Im März 2020 mit Sinopharm geimpft – ab wann wusste Chinas Staatsführung vom Virus?

Da passt etwas nicht zusammen: Chinas Parteiführung wurde schon im März 2020 gegen COVID-19 geimpft. Die Frage ist: Wenn der Impfstoff im letzten März schon verfügbar gewesen sein sollte, zu welchem Zeitpunkt hat Peking vom Ausbruch des Corona-Virus gewusst?

Dieser Gastbeitrag ist der Originaltext zum Video: „Impfstoff seit einem Jahr verfügbar. Wann wusste Peking vom Corona-Ausbruch?“ vom YouTube-Kanal „Leas Einblick“

In den letzten 10 Tagen habe ich wegen einer anderen Arbeit leider keine Zeit gehabt, neue Videos zu machen. Einige Zuschauer haben sich schon Sorgen um mich gemacht. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Nachfragen, mir geht’s gut. Ich lebe in Deutschland und habe keine Familie mehr in China. Um meine Sicherheit muss ich mir momentan keine Sorgen machen.

Dem 19-jährigen jungen Mann Wang Jingyu, über den ich Anfang des Monats berichtet habe, geht’s leider nicht so gut.

Wegen ein paar kritischen Posts über den Grenzkonflikt zwischen China und Indien, die er auf chinesischen Social-Media-Plattformen veröffentlicht hat, fahndet die chinesische Polizei nach dem jungen Mann. Wang Jingyu ist momentan in Europa. Da er sich weigert, nach China zurückzufliegen, um sich der Polizei zu stellen, haben die chinesischen Behörden seinen Reisepass vor drei Tagen annulliert.

Und seine Eltern in China befinden sich unter Überwachung der lokalen Polizei. Telefonisch sind sie auch nicht mehr zu erreichen. Der Fall dieses jungen Mannes zeigt, welche Anstrengungen der chinesische Staat macht, um jede kritische Stimme im Keim zu ersticken.

In China wird die staatliche Kontrolle über die öffentlichen Meinungen immer stärker. Alle sollen mit einer Stimme sprechen. Umso ironischer ist es, wenn sich der oberste Chef des größten chinesischen Pharmakonzerns versehentlich verplappert. Dieser sagte nämlich, dass das hohe Management des Konzerns bereits vor einem Jahr gegen das Virus SARS-Cov-2 geimpft wurde.

Die Prahlerei ist wohl nach hinten losgegangen, weil sie wieder die Frage aufwirft, wann China mit der Entwicklung des Impfstoffs angefangen hat UND zu welchem Zeitpunkt Peking über den Ausbruch des Corona-Virus schon informiert war?

Im März 2020 mit Sinopharm geimpft – ab wann wusste Chinas Staatsführung vom Virus?

In der vergangenen Woche fanden in China die Jahrestagungen des Nationalen Volkskongresses und des Landeskomitees der Politischen Konsultativkonferenz in Peking statt. Alle 5.000 Delegierten sind mit dem Impfstoff vom Sinopharm geimpft worden.

Bei einem Interview erzählte der Vorstandsvorsitzende von Sinopharm, dass die Parteifunktionäre auf der Chefetage des Konzerns bereits im März letzten Jahres geimpft worden seien – seiner Aussage nach – um die Wirkung des neu entwickelten Impfstoffs gegen Covid-19 am einigen Körper zu testen. Die Antikörper sollten sich selbst nach einem Jahr immer noch auf einem relativ hohen Niveau befinden.

Eigentlich wollte der Sinopharm-Chef Yu Qingming damit für den langanhaltenden Schutz des Impfstoffs werben, den sein Konzern entwickelt hat. Er hatte jedoch nicht bedacht, dass genau diese Information eine besonders kritische Frage aufwirft.

Nämlich: Wenn der Impfstoff im letzten März schon verfügbar gewesen sein sollte, zu welchem Zeitpunkt hat Chinas Staatsführung vom Ausbruch des Corona-Virus gewusst?

Werfen wir einen kurzen Blick auf den Zeitverlauf nach dem Ausbruch von Covid-19

Laut der Weltgesundheitsorganisation hat China am 31. Dezember 2019 zum ersten Mal das neuartige Corona-Virus gemeldet.

Am 3. Januar wurde der chinesische Arzt Li Wenliang von der Polizei gemaßregelt, weil er in einer WeChat-Gruppe seine Freunde und Kollegen vor einer neuartigen Lungenkrankheit gewarnt hatte. Sechs Wochen später starb er selbst an den Folgen von SARS-CoV-2.

Am 23. Januar 2020 wurde die Stadt Wuhan, wo das Virus ausbrach, komplett abgesperrt.

Und jetzt kommen wir zurück auf „Sinopharm“. Bereits im März letzten Jahres soll die Leitung des Unternehmens geimpft worden sein. Das würde also Folgendes bedeuten:

Sinopharm hätte den ersten Impfstoff schon innerhalb von 2 Monaten fertig entwickelt und seinen Managern verabreicht. Wenn es kein medizinisches Wunder gewesen wäre, wäre es eine völlig lebensgefährliche Handlung, einen Impfstoff zu verabreichen, der gerade mal die Phase I der Entwicklung hinter sich gebracht hat.

Die Entwicklung eines Impfstoffs dauert im Schnitt 10 bis 12 Jahre. Im Fall von SARS-CoV-2 haben Forscher unter Hochdruck gearbeitet, sodass diese Zeitspanne stark verkürzt wurde. Selbst dann dauert die klinische Phase mindestens etwa 10  Monate, bis sie abgeschlossen werden kann.

Die Entwicklung eines Impfstoffes besteht in der Regel aus drei Phasen

In Phase I wird ein Impfstoff an kleinen Patientengruppen getestet.

In Phase II wird ein Impfstoff an größeren Gruppen mit mindestens 100 Testpersonen geprüft, wobei ein besonderes Augenmerk auf Vorerkrankungen oder demografische Merkmale wie „Alter“ gelegt werden kann.

In Phase III wird ein Impfstoff an mindestens 1000 Patienten auf seine Wirksamkeit und Sicherheit erprobt.

Erst nachdem die klinischen Phasen erfolgreich abgeschlossen worden sind, kann ein Unternehmen formell die Zulassung des Impfstoffes beantragen.

Dabei ist zu erwähnen, dass der chinesischen Gesundheitsbehörde zufolge China erst Ende März letzten Jahres die Impfung von Probanden der ersten Entwicklungsphase abgeschlossen hatte.

Irgendetwas passt hier nicht zusammen. Wenn es stimmt, dass das obere Management von Sinopharm im letzten März schon geimpft wurde, dann würde es heißen, dass Sinopharm bereits den Virusstamm bekommen und mit der Entwicklung eines Impfstoffes begonnen hatte. Und zwar noch vor Januar letzten Jahres.

Daran knüpft sich automatisch die Frage, wann das Virus tatsächlich ausgebrochen ist. Und zu welchem Zeitpunkt hat Peking bereits davon gewusst?

WHO in Wuhan

Im Januar dieses Jahres flog die Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation für vier Wochen nach Wuhan. Dort sollten sie nach dem Ursprung des Corona-Virus suchen. Kurz vor deren Reise hat das US-Außenministerium ein „Faktenblatt“ herausgeben. Auf diesem Papier stehen drei wichtige Punkte.

Punkt 1: Bereits im Herbst 2019 erkrankten mehrere Forscher des Instituts für Virologie in Wuhan mit COVID-19-ähnlichen Symptomen. Das war mehrere Monate vor dem ersten identifizierten Fall des Ausbruchs.

Bei diesem Punkt wählte das US-Außenministerium folgende Formulierung: „Die US-Regierung hat Grund zur Annahme“. Was könnte dieser Grund sein? Womöglich, dass der Informant aus dem engeren Kreis vom Institut für Virologie in Wuhan stammte. Denn dieser wusste genau, welche Symptome diese erkrankten Forscher hatten. Ein Außenstehender würde die genauen Symptome der Erkrankten nicht identifizieren können.

Die US-Regierung schrieb in dem Papier:

Jede glaubwürdige Untersuchung über den Ursprung des Virus muss Interviews mit diesen Forschern und ein vollständiges Protokoll über ihre bisher nicht gemeldete Krankheit beinhalten.“

Beim 2. Punkt wies die US-Regierung die WHO darauf hin, dass ihre Ermittler Zugang zu den Dokumentationen über die Arbeit des Instituts für Virologie in Wuhan an Fledermaus- und anderen Corona-Viren vor dem COVID-19-Ausbruch bekommen müssten. Als Teil einer gründlichen Untersuchung müssten sie ein vollständiges Protokoll darüber haben, warum das Institut für Virologie in Wuhan die Online-Einträge über ihre Arbeit mit RaTG13 und anderen Viren verändert und dann entfernt hatte.

Beim 3. Punkt wies die US-Regierung auf die geheimen militärischen Aktivitäten beim Institut für Virologie in Wuhan hin.

Obwohl sich das Institut für Virologie Wuhan als eine zivile Einrichtung darstellt, haben die USA festgestellt, dass das Institut bei Veröffentlichungen und geheimen Projekten mit dem chinesischen Militär zusammenarbeitet. Das Institut für Virologie Wuhan hat mindestens seit 2017 im Auftrag des chinesischen Militärs geheime Forschungsarbeiten, einschließlich Labortierversuchen, durchgeführt.“

So schreibt die US-Regierung im Faktenblatt.

Dieses Faktenblatt veröffentlichte die noch damalige Trump-Regierung am 15. Januar. Der ehemalige stellvertretende nationale Sicherheitsberater Matthew Pottinger hält die Aussage in diesem Papier für „sehr sorgfältig formuliert, um den Fall nicht überzubewerten.“

Ein hoher Beamter des US-Außenministeriums der Biden-Regierung hat den Inhalt des Faktenblattes ebenfalls nochmal bestätigt. Er sagte gegenüber der „Washington Post“:

Es gab keine signifikanten oder bedeutungsvollen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Informationen, die in dem Faktenblatt präsentiert wurden.“

Keiner durfte mit den im Herbst 2019 erkrankten Forschern sprechen

Die Experten der WHO haben zwar auf ihrer China-Reise das Institut für Virologie Wuhan besucht, jedoch haben sie nicht die Gelegenheit gehabt, mit den Forschern zu sprechen, die im Herbst 2019 erkrankten. Was in den westlichen Medien als eine „Untersuchungsreise“ dargestellt wurde, war im Grunde genommen nichts anderes als ein „Fachbesuch“ gewesen. Alles war genau abgesprochen und das Programm natürlich vorher von Peking abgesegnet.

Es gehe hier also nicht um eine Untersuchung, sondern um eine Zusammenarbeit mit der WHO. Und der Fachbesuch der Experten sei lediglich Teil einer internationalen Forschung – dies betonte Chinas Außenamtssprecher.

Im Hinblick darauf, dass sich einige Mitglieder der Expertengruppe der WHO wegen ihrer vorherigen engen Zusammenarbeit mit China in einem Interessenkonflikt befinden, hat Chinas Außenamtssprecher diesmal den Charakter des Besuchs der WHO-Expertengruppe korrekt beschrieben.

Die Welt wurde zu spät gewarnt – die Rohdaten wurden immer noch nicht offengelegt

Wie auch immer, wusste China zumindest Anfang Januar letzten Jahres bereits von SARS-COV-2, wenn schon nicht noch früher.

Aber anstatt die Welt davor zu warnen, traf die chinesische Regierung im Inland Vorsichtsmaßnahmen, kaufte 2 Milliarden Gesichtsmasken aus aller Welt und drosselte den inländischen Flugverkehr, während sie gleichzeitig den internationalen Flugverkehr fortsetzte und dann sogar forderte, ihn offenzuhalten, als die italienische Regierung darum bat, ihn zu stoppen.

Auch ein Jahr nach dem Ausbruch des Corona-Virus weigert sich Peking, die Rohdaten der ersten Fälle offenzulegen. Viele Länder verlangen mehr Transparenz von der chinesischen Regierung. China weist jedoch Vorwürfe mangelnder Transparenz zurück.

Was können Deutschland und andere europäische Länder in einer solchen Situation noch tun?

Um diese Frage zu beantworten, muss zuerst die Frage geklärt werden, ob diese Länder bereit sind, auf mehr Konfrontation mit China zu gehen.

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