Lucenti appelliert: Wirksame und nachhaltige Aufarbeitung der Corona-Zeit braucht Unabhängigkeit

Angestoßen durch die entschwärzten RKI-Protokolle hat der Ruf nach Aufarbeitungen der Corona-Zeit Nachhall bekommen. Fürsprecher gibt es mittlerweile in fast allen Parteien. Allerdings gibt es keinen Konsens, in welcher Form dies geschehen soll und welches Gremium dafür geeignet wäre. Der Rechtsanwalt Sebastian Lucenti plädiert für einen parteiunabhängigen Sachverständigenrat, der juristisch verwertbare Ergebnisse liefert.
Die Statue der Justitia steht für Gerechtigkeit: Das Landgericht Salzburg hat einen Mann für einen Doppelmord zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Statue der Justitia steht für Gerechtigkeit.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 13. August 2024

Vor dem Leak der kompletten RKI-Protokolle hatten die Parteien im Bundestag unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Aufarbeitung der Corona-Zeit aussehen sollte. Bundeskanzler Olaf Scholz fand einen Bürgerrat „am sympathischsten“. Die FDP hat sich in der Vergangenheit wiederholt für eine Enquete-Kommission ausgesprochen. Jens Spahn, der CDU-Gesundheitsminister der ersten anderthalb Pandemiejahre, favorisierte eine „kluge Kombination“ aus beiden Elementen. Die Grünen wollten eine Aufarbeitung im Parlament, wobei unterschiedliche Formate zum Tragen kommen sollten. Die AfD-Fraktion war mehrheitlich für einen Untersuchungsausschuss. Ihren Antrag auf Bildung einer Enquete-Kommission hat der Bundestag im Juni ohne weitere Aussprache abgelehnt.

Drosten für Aufarbeitung

Virologe Christian Drosten äußerte im „Spiegel“ seine Zustimmung zu einer Aufarbeitung: „Ich bin mir nicht sicher, ob eine parlamentarische Kommission das in der ganzen Breite erfassen kann, ob da alle zu Wort kämen, die zu Wort kommen sollten. Aber ich hätte nichts gegen den Versuch. Parallel sehe ich das auf jeden Fall als Auftrag bei den Medien und auch der Wissenschaft. Es gibt fachliche Forschung zu dem Thema, aber es braucht auch einen Erörterungsprozess, der aus der breiteren Wissenschaftsgemeinschaft kommt.“

Publizist Christoph Giesa argumentierte in der „Zeit“, eine Aufarbeitung sei wichtig, um besonders betroffene Gruppen wie etwa Pflegekräfte mit der Politik zu versöhnen. Rechtsanwalt Sebastian Lucenti antwortet ihm hier und erklärt, was seiner Meinung nach für eine nachhaltig befriedende Aufarbeitung der Corona-Zeit nötig ist.

Replik an Christoph Giesa

Sehr geehrter Herr Giesa,

mit großem Interesse habe ich Ihren Gastbeitrag in der Zeit-Online vom 21. Juni 2024 gelesen, der sich nunmehr – nach der Veröffentlichung der gesamten RKI-Protokolle und zahlreicher kritischer Beiträge seit 2020 – zu den immer lauter werdenden kritischen Publikationen gesellt.

Mit Verwunderung habe ich allerdings folgende Passage aufgenommen:

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker während der Pandemie schwerwiegende Entscheidungen zu leichtfertig getroffen oder sich sogar strafbar gemacht hätten. Deshalb geht auch nicht die Forderung der AfD nach einem Corona Untersuchungsausschuss in die richtige Richtung, sondern die Forderung aus den Reihen der FDP, der Grünen und von einzelnen Stimmen aus Union und SPD nach der Einsetzung einer Enquetekommission. Das Ziel darf nicht sein, damals Verantwortliche im Nachhinein zur Rechenschaft zu ziehen, wie man es von politischen Schauprozessen in Autokratien kennt. Es muss vielmehr darum gehen, für die Zukunft zu lernen.“ [Hervorhebungen Sebastion Lucenti]

In diesem Zusammenhang erlaube ich mir auf die von mir verfassten faktenbasierten juristischen Fachpublikationen und meine Gastbeiträge in der Epoch Times und dem „Cicero“ zu verweisen.

Hieraus sind Art, Umfang und Zeitpunkte des verfügbaren Tatsachenwissens von politischen Entscheidungsträgern, den wissenschaftlichen Politikberatern und den zuständigen Behörden (insbesondere RKI und PEI) auch aus einer ex ante Sicht unschwer erkennbar.

Zieht man zudem den Inhalt

gelangt man zu der Erkenntnis, dass es keiner Enquetekommission, sondern einer umfassenden, ergebnisoffenen juristischen Untersuchung der Handlungen und Unterlassungen aller politischen Entscheidungsträger und maßgeblichen Behördenvertreter bedarf.

In diesem Zusammenhang empfehle ich die Stellungnahme von Tom Lausen, Einzelsachverständiger im parlamentarischen Gesundheitsausschuss des Landes Rheinland-Pfalz. Sein Bericht beginnt mit folgenden Worten:

In Rheinland-Pfalz wurden während der COVID-19-Pandemie bis heute gravierende Defizite im Vollzug von Gesetzen und Meldepflichten bei Datenübermittlungen offenkundig. Diese Vollzugsdefizite liegen im Verantwortungsbereich der Landesregierung, der Gesundheitsämter, der Kassenärztlichen Vereinigung RLP und der Ordnungsbehörden in RLP und haben besonders die Überwachung der Sicherheit und Wirksamkeit der neuartigen COVID-19-Impfstoffe betroffen.“

Und weiter: „Die Meldepflichten sind von der Landesregierung mit seinen Behörden zu überwachende Pflichten, die erhebliche Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung bei Konsum der neuartigen COVID-19 Impfstoffe verhindern sollten. Als Datenanalyst bin ich bei der Datenrecherche auf die nachfolgenden Tatbestände umfangreich aufmerksam geworden.“

Juristische Folgen für politische Entscheidungsträger

Ein unabdingbarer Schritt für eine gesellschaftlich wie rechtlich angemessene Aufarbeitung der Corona-Krise erfordert die Bereitschaft und Erkenntnis, dass eine tiefgehende faktenbasierte Untersuchung aus einer ex ante Sicht auch Ergebnisse zutage fördern kann, die juristische Folgen für politische Entscheidungsträger und Behördenvertreter haben kann, wenn sie sich die betreffenden Handlungen und Unterlassungen – zu den jeweiligen Zeitpunkten – als verantwortungslos erweisen.

Eine Untersuchung der Ursachen einer Krise, deren massiv schädliche Folgen für die Bevölkerung nicht das Resultat eines „unabwendbaren Naturereignisses“, sondern vielmehr die kausale Folge einer Vielzahl von menschlichen Entscheidungen war, macht auch perspektivisch nur Sinn, wenn die Fehlerfreiheit und Verantwortungsflucht der Verantwortungsträger nicht bereits als Bedingung der Untersuchung feststehen.

Wie es in jedem rechtsstaatlichen Verfahren zu Recht etabliert ist, müssen parteiliche Einflüsse auf das Verfahren beziehungsweise die Erhebung und Verarbeitung von Fakten unterbleiben. Den betreffenden Personen kann somit nicht die Verfahrensleitung übertragen werden, die Gegenstand der Untersuchung sind. Insoweit bedarf es eines tatsächlich parteiunabhängigen, fachwissenschaftlichen Gremiums zur Aufarbeitung, deren Mitglieder in keiner Weise an der politischen Beratung oder an den betreffenden Entscheidungen beteiligt waren oder den Entscheidern nahestehen.

Parteiunabhängiger Sachverständigenrat

Als forensisch tätiger Jurist bedeutet dies für mich schlicht die Einsetzung eines parteiunabhängigen (nicht politisch besetzten) Sachverständigenrats, der die maßgeblichen Tatsachenkomplexe so umfassend ermittelt, dass diese nötigenfalls auch juristisch verwertbar sind.

Denn es geht abstrakt oftmals nicht um Handlungen und Unterlassungen „des Staates“ als anonymes Wesen, sondern um konkrete Personen, die durch ihre Handlungen und Unterlassungen schwerwiegende – jedoch bei Anwendung rationaler Methodik und naheliegender Überlegungen vermeidbare – gesundheitliche Schäden, gigantische volkswirtschaftliche und nachhaltige soziale Schäden in nahezu allen Lebensbereichen angerichtet haben.

Bei sorgfältiger Durchsicht der damaligen Faktenlage und Originalquellen werden Sie feststellen, dass eine Fülle von konkreten Anhaltspunkten für leichtfertige politische Entscheidungen und systemisches behördliches Versagen mit erkennbaren und vermeidbaren Folgeschäden bestehen, die einer juristischen Bewertung in vielerlei Rechtsbereichen zugänglich sind.

Eine wirksame und nachhaltig befriedende Aufarbeitung erfasst alle Lebensbereiche der Gesellschaft.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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