Peter Haisenko: Alle „Tierwohllabel“ sind ein Armutszeugnis für die Politik

So ehrlich und wohlmeinend die Initiatoren von Aufklebern auf Lebensmitteln sein mögen, die auf eine bessere Produktionsart hinweisen, so wenig können diese ihr Ziel erreichen.
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Auch das noch: Rinder gelten unter Umwelt- und Klimaschützern schon länger als Klima-Killer.Foto: Marc Müller/Illustration/dpa
Von 18. April 2019

Wer hätte wohl etwas dagegen, wenn für einen ordentlichen Umgang mit Nutztieren plädiert wird? So erhalten verschiedene Initiativen viel Lob, die das fördern sollen. Der Pferdefuß dabei ist die “Freiwilligkeit”. Nur die Politik, der Gesetzgeber, kann verbindliche Vorschriften erlassen, doch das findet nicht statt.

In unseren westlichen Gesellschaften ist das Verhältnis zu Lebensmitteln degeneriert. Megatonnenweise werden Lebensmittel einfach weggeworfen, die sowieso zu billig sind. Seit Jahrzehnten schafft die Politik Bedingungen, die kleine Landwirte zum Aufgeben zwingen und Agrarkonzerne befördern. Man könnte vermuten, dass das DDR-System der LPGs (Landwirtschaftliche Produktions-Genossenschaften) im ganzen Land eingeführt werden soll, allerdings mit dem Unterschied, dass die Agrarkonzerne nicht mehr dem Volk gehören, sondern Kapitalgesellschaften. Es ist nur logisch, dass mit Massenproduktion und hartem Preiskampf das Wohl der Nutztiere zu kurz kommt.

Der Preiskampf bei Lebensmitteln ist brutal

So ehrlich und wohlmeinend die Initiatoren von Aufklebern auf Lebensmitteln sein mögen, die auf eine bessere Produktionsart hinweisen, so wenig können diese ihr Ziel erreichen. Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel. Man erwartet Gäste und möchte diese mit einem schönen Nackensteak vom Grill verwöhnen. Natürlich von Schweinen, die ein glückliches Leben hatten. Der Einkauf im Supermarkt unter Zeitdruck bringt dann die Ernüchterung. Die Steaks mit guter Tierwohlklassifizierung sind ausverkauft, der nächste Laden weit entfernt. Also auf die Grillsteaks verzichten? Die Gäste enttäuschen?

Wer wird in dieser Situation nicht schweren Herzens zu dem greifen, was eben verfügbar ist? Zum unklassifizierten Steak? Insgeheim kommt dabei noch ein wenig Freude darüber auf, dass man ja einige Euro gespart hat und die Gäste werden es schon nicht merken.

Welche Klasse Fleisch wird in Fertigprodukten verarbeitet? In aller Regel wird es das billigste sein, was am Markt verfügbar ist. Der Kunde merkt es sowieso nicht oder es ist ihm egal, Hauptsache preiswert. Beispielhaft sei hierzu auf die Verwendung des billigsten, aber schlechtesten Öls verwiesen, dem Rapsöl, mit dem mittlerweile nahezu alle Fertigprodukte kontaminiert sind. Man muss sich schon viel Zeit nehmen mit dem Studium der Inhaltsstoffe, um Rapsöl-freie Produkte überhaupt noch zu finden. Der zeitgestresste Kunde hat die aber meist nicht. So ist es auch mit Fleischprodukten wie Wurst oder Fertiggerichten. Da kann man so viele Label erfinden wie man will, die Produkte aus Massentierhaltung werden immer ihren Markt haben. Und wenn es nur daran liegt, dass eben gerade kein anderes verfügbar ist.

Der Preiskampf bei Lebensmitteln ist brutal. Kleinbetriebe können kaum gegen die Agrarindustrie bestehen, die noch dazu den Löwenanteil an Subventionen abgreift. Aber auch die Konkurrenz zwischen den Großen lässt wenig Spielraum für “artgerechte Haltung” von Nutztieren. Was bringt es also, wenn ein Teil der Produktion mit tollen Labels vermarktet wird, die bestenfalls in der höchsten Stufe zwanzig Zentimeter mehr Platz für ein armes Schwein garantieren? Wenn die Ferkel nach wie vor ohne Betäubung kastriert werden und die Säue wochenlang zwischen Gattern eingeklemmt werden, damit sie ihre Brut nicht in der drangvollen Enge platt walzen? Ja, das ist auch bei dem schönsten “Tierwohllabel” nicht anders.

Veränderung zum Guten geschieht nur, wenn der Gesetzgeber durchgreift

Solange es den ungeregelten Wettbewerb in der Tierzucht gibt, wird sich das nicht ändern, obwohl ich davon ausgehe, dass dem “normalen” Landwirt sehr wohl am Wohl seiner Tiere gelegen ist. Nein, der Bauer und Tierhalter will sein Vieh nicht schlecht behandeln, aber die Wettbewerbssituation lässt ihm oftmals keine andere Wahl. Dazu kommt, dass er das wunderbare Label erst erwerben muss und auch das kostet ihn Geld. Auch da sind die Agrarkonzerne wieder im Vorteil, denn sie erhalten ihre Zertifizierung gleich für Tausende Tiere, während der Kleinbetrieb eben nur wenige mit gleichem Aufwand begutachten lassen muss.

Es ist gleichgültig, ob irgendwelche Labels von privaten Organisationen oder dem Staat selbst kreiert werden, solange die Freiwilligkeit drüber steht. Im harten, unregulierten Wettbewerb hat Freiwilligkeit noch nie flächendeckend Gutes bewirkt. Nehmen wir dazu das positive Beispiel der Eier. Erst die gesetzliche Vorschrift, die Eier mit einfach lesbaren Nummern zu klassifizieren, hat die Legebatterien veranlasst, ihre Ställe umzubauen und mittlerweile finden sich fast nur noch Eier aus Bodenhaltung. Nebeneffekt dabei ist, dass der Einsatz von Antibiotika reduziert werden konnte und die Hühner weniger krank sind.

Ohne die gesetzliche Vorschrift aber hätte kaum ein Eierbetrieb das Geld in die Hand genommen und seine Legebatterien hühnerfreundlicher umgebaut. Gibt oder gab es ein Label für Eier? Nein, das braucht es nämlich nicht, wenn der Gesetzgeber selbst ein Machtwort spricht. Dann muss sich jeder damit arrangieren und der Wettbewerb findet unter anderen Voraussetzungen, eben tierfreundlicheren statt. Nochmals: Die Kennzeichnung der Eier ist nicht freiwillig, sie ist Gesetz.

Die vielfältigen Ökolabels sind nichts anderes als ein Feigenblatt für die Politik, die sich seit jeher weigert, solide Vorschriften für Ackerbau und Tierhaltung zu erlassen. Die Label selbst sind das Geld und den Aufwand nicht wert, den sie kosten. Sie sind kleingeistig konzipiert, denn was hilft es wirklich, wenn einem Schwein 20 Zentimeter mehr Platz zusteht. Im Gegenteil legitimieren sie die immer noch unwürdigen Zustände, weil diese jetzt als “tierfreundlich” zertifiziert sind. Immer wenn Mindeststandards festgeschrieben werden, ist das ein Freibrief, genau nach diesen zu verfahren, auch wenn sie noch so ungenügend sind. Das gilt übrigens auch für die neuen Standards, die Minister Spahn für die Pflegedienste aufgestellt hat.

Lebensmittel sind zu Billigprodukten verkommen

Wer also wirklich etwas für das Tierwohl erreichen will, der muss den Gesetzgeber in die Pflicht nehmen. Nur wenn es Vorschriften gibt, deren Missachtung auch unter Strafe steht, wird es möglich sein, eine Tierhaltung zu erzwingen, die unseren “westlichen Werten” annähernd gerecht werden kann. Nur harte Gesetze können das erreichen. Alles andere ist Kokolores, ein Eingeständnis, dass unser Staat gar kein Interesse daran hat, vielmehr der Lobby der Agrarkonzerne zu Diensten ist.

Noch ein Wort zum Fleischkonsum als solchem und dem Umgang mit Lebensmitteln allgemein. Es gab Zeiten, da war der Reichtum einer Nation bestimmt von der Leistung seiner Landwirtschaft. Mit der Industrialisierung hat sich das geändert. Landwirtschaft ist heute Nebensache, obwohl wir nach wie vor ohne sie nicht leben können. Die Lebensmittel ganz allgemein sind so zu Billigprodukten verkommen und damit ist der respektvolle Umgang mit Lebensmitteln unter die Räder gekommen. Haltbarkeitsdaten ersetzen die eigene Fähigkeit zu entscheiden, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist. Ein Tag drüber und es wird weggeworfen, ohne auch nur eine Geruchsprobe zu machen. Ich habe mitansehen müssen, wie eine Konserve mit fünf Jahren Haltbarkeit ungeprüft in den Müll wanderte, nur weil das Haltbarkeitsdatum einen Monat drüber war. Als ob sie sich just an einem Tag, dem Haltbarkeitsdatum, von essbar in Gift verwandeln würde.

Achte den Bauern, denn du lebst von ihm!”

Ich bin kein Vegetarier, gestehe aber jedem zu, einer zu sein. Ja, ich esse gern mal ein schönes Steak. Wenn ich das tue, dann immer mit Respekt. Respekt und Dankbarkeit dafür, dass dieses Tier sterben musste, damit ich leben kann. Mit Abscheu muss ich zu oft beobachten, wie Menschen im Restaurant Unmengen bestellen und dann die Hälfte auf dem Teller liegen lassen. Nein, die Tiere sind nicht gestorben, damit sie im Müll landen. Aber auch hierzu hat die Politik einen Beitrag geleistet. Früher gab es in jedem Wirtshaus eine Sammeltonne, in der die Essensreste landeten, um dann zum Beispiel wieder an Schweine verfüttert zu werden. Völlig überzogene Hygienevorschriften haben dafür gesorgt, dass das heute alles im Müll entsorgt werden muss.

Bei Konfuzius ist zu lesen: “Achte den Bauern, denn du lebst von ihm!” Die Politik hat das pervertiert zu “achte den Agrarkonzern, denn seine Lobbyisten sind mächtig!”

So haben wir den schändlichen Zustand, dass seit etlichen Jahren auch staatlicherseits an irgendwelchen Labeln gebastelt wird, die nicht zustande kommen und immer die Überschrift “freiwillig” haben. Dass das nicht funktioniert, sollten unsere Minister langsam gelernt haben. Haben sie aber nicht. So bleibt die Frage, ob sie so dumm, so lernunfähig sind, oder sich doch mehr dem Ziel verpflichtet fühlen, den Kleinbauern abzuschaffen, zu Gunsten der großen Agrarkonzerne. Ob sie trotz großer Sprüche gar kein Interesse am Tierwohl haben. Ich fürchte, alle drei Optionen treffen zu. Der Zirkus mit den freiwilligen Labeln ist ein Armutszeugnis für die Politik, die sich nicht in der Lage sieht, selbst etwas wirkungsvolles als Gesetz zu formulieren.

Zuerst erschienen bei Anderweltonline.com

Peter Haisenko war Pilot bei der Lufthansa und flog 30 Jahre im weltweiten Einsatz als Copilot und Kapitän. Seit 2004 ist er als freier Autor und Journalist tätig. Er ist Inhaber und Herausgeber des Online-Portals www.anderweltonline.com

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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