischen Gründen mit der heißen Nadel gestrickt und niemals geeignet, auch nur annähernd gerecht sein zu können. Es verschleiert das Grundproblem des Niedriglohnsektors und löst nicht ansatzweise ein einziges systemimmanentes Problem. Es missachtet das im Grundgesetz festgelegte Prinzip der Gleichbehandlung zugunsten sozialistischer Gleichmacherei.

Es zeigt auf, wie sehr das aktuelle System verkommen ist und dass es einer echten Grundüberholung bedarf, eben wie das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem, das mit den Prinzipien der Marktwirtschaft kaum noch etwas gemein hat.

Ich habe angedeutet, wie das Rentenproblem lösbar ist, nach dem Modell unserer „Humanen Marktwirtschaft“. Wir sind so weit gegangen, dass es möglich sein kann, Rentenansprüche dann zu erwerben, wenn man es sich leisten kann – in kompletter Eigenverantwortung. Und wer da versagt, hat immer noch das gesicherte Grundeinkommen, das er steuerfrei aufbessern kann.

„Die Humane Marktwirtschaft“ nach Haisenko/von Brunn ist das erste vollständig durchkonstruierte und durchdachte System, das als oberstes Prinzip den Humanismus hat.

Eben ein System, das das Wohl aller Menschen als Ziel hat und die Macht des Kapitals bricht. Aber genau das ist es, warum sich die Monopolmedien konsequent verweigern, darüber zu berichten, geschweige denn es zu diskutieren. So müssen Sie sich Ihr eigenes Urteil bilden, indem sie dieses Werk lesen. Und keine Angst, es ist so geschrieben, ohne verwirrende „Fachausdrücke“, dass es jeder verstehen kann. „Die Humane Marrktwirtschaft“ ist erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.

Foto: Cover Anderwelt Verlag

Zuerst erschienen bei Anderweltonline.com

Unser Gastautor Peter Haisenko, Verkehrspilot, war nach seiner Ausbildung bei der Lufthansa 30 Jahre im weltweiten Einsatz als Copilot und Kapitän.  Seit 2004 ist er tätig als Autor und Journalist. Er gründete den Anderwelt Verlag. www.anderweltonline.com/

 

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