Der Stadtrat von New York berät über einen Verordnungsentwurf, der es Restaurants und anderen Geschäften bei Strafandrohung verbietet, Barzahler abzuweisen. Andere Städte und Bundesstaaten haben solche Verbote schon. Die Begründung straft die Floskeln von der finanziellen Inklusion durch Verdrängung von Bargeld Lügen: Bargeldverweigerung diskriminiert gegen ärmere, am Rande stehende und ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen.
Nach einem Bericht von Rebecca Bellan im New Yorker Magazin CityLab befindet der Stadtrat demnächst darüber, ob es Restaurants und anderen Geschäften verboten werden soll, Kunden abzuweisen, die „nur“ Bargeld anzubieten haben. In anderen Städten wie Washington, Philadelphia und Chicago gibt es schon entsprechende Gesetze oder sie sind kurz vor der Einführung. Im Staat New Jersey fehlt nur noch die Unterschrift des Gouverneurs, in Massachusetts gibt es seit langem ein Gesetz, das Diskriminierung von Barzahlern ausdrücklich verbietet.
Die Begründung jeweils: es sind die Ärmeren, die weit überproportional von solchen Annahmeverweigerungen betroffen sind, weil viele von ihnen kein Bankkonto haben. Juristisch der Hauptangriffspunkt ist die Tatsache, dass es vor allem Farbige betrifft, wodurch das Verbot nach Hautfarbe zu diskriminieren, verletzt sein könnte.
Alle, die noch einen Beweis brauchten, wie verlogen das Gerede von der „finanziellen Inklusion“ ist, hinter dem die Kampagne zur Zurückdrängung des Bargelds versteckt wird, können ihn hier finden. Bargeld ist das inklusivste Zahlungsmittel.
Praktisch jede und jeder kann es ohne Kosten und technische oder rechtliche Hürden nutzen. Dieses inklusive Zahlungsmittel zurückzudrängen oder gar zu verbieten führt nicht zu Inklusion, sondern im Gegenteil zu Ausschluss.
Es macht auch bestimmte Lebensformen unmöglich. Wer sich abseits der gesellschaftlichen Kontrolle und Normen bewegen möchte oder muss, als Straßenschläfer, Bettler, Straßenmusiker oder was auch immer, wird hineingezwungen, muss sich für eine Zahlkarte registrieren lassen und ausweisen, muss sich der finanziellen Totalüberwachung unterwerfen.
Auch allen anderen, die einen Restbereich von Privatsphäre vor der Überwachung schützen möchten, wird das ohne Bargeld unmöglich gemacht. Denn dann werden ausnahmslos alle ihre Aktionen, die mit irgendwelchen Zahlungen verbunden sind, nicht nur gespeichert und laufend analysiert, sondern sie bleiben auch noch jahrzehntelang abrufbar.
Wann immer sich jemand mit entsprechender Macht für unser Leben interessiert, es liegt ihm dann komplett zur Einsicht vor.
Der Harvard-Ökonom Ken Rogoff, Autor des (von Lügen, Falschdarstellungen und Auslassungen durchzogenen) Buchs „Der Fluch des Bargelds“ wird mit der Feststellung und Prognose zitiert, heute seien die USA in Sachen Bargeldzurückdrängung dort wo Schweden vor fünf Jahren war. In fünf Jahren werde man sicher so weit sein, wie Schweden heute. Fast unnötig zu sagen, dass er den New Yorker Verordnungsentwurf gegen Bargeldverweigerer nicht für die richtige Lösung hält. Diese läge vielmehr in kostenlosen Zahlkarten und finanzieller Inklusion.
Alle, die nicht möchten, dass auch wir den Weg Schwedens gehen, wo man in viele Schwimmbäder und andere Einrichtungen nur noch mit elektronischem Geld kommt, und die finanzielle Totalüberwachung aller Bürger fast widerstandslos hingenommen wird, rufe ich auf, sich an der #BargeldChallenge zu beteiligen. Wer mitmacht, zahlt so oft und so viel bar, wie es ihm und ihr mit vertretbarem Aufwand möglich ist, und versucht andere anzuregen, es ebenfalls zu tun.
In den letzten vier Monaten haben 65.000 Menschen die Seite zur #BargeldChallenge auf diesem Blog gelesen. Das nächste Ziel ist 100.000.
Zuerst erschienen bei www.norberthaering.de
Norbert Häring ist seit 1997 Wirtschaftsjournalist. Der promovierte Volkswirt arbeitete vorher einige Jahre für eine große deutsche Bank. 2002 wechselte er zum Handelsblatt, für das er seither schreibt. Er engagiert sich in der World Economics Association für eine weniger einseitige und dogmatische Ökonomik. Er ist Träger des Publizistik-Preises der Keynes-Gesellschaft und des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises von getAbstract (Ökonomie 2.0).
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