Homöophatie und Schulmedizin – ein Plädoyer

Unterschiedliche Grundannahmen der Homöopathie und der Schulmedizin führen zu unterschiedlichen Heilprinzipien. Doch dies allein ist nicht der Grund für den erbitterten Grabenkampf dieser beiden Konzepte. Was könnte diesen Konfliktknoten lösen?
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Von 30. April 2024

Seit der Entdeckung der Homöopathie bedrückt sich die Menschheit mit der ewig wiederkehrenden Streiterei über ihre Berechtigung. Auf der einen Seite finden wir vehemente Gegner dieser Heilkunst, welche sie mit Vorliebe aus dem gesamten kollektiven Bewusstsein löschen wollten.

Auf der anderen Seite fördern sich Stimmen zutage, die im Gegenzug einen großen Kritizismus gegenüber der sogenannten Schulmedizin äußern. Jedenfalls scheint die Thematik einem unüberwindlichen Grabenkampf zu gleichen oder zumindest wird es in der Öffentlichkeit oft (bewusst?) so dargestellt.

Es stellt sich unweigerlich die Frage, worin dieser Bruch besteht, oder anders, mit welcher Rechtfertigung dieser Streit kultiviert wird.

Unterschiedliche Grundannahmen

Um diese Frage in korrekter Weise zu ergründen, ist es meiner Ansicht nach unerlässlich, zuallererst die Grundannahmen jeder der beiden Heilprinzipien zu erkennen. Nur so kann überhaupt erst eine annähernd objektive Beurteilung vollzogen werden.

Im Folgenden wird versucht, eben diese Grundannahmen zu skizzieren, aus welchen die Schulmedizin und aus welchen die Homöopathie erwächst.

Seit jeher versucht der Mensch, die Welt zu verstehen. Dies bewerkstelligt er dadurch, dass er sich in seinem Geiste ein Ebenbild schafft und dieses durch Erklärungen und Beobachtungen zu bestätigen sucht. Ich bezeichne dies als Modell.

Die Schulmedizin bedient sich hauptsächlich und fast ausschließlich der naturwissenschaftlichen Werkzeuge zum Zwecke der Erforschung der Krankheits-Gesundheitslehre. Infolgedessen gründet sie sehr stark auf einem empiristischen Modell: Nur Tatsachen, welche durch unsere Sinne und erweiterten Sinne (Messtechniken) erfahrbar sind, werden als wahr angenommen. Dadurch entsteht eine sehr unmittelbare, oftmals aber stark materialistisch geprägte Betrachtungsweise.

Im Gegensatz dazu erwächst die Homöopathie einem durchweg idealistisch (im philosophischen Sinn) geprägten Weltbild. Trotz der Bekräftigung, dass sie sich durch die Erfahrung erst rechtfertigt (Hahnemann, Organon VI), so entspringen doch sämtliche Lehrsätze der Homöopathie einer höchst idealistischen Weltbetrachtung.

Etwas abstrahiert und vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die Homöopathie in sämtlichen Gesundheits-/Krankheitsbelangen nicht primär materielle Ursachen annimmt, sondern den Grund immer in einem übergeordneten geistartigen Wesen festlegt (das Prinzip der Lebenskraft, siehe Hahnemann, Organon VI).

Damit haben wir meiner Meinung nach den grundsätzlichsten Unterschied zwischen der Schulmedizin und der Homöopathie gefunden.

Heilprinzipien sind einem persönlichen Glauben zuzuordnen

Was sich daraus aber ergibt, ist höchst aufschlussreich: Jedes der beiden Modelle hat eine derart tiefe und ausgereifte Betrachtungsweise, dass sie nicht mehr nur als Werkzeuge zur Erstellung und Erhaltung unserer Gesundheit betrachtet werden können, sondern dass sie unmittelbar in unser Weltbild eingreifen respektive daraus erwachsen.

Damit ergibt sich unweigerlich die vielleicht vorerst erschreckende Tatsache, dass diese Modelle religiösen Charakter haben („religiös“ im suggerierten Sinne – „wie eine Religion“, aber auch im etymologischen Sinne von lat. religare, verbinden – sich mit einem Weltbild verbinden).

So leuchtet es beispielsweise ein, dass ein stark naturwissenschaftlich geprägter Mensch sich ausschließlich auf die Schulmedizin berufen mag, wohingegen sich vielleicht ein spiritueller Mensch vielmehr der Homöopathie verbunden fühlt, denn jeder bezieht sich auf jenes Modell, welches seinem persönlichen Weltbild am besten entspricht.

Ohne dass dies überhaupt jemals einer allgemeinen Wertung unterzogen werden sollte, ist es somit vollkommen klar, dass die Ansichten zu den Heilprinzipien grundsätzlich einem persönlichen Glauben zuzuordnen sind. Da aber jedes der beiden Modelle einen grundsoliden Aufbau erweist und des Weiteren sich jedes auf eine traditionsverankerte philosophische Weltbetrachtung (Glauben) bezieht, haben beide eine bedingungslose existentielle Rechtfertigung.

Nun ist es allerdings seit Menschheitsgedenken so, dass der sogenannte Zeitgeist einen enormen Einfluss auf die gesellschaftliche Ausprägung verschiedenster Themen hat. Unter Zeitgeist verstehe ich dasjenige Weltbetrachtungsmodell, welches aktuell am stärksten als „Wahrheit“ angenommen wird (sei es durch eine Mehrheit, die an dessen „Wahrheit“ glaubt, oder sei es durch dessen Propagieren durch eine besonders einflussreiche Gruppe, besonders einflussreiche Personen).

Bezüglich der heutigen Lage ist es unbestreitbar, dass immer noch ein stark naturwissenschaftlich geprägtes, empiristisches, oftmals materialistisches Weltbild den Zeitgeist prägt. Daraus ist auch ohne Zweifel ableitbar, dass eben die sogenannte Schulmedizin als der „Goldstandard“ schlechthin angenommen wird.

Ungerechtfertigte Gesetze

Diese Vorrangstellung an sich ist grundsätzlich kein Problem, sondern ergibt sich schlichtweg aus den Strömungen des eben beschriebenen Zeitgeistes. Die große Gefahr lauert allerdings darin, dass das bevorzugte Weltbild zu einer Ideologie entarten kann.

Das hat uns die Geschichte immer wieder aufgezeigt, mit Vorliebe bei religiösen Thematiken. Und dass eine Ideologie in ihrem vollendeten Stadium ihrem zugrundeliegenden Weltbild selbst widersprüchlich wird, das entnehme man den vielen traurigen Beispielen, die uns die Menschheit bisher schon geliefert hat.

Das sogenannte Homöopathie-Problem liegt somit weder im Modell der Homöopathie noch in jenem der Schulmedizin begründet. Es liegt auch nicht darin, dass der Zeitgeist das Modell der Schulmedizin begünstigt. Es liegt sogar nicht einmal darin, dass es „missionarische“ Menschen gibt, die meinen, sie müssten die Welt vor dem „Unfug namens Homöopathie“ retten.

Solche Radikalvertreter kennt die Menschheit seit jeher und in allen Bereichen. In einer gesunden Gesellschaft haben auch die ihren Platz.

Im Grunde zeigt sich das Problem darin, dass in der Öffentlichkeit eben solchen radikalen Personen immer wieder Raum gegeben wird, sich als „Experten“ gegen die Homöopathie zu äußern (haben sie denn tatsächlich überhaupt nur die geringste Ahnung vom Modell der Homöopathie?!?).

Es zeigt sich dadurch, dass man die wahren Experten bewusst nicht zu Wort kommen lässt. Es zeigt sich darin, dass die großen Medienhäuser immer wieder tendenziöse Artikel zur Verleumdung der Homöopathie veröffentlichen. Und vor allen Dingen zeigt es sich dadurch, dass mancherorts ungerechtfertigte Gesetze zu Ungunsten der Homöopathie erlassen werden.

Falle der Ideologie

Und nicht nur das, sondern sogar teilweise Gesetze, welche selbst dem als Standard angenommenen schulmedizinischen Modell widersprüchlich sind, wie wir das in jüngster Zeit erlebt haben. All das scheint mir recht scharf an die Machenschaften einer sich durchsetzenden Ideologie zu grenzen.

Am Beispiel der Homöopathie kann man erkennen, in welch misslicher Lage sich die Menschheit aktuell befindet. Die erschreckende Vermutung liegt nahe, dass die Gesellschaft kurz davorsteht, wieder einmal mehr in die Falle der Ideologie zu treten. Typischerweise entsteht eine machtvolle Ideologie immer dort, wo sich ein Zentrum des menschlichen Lebensinhaltes befindet. Im Mittelalter war es die Kirche, in heutiger Zeit ist es das Gesundheitswesen.

Dafür, dass die Schulmedizin das tragische Los gezogen hat, als Vertreterin einer aktuell drohenden Ideologie hinhalten und verdreht werden zu müssen, dafür ist sie wahrlich zu bedauern. Es ist zu bemitleiden, dass die Menschheit wie schon allzu oft in die gleichen Fehler hineinrennt, dass ihr das Lernen so schwerfällt.

Um der wiederkehrenden Schlaufe einer erneuten Ideologie zu entrinnen, ist es unabdingbar, sich schleunigst und mit Nachdruck wieder auf diejenigen Werte zu besinnen, um die wir jahrhundertelang immer wieder gerungen haben.

Es sind diese Werte wie Freiheit, Gleichberechtigung, Toleranz, Schutz von Minderheiten und viele mehr. In Bezug auf das Gesundheitswesen sollten wir uns mit allen Mitteln darum bemühen, diese Werte erneut zu finden. Die aktuelle Lage (wie sie eben geschildert wurde) verlangt dringend nach dieser Forderung.

Voraussetzung für ein zeitgerechtes Gesundheitswesen

Um dem einen Anfang zu setzen, sollen zum Schluss drei Sätze aufgestellt werden, die mir unbedingte Voraussetzung für ein zeitgerechtes Gesundheitswesen zu sein scheinen, ohne dass der Anspruch auf Vollständigkeit oder Abgeschlossenheit erhoben wird:

1. Es ist zu anerkennen und zu würdigen, dass Ansichten zu Gesundheit, Krankheit und Heilprinzip immer in einem Weltbild begründet liegen und somit aus dem persönlichen Glauben jedes einzelnen Individuums erwachsen.

2. Die diesbezügliche persönliche Glaubensfreiheit ist unbedingt zu würdigen und zu wahren.

3. Die Gesellschaft muss sich darum bemühen, allgemeines Bewusstsein und Toleranz für die verschiedenen Heilprinzipien zu schaffen und diese Heilprinzipien gleichermaßen zu unterstützen und zu fördern.

 

Über den Autor: 

Der gebürtige Schweizer Michael Waldmeier ist Veterinärmediziner (Studium in Zürich und Nantes, Frankreich) und führt seit 2017 eine eigene Spezialistenpraxis für homöopathische Therapien bei Tieren. 2021 wurde sein Buch „Die Unwiderlegbarkeit der Homöopathie“ beim bge-Verlag veröffentlicht. Nebenberuflich ist er als Karate-Lehrer und Organist tätig.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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