Die Hagia Sophia ist vor allem ein christliches Symbol – dessen Schutz die EU zu verantworten hat
Die Entscheidung des obersten Gerichts der Türkei, die Hagia Sophia – nach dem Wunsch von Recep Tayyip Erdoğan – als Moschee in Istanbul für muslimische Beter zu öffnen, löste in der Presse Kritik aus. Sämtliche Meinungsartikel untersuchten aus unterschiedlichen Aspekten die Lage des sakralen Bauwerks.
So schrieb Constanze Letsch in der Neuen Züricher Zeitung darüber, dass die Hagia Sophia nicht das erste kulturelle Werte vermittelnde Gebäude historischer Bedeutung sei, das ein Opfer der Neuislamisationspolitik Erdoğans wurde. Holger Kleine betont in seinem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Notwendigkeit der Hagia Sophia als Bauwerk der „absoluten Architektur“ – ihr Raum würde nur als solcher erfahrbar sein, wenn Religionsausübungen – weder von Christen noch von Muslimen – ihr Wesen nicht stören. Demnach sei die Bewegegungsfreiheit im Gebäude wichtiger als seine Eigenschaft als religiös-sakraler Ort. Hans Rauscher erläuterte in der österreichischen Zeitschrift „Der Standard“, dass die Hagia Sophia heute ein Teil des Weltkulturerbes sei und damit gehöre sie nicht einer konkreten Religion, sondern der Menschheit, sie verfüge also über eine übernationale Dimension. Nach Rauscher sei die Handlung Erdoğans „eine Verengung“ von unserem gemeinsamen (Welt)Erbe.
Möge man das Thema aus diesen unterschiedlichen Aspekten angehen, wird eins deutlich: der Schutz des Christentums oder der klassischen europäischen (westlichen) Werte scheint heute nicht mehr salonfähig zu sein.
Jedoch ist die Hagia Sophia ein christliches Gebäude, und zwar nicht nur wegen ihres Ursprungs, sondern auch in Hinsicht auf ihre bedeutungsvolle bauhistorische Vorgeschichte. Ohne die feste christliche Überzeugung und den Eifer von Kaiser Justitianus könnte man sie heute nicht als „architektonisches“ Musterwerk bezeichnen. Auch ihre „übernationale Dimension“ hat sie der spirituellen, völkerverbindenden Kraft des Christentums aus der Zeit des byzantinischen Reichs zu verdanken. Noch dazu hat Justitianus mit dem Bau der Hagia Sophia, diejenigen Kirchengebäuden ersetzen und übertreffen wollen, die von den römischen Kaisern, vor der Hagia Sophia, schon im Geist des Christentums gebaut und später auch zerstört wurden. Die Hagia Sophia ist ein Denkmal dieser Epoche und damit bis heute eine herausragende kulturelle Leistung in der christlichen Geschichte. So gebührt ihr vor allem in dieser Dimension Obhut.
Nun stellt sich die Frage: Wer sollte in der Sache die Stimme erheben? Während sich Iran, Saudi-Arabien und neulich auch die von Erdoğan regierte Türkei als Vertreter des Islams erklären, wer erklärt sich als Beschützer des Christentums? Gibt es noch ein solches politisches Bündnis, das für die historischen Werte des Christentums im internationalen Bereich politischen und juristischen Schutz bieten will und kann?
Diese Frage erscheint besonders in Europa aktuell zu sein. Nach der klassischen Auffassung ruhen die geistlichen Fundamente Europas auf drei Säulen. Diese wären das römische Recht, die griechische Philosophie und die christliche Morallehre. Justitianus kann schlichtweg als Liebhaber der griechischen Philosophie betrachtet werden, jedoch spielte er eine Schlüsselrolle bei der Weitergabe des römischen Rechts und der christlichen Moral. Wenn die europäischen postchristlichen Staaten nicht handeln, dann sollte es die Europäische Union – ihrem Namen und ihrer Glaubwürdigkeit getreu – tun. Zwar kam die Europäische Union als eine Wirtschaftsunion zustande, heute kann sie jedoch aus vielerlei Hinsicht als ein politisches Konstrukt mit eigener Ideologie angesehen werden. In dem Grunddokument der Europäischen Union wurde das Christentum vergessen. Stattdessen wurden solche staatorganisatorisch-politologischen Begriffe in den Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union aufgenommen wie z.B. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Diese sind in der Wirklichkeit keine Werte, sondern staatsorganisatorische Wortkreationen. Für Europa kann alles als Wert betrachtet werden, was den Aufbau einer demokratischen, rechtsstaatlichen und auf der Ehre der Menschrechte fundierten Gesellschaft ermöglicht. Zweifellos ist einer dieser Werte das Christentum.
In den letzten Wochen nahm die Europäische Union durch politische Meinungsäußerungen in solchen Fällen Stellung, die in der Presse für große Debatten sorgten. So zum Beispiel bezüglich der Verletzung der Menschrechte durch die innenpolitischen Maßnahmen in Nicaragua, Venezuela und im Iran oder für den Schutz der „Human Diversity“ im Kampf gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie. Vor einigen Tagen erhob die Europäische Union ihre Stimme gegen das in Hongkong erlassene Gesetz über die Staatssicherheit. Es wäre höchste Zeit, dass die Europäische Union sich auch für den Schutz der historischen Werte des Christentums verantwortlich sieht.
Die Hagia Sophia symbolisiert in erster Linie die historische Leistung des Christentums. Mit dem Schutz des Christentums und des dahintersteckenden Wertsystems – auch wenn sich dieses lediglich in Gesten manifestieren würde – könnte die Europäische Union auch für ihre eigene Zukunft viel tun.
Über den Autor: Soma Hegedős ist Jurist und Publizist, derzeitig leitender Forscher (Head Research) bei der ungarischen Denkfabrik Danube Institute. Er hat die juristische Ausbildung an der prestigeträchtigen Eötvös-Lorand-Universität Budapest absolviert. In Deutschland hat er an der Uni Köln studiert. Seine Artikel sind früher in ungarischen Online- und Wochenzeitungen wie HVG (www.hvg.hu) und Hetek (www.hetek.hu) erschienen.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion