Maximaler Machtgewinn für die EZB durch epochales Beben im Bankensystem?
Es bestehen aus meiner Sicht erhebliche Zweifel, dass die staatlichen Bankensicherungsmechanismen ein Zusammentreffen der multiplen Bedrohungslagen der internationalen Bankenlandschaft abfedern können.
Neben der permanenten Kaufkraftentwertung tragen Inhaber von Geldguthaben im Falle eines Bebens im Finanz- und Bankensystem enorme Haftungsrisiken. Die katholische Kirche möchte diese Risiken nicht mehr tragen und hat Ende August 2022 verfügt, dass sämtliche Einlagen zur eigenen Vatikanbank zu übertragen sind. Am 2. November 2022 gab die US-Ratingagentur Standard & Poors zudem bekannt, dass die Schweizer Credit Suisse in Bezug auf ihre Finanzstärke knapp dem „Ramsch-Niveau“ entgangen ist.
Im Zuge eines großen Dominoeffektes ist jedoch auch ein anderes Szenario denkbar: Sobald die Bilanzen einer Vielzahl von Banken in Schieflage geraten, könnte man einige oder eventuell sogar alle Banken verstaatlichen, in der EZB aufgehen lassen und den digitalen Euro als einziges Zahlungsmittel einführen. Dann wäre der Zustand der absoluten Geldzentralisation erreicht. In ihrem eigenen System kann die EZB keinen Bankrott hinlegen, insofern könnte man die Haltbarkeit des maroden Finanzsystems deutlich verlängern.
Final abgeschlossen wäre dieses Szenario, wenn man die noch verbliebenen Geschäftsbanken aus dem Kredit- und Geldschöpfungsprozess ausschließt. Kreditgeschäfte würden dann nur noch über die Zentralbank abgewickelt. Kreditvergabekriterien für Privathaushalte und Unternehmen könnte man an gewisse Bedingungen (Konsumverhalten und ähnliches) knüpfen. Ein Blick nach China und das dort etablierte Sozialkreditsystem beantwortet die Frage nach weiteren möglichen Ausbaustufen.
Discountpreise für Bankaktien?
Der bilanzielle Wert (Buchwert) eines Unternehmens wird ermittelt, indem man die Verbindlichkeiten (Schulden) vom Vermögen in Abzug bringt. Kalkuliert man auf Basis der Zahlen der Bilanz aus dem Jahr 2020, erhält man für die Deutsche Bank einen Buchwert in Höhe von 26,53 Euro je Aktie. Das Unternehmen notiert an der Börse derzeit jedoch nur bei knapp 10 Euro je Aktie.
Es ist also möglich, die Deutsche Bank am Markt mit einem Abschlag von mehr als 65 Prozent zu kaufen. Das klingt für den Laien zunächst nach einem guten Deal. Für gut informierte Marktbeobachter gibt es nur einen Grund für diesen Abschlag: Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Vermögenswerte der Deutschen Bank weniger wert sind, als in der Bilanz errechnet wurde.
Für die Commerzbank ergibt sich auf Basis der Bilanz des Jahres 2020 gar ein Abschlag von über 75 Prozent. Andere europäische Finanzinstitute weisen, ebenso wie beispielsweise die Bank of China, ähnliche Relationen auf.
Geschäftsmodell wackelt/Zinsmarge schmilzt
Das klassische Bankengeschäft ist einfach beschrieben. Neben Vermittlungsgeschäften verdient eine Bank ihre Brötchen durch das Kreditgeschäft. Sie verleiht Geld zu einem höheren Zins, als die Bank selbst an Zinsen zu bezahlen hat.
Durch die in den letzten Jahrzehnten rückläufigen Zinsen gingen die Erträge aus dem Kreditgeschäft immer weiter zurück. Während der vergangenen Monate erhöhten sich zudem die Kosten für die sogenannten Kreditausfallversicherungen (CDS = Credit Default Swaps).
Diese Versicherung gleicht im Falle einer Bankenpleite den finanziellen Schaden aus. Je höher die Wahrscheinlichkeit eines Bankrotts der jeweiligen Bank ist, desto höher sind die Kosten für diese Art Rückversicherung. Die Preise sind folglich ein Indikator für den finanziellen Gesundheitszustand einer Bank.
Bezogen auf die Credit Suisse und die Deutsche Bank haben die CDS wieder das Niveau der Finanzkrise 2007/08 erreicht. Das spricht für erhebliche Pleiterisiken!
Die Kosten für die Kreditausfallversicherung werden auf den Zins für End- oder Unternehmenskunden aufgeschlagen. Die jetzt hohen Kreditausfallkosten mindern nun die Zinsmarge zusätzlich und reduzieren folglich den Gesamtertrag der betroffenen Banken.
Die nun erheblich gestiegenen Zinskosten belasten nicht nur Kreditnehmer jeglicher Art, sie führen auch dazu, dass weniger Kredite an Kunden vergeben werden. Das zeigte sich bereits in der Krise 2007/08. Als die Unsicherheit am größten war, drohte die Kreditvergabe zum Erliegen zu kommen. In einer epochalen Krisensituation wäre sogar der Zahlungsverkehr gefährdet, weil jede Überweisung einem Kurzfristkredit gleichzusetzen ist.
Faule Kredite in den Bankbilanzen
Um drohende größere wirtschaftliche Einbrüche abzumildern, wurde das Zinsniveau in den letzten Dekaden sukzessive immer weiter abgesenkt. Der Zins entfernte sich immer weiter von einem marktgerechten Zins. Der Zins, also der Preis des Geldes, ist ein extrem wichtiges volkswirtschaftliches Preissignal. Er funktioniert wie ein Kompass und zeigt an, welche Investitionen sich rentieren und welche nicht.
Angenommen, der Marktzins, der sich durch dezentrales Geldangebot und dezentrale Geldnachfrage bilden würde, läge bei 5 Prozent und der künstlich abgesenkte Zins bei 3 Prozent. In diesem Beispiel rechnen sich nun auch Investitionen zwischen 3 und 5 Prozent.
Es entsteht eine Art Scheinboom, weil auch weniger rentable Investitionen getätigt werden. Die abnehmende Arbeitsproduktivität in Deutschland nach 2007 untermauert die These. Der Boom steht folglich auf tönernen Füßen und in Folge der steigenden Nachfrage steigen auch die Preise für die Produktionsfaktoren (Grundstücke, Rohstoffe, Baumaterialien, Vorprodukte, Kosten für Arbeitnehmer und so weiter), die notwendig sind, um die Projekte umzusetzen. Irgendwann sind diese Preise so hoch, dass sich die Investitionen nicht mehr rechnen und der Boom in einen sogenannten Bust umschlägt. Um diesen abzuwenden, wird der Zins noch weiter abgesenkt und das Spiel beginnt von vorne.
Nebenbei bemerkt kommt es zusätzlich zu einer Verschwendung von Ressourcen, weil diese in Investitionen fließen, die sich bei einem marktgerechten Zins nicht rechnen würden. Diese Form der Geldwirtschaft belastet folgerichtig die Umwelt.
Zu einem großen Teil werden die beschriebenen Investitionen durch Bankdarlehen finanziert und sammeln sich als faule Kredite in den Bilanzen der Banken.
Jedes 4. Unternehmen birgt Risiken von Insolvenz
Darüber hinaus ist, bedingt durch den Niedrigzins, die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen rückläufig. Und zwar deshalb, weil die Zinskosten für verschuldete Unternehmen durch die Absenkung des Zinses konstant rückläufig waren. Dieser Umstand wirkt wie eine Finanzspritze für diese Unternehmen. Der niedrige Zins hält Betriebe, die einen marktkonformen Zins nicht bezahlen könnten, künstlich am Markt.
Waren für das Jahr 2009 laut Statista noch 32.930 Betriebspleiten zu verzeichnen, so ging diese Zahl beständig zurück und fiel 2019 unter die Marke von 19.000. Laut Creditreform soll jedes vierte Unternehmen erhebliche Risiken einer Insolvenz aufweisen. Diese Unternehmen unterhalten Kredite bei Banken. Die Kredite werden dann als Forderung auf der Vermögensseite der Bankenbilanzen geführt.
Im Falle der sich jetzt gerade zuspitzenden rezessiven wirtschaftlichen Situation werden viele Unternehmen in die Insolvenz rutschen. Es droht eine Vielzahl an Krediten auszufallen. Die Kredite sind dann in der Bilanz abzuschreiben. Je nach Größenordnung ist das Eigenkapital der Kreditinstitute möglicherweise aufgezehrt. Dieser Umstand ist gleichbedeutend mit einem Bankrott.
Anleihecrash belastet die Bilanzen
Da die Banken in nicht unerheblichem Umfang Staatsanleihen halten, stellt auch der Rückgang der Anleihenpreise eine Belastung für die Bilanzen dar.
Des Weiteren sind auch andere Vermögensgüterpreise (Aktien, Immobilien) rückläufig. Sollte sich die Entwicklung beschleunigen, könnten mit Vermögensgütern besicherte Kredite ein Problem verursachen. Besonders prekär wird es, wenn beispielsweise der Wert einer Immobilie in dem Ausmaß einbricht, dass der Kredit einen höheren Betrag aufweist, als der aktuelle Wert der Immobilie ist.
In diesem Fall sind Zwangsverkäufe das Resultat. Diese würden im Zuge von Kreditkündigungen auftreten. Der Rückgang der Immobilienpreise würde sich noch zusätzlich beschleunigen. Die Banken müssten die Werte in ihren Bilanzen nach unten korrigieren. In einer Extremsituation könnte das Eigenkapital der Institute aufgezehrt sein oder gar negativ ausfallen.
Finanzderivate als größtes Risiko?
In sämtlichen Rohstoff-, Aktien- und Devisenmärkten ist es für Unternehmen möglich, sich über sogenannte Finanzderivate gegen Kursschwankungen abzusichern. Diese Papiere werden jedoch nicht mehr nur zu Absicherungszwecken genutzt, sondern vermehrt zur Spekulation.
So hat die Credit Suisse in ihrer Bilanz einen Saldo für Finanzderivate von 14.600 Milliarden Franken ausgewiesen. Bei einer Jahreswirtschaftsleistung der Schweiz in Höhe von 742 Milliarden Franken ist das fast das Zwanzigfache. Selbstverständlich sind dort Positionen enthalten, die sich gegenseitig aufheben. Das Nettorisiko fällt also geringer aus.
Die Finanzkontrakte beinhalten jedoch auch das Risiko, dass der Vertragspartner seiner Verpflichtung im Rahmen einer Insolvenz nicht nachkommen kann. Und im Falle einer großen Wirtschaftskrise drohen viele Vertragspartner (Kontrahenten) auszufallen. Andere Banken in Europa haben vergleichbare Risiken aufgebaut. Bezogen auf das globale Finanzsystem sprechen wir hier von einem unkalkulierbaren Risiko.
Zum Autor
Benjamin Mudlack ist Bankkaufmann und diplomierter Wirtschaftsinformatiker, Buchautor, Unternehmer und Vorstandsmitglied der Atlas Initiative. Seine Schwerpunkte sind das Geldsystem, die österreichische Schule der Nationalökonomie und der Mittelstand. Er plädiert für dezentrale Strukturen, dynamische Prozesse statt zentralistischen, statischen Konzepten.
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