Jürgen Fritz fragt: „Haben wir schon 1984?“ Nein, viel besser: wir haben 2019!

George Orwell beschrieb schon vor vielen, vielen Jahrzehnten, wie Propaganda funktioniert, wie man sie anwenden muss, damit diejenigen, die man wie Knetmasse formt, sogar lieben, was man mit ihnen macht.
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Angela Merkel äußerte vor wenigen Tagen erst, dass sie und die Ihren dafür sorgen werden, dass gar keine falschen Gedanken mehr aufkommen werden ...Foto: iStock
Von 3. Juli 2019

Man müsse „Lügen wahr machen“, schrieb George Orwell und dem „Windigen den Anschein des Soliden verleihen“. In seiner genialen Dystopie „1984“, verfasst 1946 bis 1948, schreibt er: „Schließlich würde die Partei verkünden, zwei plus zwei ergeben fünf, und du müsstest es glauben. Ihre Philosophie verneinte nicht nur die Beweiskraft der Erfahrung, sondern auch die Existenz einer objektiven Realität.“

1984

„Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei plus zwei vier ist. Wenn das gewährt ist, folgt alles weitere“, sagt die Hauptfigur Winston Smith in Orwells dystopischem Roman 1984. „Manchmal gilt zwei plus zwei gleich fünf. Manchmal drei. Manchmal alles auf einmal“, sagt später O’Brien, der Chefinquisitor von Ingsoc, zu Winston.

Inzwischen sind wir im Jahr 2019 bereits so weit, dass das Präsidium des Deutschen Bundestages sagt, 100 sei mehr als die Hälfte von 709. Und über 80, eher über 90 Prozent der Bevölkerung echauffieren sich darüber kein bisschen mehr, viele versuchen es sogar zu begründen. Die heutigen O’Briens gleichen dem in 1984 ums Haar und man gewinnt zunehmend den Eindruck, sie werden ihm immer noch ähnlicher. Direkter Zwang muss nur noch bei ganz wenigen angewendet werden, die breite Masse liebt ihre O’Briens längst so sehr, dass sie ihnen blind vertraut und aus der Hand frisst, ja sogar jeden angreift, der es wagt, die O’Briens auch nur zu kritisieren.

Womöglich geht es inzwischen sogar ganz ohne Zimmer 101. Oder aber dieser wird irgendwann noch eingeführt für die ganz hartnäckigen, deren Geist trotz allem doch noch Widerstand leistet, wer weiß? Auch das könnte noch kommen, niemand kann das wirklich einschätzen.

Als Kind und Teenager habe ich überhaupt nicht gelesen, keine Bücher, nicht einmal Asterix-Hefte. Ich bin quasi – heideggerisch formuliert – nicht im Haus der Sprache aufgewachsen, zumindest nicht der geschriebenen solchen, hatte eher einen Zugang zu Zahlen, die mir von sich aus zuflogen. Das erste Buch, das ich – wie könnte es anders sein? – im Jahr 1984, also vor 35 Jahren mit knapp 20 von mir aus jenseits der schulischen Pflichtlektüre, die ich aber meist auch nur bruchstückhaft überflog, wirklich freiwillig, von mir aus und auch vollständig zu Ende gelesen habe, war: 1984 von George Orwell. Prophetisch?

„Hetze“ – „Neusprech“ – „Gutdenk“ – „Wahrheitsministerium“

Die DDR wertete Orwells dreizehntes und letztes Buch übrigens als staatsfeindliche „Hetzschrift“ und verhängte hohe Zuchthausstrafen nicht nur für den Verleih, sondern sogar für die Lektüre! Im Oktober 1978 verurteilte das Bezirksgericht von Karl-Marx-Stadt einen 27 Jahre alten Diplom-Theologen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Sein Verbrechen: Er hatte 1984 gelesen und an Bekannte verliehen. In der Urteilsbegründung des Gerichts hieß es: „Das Buch ‚1984‘ soll dazu dienen, den Sozialismus zu verteufeln und zu verunglimpfen. Dabei wird insbesondere die Sowjetunion, sowie die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei diffamiert.“ In den letzten Jahren, so das Gericht, sei „1984“ – „dieses Machwerk“ – insbesondere im ideologischen Kampf gegen die DDR eingesetzt worden.

George Orwell war bereits schwer krank, als er sein letztes Buch verfasste, das übrigens nicht nur auf den Sozialismus, sondern auf jede Form des Totalitarismus bezogen ist. Es erschien im Juni 1949, sein Autor starb ein halbes Jahr später, im Januar 1950. Sein grandioser düsterer Roman aber wird bleiben. „Hetze“, „Neusprech“, „Gutdenk“, „Ministerium für Wahrheit“ … kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor? Angela Merkel äußerte vor wenigen Tagen erst, dass sie und die Ihren dafür sorgen werden, dass gar keine falschen Gedanken mehr aufkommen werden. Ja, irgendwie bekommt man von Jahr zu Jahr mehr den Eindruck, es gibt kaum ein aktuelleres Buch als diesen inzwischen über 70 Jahre alten Roman aus den 1940ern.

P.S.: Ach und noch etwas, lesen Sie doch mal einfach nur so zum Spaß Orwells 1984 und dann direkt anschließend zum Beispiel das hier. Einfach nur so zum Spaß. Nicht weil da irgendein Zusammenhang bestünde. Nein, nein, auf keinen Fall!

Zuerst erschienen auf JFB

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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