Keine Kraft für echte Krisen? Grüne verlieren laut Umfragen mehr als ein Drittel ihrer Wähler
Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und den Kommunalwahlen in Bayern im Februar und März des Jahres hatten die Grünen in ihren großstädtischen Hochburgen gegenüber der SPD an Terrain verloren. Vor allem bei der Bayern-Wahl argwöhnten erste Beobachter, die Ökosozialisten könnten im Angesicht der sich zuspitzenden Corona-Krise Probleme bekommen. Allerdings konnten sie damals immer noch Achtungserfolge verbuchen und blieben in Umfragen bundesweit bei etwa 24 Prozent.
Grüne fallen hinter die SPD zurück
Mittlerweile ist die Annahme jedoch zur Gewissheit gereift und Umfrageergebnisse wie jüngst nur noch 15 Prozent beim RTL/n-tv-Trendbarometer zeigen: Die Grünen sind der große Verlierer der Corona-Krise. Anders als in Österreich, wo ihnen die Regierungsbeteiligung und ein pragmatisches Gebaren einen Bonus verschaffen, fallen sie auch bundesweit hinter die Sozialdemokraten zurück. Zudem hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz – der nach dem SPD-Mitgliederentscheid vom Spätherbst des Vorjahres noch als Auslaufmodell gegolten hatte – auch in der Beliebtheitsskala der Politiker Robert Habeck abgehängt.
Das auch in anderen Ländern zu beobachtende Phänomen, dass sich die Bürger in Krisenzeiten mit der Regierung solidarisieren, mag ein Faktor sein, der sich zugunsten von Union und SPD und zu Lasten der Grünen auswirkt. Allerdings hatten diese in Deutschlands Leitmedien stets eine ihnen gewogene Öffentlichkeit, auf die sie – anders als die SPD – auch in turbulenten Zeiten zählen konnte.
Ob ein Ende der Corona-Krise die Grünen wieder auf jenen Höhenflug bringen wird, der im Vorjahr im Windschatten der „Fridays for Future“-Proteste und der medialen Dominanz des „Klimaschutzes“ begonnen hatte, ist fraglich.
Normalität wird so schnell nicht zurückkehren
Es gibt durchaus Faktoren, die dagegen sprechen. Einer davon ist, dass ein Ende der Krise bis auf Weiteres nicht absehbar ist. Auch wenn die Infektionskurve nicht mehr unkontrolliert anzusteigen scheint, es zu ersten Erleichterungen bei Kontaktsperren und Ausgangsverboten kommt und auch Schulen und Gaststätten in den kommenden Wochen ihren Betrieb ausweiten dürften: Eine Rückkehr zur vollständigen Normalität oder gar zum Status quo ante ist noch in weiter Ferne.
Zudem wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen, welche Folgewirkungen Corona tatsächlich entfaltet hat und auch noch für die Zukunft entfalten wird. Das bezieht sich nicht nur auf den gesundheitlichen Aspekt, etwa im Zusammenhang mit möglichen Dauerfolgen, beispielsweise an der Lunge, bei genesenen Infizierten.
Vor allem wird sich zeigen, wie viele kleine und mittlere Unternehmen nach den Wochen des mehr oder minder umfassenden Lockdowns noch ihre Dienste anbieten werden und wie viele der dort Beschäftigten wieder in vollem Umfang an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Fälle wie der jüngst bekannt gewordene der Wernecker Brauerei, die nach 400 Jahren ihren Betrieb einstellen muss, werden sich im weiteren Verlaufe des Jahres voraussichtlich noch häufen. Neben dem Münchner Oktoberfest werden nämlich auch tausende weitere Veranstaltungen im Bundesgebiet infolge der Krise nicht stattfinden können – mit allen nachteiligen Folgen auch für jene Wirtschaftszweige, die von gesellschaftlichen Anlässen dieser Art profitieren.
Keine guten Zeiten für Intellektuelle und ihre Utopien
Es wird sich zudem weisen, wie schnell es der deutschen Wirtschaft darüber hinaus gelingen wird, wieder in Tritt zu kommen, wie sich die Börsen erholen werden oder ob und wie die Auftragslage stabilisiert werden kann. Diese hängt dabei nicht nur von der Inlandsnachfrage ab, sondern auch davon, wie in den Ländern von Exportpartnern die Krise bewältigt werden konnte. Experten sehen eine lange Durststrecke auf die Weltwirtschaft und auf die Binnenwirtschaft in den einzelnen Ländern zukommen. Damit wird die Krise die Bevölkerung auch dann noch weiterverfolgen, wenn Ausgangsbeschränkungen weggefallen sind und die Reisefreiheit zumindest teilweise wiederhergestellt ist.
Für die Grünen ist das keine gute Nachricht: Echte Krisenzeiten sind regelmäßig nicht der Humus, auf dem gesinnungsethische Höhenflüge Intellektueller, die Lust auf Utopie, die Begeisterung für Gesellschaftsexperimente oder das Interesse an Elitenthemen gedeihen.
Dass gerade jetzt massenhaft frühere Grünen-Wähler zur CDU zurückkehren, lässt erkennen, dass gerade auch in der gebildeten urbanen Oberschicht die Bereitschaft begrenzt ist, selbst jenen Verzicht zu üben, den man noch vor wenigen Wochen weiten Teilen der Bevölkerung im Zeichen der angeblich drohenden „Klimakatastrophe“ abverlangen wollte. Nichts scheint den Unterschied zwischen einem „Notstand“, der nur in den Köpfen meinungsstarker Bevölkerungsschichten besteht, und einem realen zu illustrieren wie die nunmehrige Corona-Krise. Und was Lösungsansätze bezüglich der realen Krise anbelangt, bleibt Robert Habeck eher wortkarg.
Scholz trifft den Nerv der Mehrheit
Dass Corona der Bevölkerung exakt jene Entbehrungen abverlangt, die „Fridays for Future“ monatelang als Sofortprogramm zur Bekämpfung der „Klimakrise“ gefordert hatte, schadet niemandem so sehr wie den Grünen, deren Wählernachwuchs eben noch mit Transparenten auf die Straße gegangen war, auf denen es an die Adresse der Politik hieß: „Verbietet uns doch endlich etwas!“
Die Entwicklung der vergangenen Wochen bestätigt hingegen Fridays-for-Future-Kritiker wie den 22-jährigen Politikstudenten Clemens Traub, der sich in der SPD engagiert und sich von der Bewegung, für die er sich früher engagiert hatte, abgewandt hatte – weil diese, wie er sagt, ein kollektives Selbstgespräch sei von „Akademikern und Gymnasiasten, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen“.
Die reale Krisenerfahrung der Corona-Pandemie lässt das radikale und apokalyptische Gerede des Bildungsbürger-Nachwuchses in der breiten Bevölkerung jedoch als noch deplatzierter erscheinen als dies zuvor ohnehin schon der Fall war. Demgegenüber ist die Stunde des Olaf Scholz gekommen, dessen pragmatisches und sachliches Auftreten den Geist der Zeit trifft. Einen Robert Habeck als Erlösergestalt wünscht man sich demgegenüber offenbar mehrheitlich eher für den Fall imaginärer Krisen.
Eurobonds sind kein Gewinnerthema
In einem Beitrag für n-tv geht Wolfram Weimer zudem davon aus, dass Habeck sich auch dort, wo er sich in der Corona-Krise deutlich von der Regierung abhebt, auf eine falsche Fährte begibt. Weimer spricht die Coronabonds an, die südeuropäische Länder sich wünschen, um die Folgen der Krise bewältigen zu können, die aber von Staaten wie Deutschland, die einen harten Euro sichern wollen, abgelehnt werden.
Eurobonds, so Weimer, seien „schon seit Jahren ein machtpolitisches Ziel der Südstaaten, um Deutschland in die Haftung der eigenen Schulden zu zwingen“. Sie widersprächen aber zum einen der No-Bail-Out-Klausel der geltenden EU-Verträge, zum anderen würden sie viele Monate und ein langwieriges Ratifizierungsverfahren in Anspruch nehmen.
Fast zwei Drittel der Deutschen lehnten Coronabonds einer Insa-Umfrage zufolge ab – und einer von ihnen sei Olaf Scholz. Bezüglich der Führungsposition auf der Linken könne dies dem SPD-Minister den erforderlichen Vorsprung gegenüber der ökosozialistischen Konkurrenz sichern.
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