Mit Musik die Welt „reparieren“: Paul Schoenfield

Welche Verantwortung Komponisten tragen, wurde Paul Schoenfield erst später bewusst. Doch diese Erkenntnis löste einen tiefgreifenden Wandel in ihm aus. Und schenkte der Welt wunderbare Musik.
Titelbild
Komponist Paul Schoenfield.Foto: gemeinfrei
Von 29. August 2024

Am 29. April dieses Jahres verstarb der Komponist Paul Schoenfield in Jerusalem. Weder die Musikszene noch die Fachpresse schenkten ihm nennenswerte Aufmerksamkeit. Die New York Times und die Washington Post, die ansonsten keine Gelegenheit auslassen, die Titelseiten mit den Todesanzeigen zeitgenössischer Popkünstler zu schmücken, widmeten Schoenfields Tod keinen Nachruf.

Erst als im Juni Schoenfields Verleger sein Ableben bekannt gab, verbreitete sich die Kunde durch Mundpropaganda in der Gemeinschaft, die ihm am teuersten war: den klassischen Musikern.

Schoenfields bekanntestes Werk, die 1986 veröffentlichte „Café Music“, ist eine lebhafte Partitur für ein Klaviertrio, bestehend aus Violine, Cello und Klavier. Dieses Werk zählt zu den am meisten gespielten seiner Art in den letzten fünf Jahrzehnten. Ein Blick auf die zahlreichen Videos dieses Werkes auf YouTube erklärt schnell seine anhaltende Beliebtheit.

Es steht in deutlichem Kontrast zu den Entwicklungen der modernen und postmodernen Musik. Wenn man ihm ein Etikett geben müsste, wäre „populistisch-klassisch“ wohl am treffendsten. Die volkstümlichen und jazzigen Rhythmen, gepaart mit klaren tonalen Melodien, prägen die drei Sätze des Werkes und verleihen ihm eine unverwechselbare Note.

Schoenfield selbst erklärte, dass ihn Erinnerungen an seine Zeit als Klavierspieler in einem Steakhouse zu „Café Music“ inspirierten. In der Tat klingt die Partitur wie eine raffinierte Ausarbeitung jener Melodien, die man in einem solchen Ambiente hören könnte.

Unwahrscheinliche Anfänge

Paul Schoenfields musikalische Anfänge waren alles andere als populistisch. Ich war Zeuge dieser frühen Jahre. Die Geschichte seines Wandels von der strengen Akademie zur populär-klassischen Musik ist auch eine Erzählung seiner persönlichen Metamorphose.

In den 1970er-Jahren, als ich selbst an der University of Arizona School of Music (UA) studierte, war Paul Doktorand und ein leuchtendes Talent. Während unser gemeinsames Hauptfach die Komposition war, hatte Paul auch Klavier und Mathematik studiert.

Er war als das außergewöhnliche Genie bekannt, dessen Klaviertechnik alle in Staunen versetzte. Tatsächlich war Paul an die UA gekommen, um bei Ozan Marsh zu studieren, einem der letzten Schüler des großen Rachmaninow, und niemand konnte sich seiner Virtuosität entziehen. Seine Neugier führte ihn auch zur Komposition, die er bei Robert Muczynski studierte, dessen Abstammung über den russischen Komponisten Alexander Tscherepnin bis zu Chopin zurückreicht.

Trotz dieser beeindruckenden Grundlagen spiegelte die Musik, die Paul selbst schuf, nicht das geerbte romantische Erbe wider. Stattdessen war sie durch die moderne und dissonante Klangwelt des späten 20. Jahrhunderts geprägt. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich sein Klavierquintett im Rahmen seines Doktoratskonzerts hörte.

Es kam mir vor, als habe er sein Hauptfach von der Mathematik auf die Musik übertragen. Die Komposition wirkte so präzise und rechnerisch wie die mathematischen Gleichungen, die er meisterhaft beherrschte.

Paul war ohne Frage brillant, und sein Talent wurde von allen bewundert und geschätzt. Doch seine Kompositionen waren zu jener Zeit von einer Kälte, die der von Eis glich.

Die Zeit nimmt ihren Lauf

Mehr als zwanzig Jahre waren vergangen. Es war in den späten 1990er-Jahren und ich hatte mich wieder mal an meinem Schreibtisch bei The Arizona Republic eingefunden. Meine Aufgabe war es, über Kunst zu berichten, als ich eine CD erhielt, die meine Aufmerksamkeit sofort fesselte: „Vier Parabeln für Klavier und Orchester“ und andere Werke von Paul Schoenfield.

Erwartungsvoll nahm ich die silberne Scheibe aus der Hülle, schloss meinen tragbaren CD-Player an und setzte die Kopfhörer auf, in der Erwartung, den vertrauten Stil aus den 1970er-Jahren zu hören.

Meine Reaktion wäre wohl am besten durch eine Vielzahl an Ausrufezeichen zu beschreiben.

Denn was ich vernahm, war kein kaltes Eis mehr. Es war Leben in seiner vollen Fülle – Atem, Feuer, Liebe, Bedauern, Verzweiflung und Hoffnung. Hastig durchsuchte ich die Kontakte des CD-Labels und gelangte zu Pauls Pressesprecher, der mir ein Telefoninterview ermöglichte.

„Paul“, begann ich unser Gespräch, „was ist geschehen?!“ Er verstand sogleich, worauf ich anspielte. Seine Antwort war eine Erzählung, die einer Legende entsprungen sein könnte.

Als strenggläubiger Jude hatte sich Paul vorgenommen, ein Jahr in Israel zu verbringen, um sich ehrenamtlich in Altersheimen und Pflegeeinrichtungen zu engagieren. In diesen Stätten kümmerte er sich um die Bedürfnisse der Senioren und lauschte ihren Lebensgeschichten.

„Als ich ihre Geschichten hörte, wurde mir klar, dass Musik in ihrem Leben eine Bedeutung hat“, erinnere ich mich an seine Worte. (Es ist 30 Jahre her, und meine Notizen sind verschwunden, aber ich gebe das Wesentliche wieder.)

„Die Musik sprach zu diesen alten Menschen. Oft waren ihre Erinnerungen mit der Musik verbunden, die sie in Konzerten oder Nachtclubs gehört hatten, oder die in ihren Wohnungen gespielt wurde. Musik war nicht abstrakt wie die Mathematik; sie war Leben selbst.“

Erstaunliche Veränderung

Was für ein Wandel! Paul Schoenfield entfaltete sich zu einem Komponisten von unvergleichlichem Klang und einzigartigem Auftrag. Hören Sie nur „Senility’s Ride“ aus den „Four Parables“, und erleben Sie, wie die Erinnerungen eines betagten Mannes in der Musik lebendig werden.

Das musikalische Porträt eines alternden Menschen, der auf sein Leben zurückblickt, offenbart seinen Abschied von dieser Welt – ein Zustand, dem wir alle irgendwann begegnen werden. Doch wenn die Gershwinsche Melodie, die den Höhepunkt des Werkes bildet, vor Freude aufleuchtet, erkennen wir, dass er trotz allem etwas Wertvolles mitnehmen wird.

Paul Schoenfields Musik ist nicht nett im Sinne von gefällig. Auf dissonante Bedeutungslosigkeit mit gefälliger Bedeutungslosigkeit zu antworten, wäre keine wirkliche Antwort. Seine Musik durchdringt die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen – vom unbeschwerten Vergnügen in „Café Music“ bis hin zu dem, was man in den „Four Parables“ als Hoffnung inmitten der Trümmer deuten könnte.

Jede Religion lehrt auf ihre Weise: „Die Welt ist gefallen, doch sie kann gerettet werden.“ Im Judentum nennt man dies „Tikkun olam“ – „die Welt reparieren“. Die Musik wird zu einem Pfad des Tikkun olam. Sie leugnet nicht die gefallene Natur der Welt, sondern „repariert“ sie, indem sie der Hässlichkeit Schönheit entlockt.

Paul Schoenfield mochte dies anfänglich nicht erkennen, doch durch seine Gespräche und die Fürsorge für die älteren Menschen erlangte er diese Erkenntnis. Die Musik, die er als Antwort auf diese Erkenntnisse schuf, hat das Potenzial – wie jede bedeutende Musik – die Welt ein Stück weit zu „reparieren“.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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