Der NATO-EU-Deutschland-Blues von Egon. W. Kreutzer
Im „Schlesischen Jahreszeitenzyklus“, den Dieter Hildebrandt gerne und stets mit dem ihm eigenen verschmitzten Lächeln zur Erheiterung seines Publikums vorzutragen wusste, ist eine Weisheit versteckt. Eine Weisheit die im dritten, dem Herbst gewidmeten Vers, am klarsten zum Ausdruck kommt. Sie lautet: Der Zeitplan des Niederganges lässt sich an den Zeichen des Verfalls nicht ablesen.
Härbst
Wenn de – und das Laub wird älter –
und du merkst, die Luft wird kälter
und du fiehlst, doss du bald stärbst
dann is Härbst.
Im Sessel vor dem offenen Kamin in die Flammen schauen. Erst ist da nur ein kunstvoll aufgeschlichteter Scheiterhaufen, aus dessen verborgener Mitte heraus die ersten Flammen züngeln, während der noch ungenügende Zug zulässt, dass das Feuerchen kleine Rauchwölkchen ins Zimmer drückt. Dann der Vollbrand, der Scheiterhaufen hinter den Flammen kaum noch zu erkennen, doch er steht noch, ist noch voller Energie.
Dann werden die Flammen kleiner, kürzer, weniger gelb-weiß, mehr rot-orange, der Scheiterhaufen, geschwärzt, stellenweise in leuchtender Glut, steht immer noch. Oben das große quer aufgelegte Scheit, es hätte doch längst stürzen müssen, was gibt ihm denn noch Halt?
Der Zusammenbruch kommt – Binsenweisheit! – immer erst ganz am Schluss. Der Statiker hat schon längst das Befahren der Brücke verboten. Einsturzgefahr! Doch sie steht immer noch, spannt sich über den Fluss, Fußgänger, Katzen und Hunde wagen sich noch hinüber.
Dem letzten Hochwasser im Frühjahr hat sie noch getrotzt. Doch eines Morgens im August reibt sich der Frühaufsteher verwundert die Augen: Die Brücke ist weg. Nur ein paar Strudel im Fluss lassen noch ahnen, wo die steinerne Masse geblieben ist.
Diese theatralische Einstimmung habe ich gewählt, um die aktuellen Geschehnisse auf dieser Welt in jenes Dämmerlicht des Unbestimmten zu tauchen, das die sichtbare Tatsache (die Brücke steht) um das unsichtbare Wissen um die Risse in ihrem Inneren ergänzt.
Jenes Dämmerlicht, das hellsichtig macht, jenes Dämmerlicht, das schon Goethe in den ersten beiden Versen der Ballade „Der Erlkönig“ scheinen lässt, um das unvermeidliche Ende von Anfang an erkennen zu lassen.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –
Wenn Markus Gürne, der Leiter der ARD Börsenredaktion, mich kurz vor acht wissen lässt, es gäbe keinen Grund zur Sorge, der Boom auf dem Bau sei ungebrochen, und die Kauflaune sei gut, dann überfällt mich die Gewissheit, dass nur fünf Verse zu überspringen sind, bis auch Gürne, (der Vater), vor der bitteren Erkenntnis stehen wird, die Goethe so geschildert hat:
Dem Vater grauset’s; er reitet geschwind,
Er hält in Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Doch ich greife vor. Die Bauwirtschaft ist tatsächlich noch voller Leben, voller längst erteilter Aufträge, die es noch abzuarbeiten gilt. Es gibt deutlichere Anzeichen dafür, dass es Herbst geworden ist, in der EU.
Die NATO hat sich in London getroffen. Nach siebzig Jahren Beistandspakt, siebzig Jahren profitabler Rüstungsgeschäfte, siebzig Jahren des gemeinsamen Säbelrasselns, ist das lodernde Feuer des Vollbrandes zur kleinen, über der Glut züngelnden Flamme verkommen, und es ist niemand da, der noch einmal ein paar Scheite Holz nachlegen könnte.
Jahrzehntelang habe ich Nachrichten über die NATO gehört und gelesen, und jahrzehntelang war die NATO in erster Linie als ein Synonym für die militärische Macht der USA zu verstehen, und eben nicht als ein Schutz- und Trutzbündnis gleichberechtigter Partner mit gleichgerichteten Interessen, wie es – nach meinem Verständnis – die Hanse war.
Donald Trump, dem der offene Kamin gehört, hat die EU-Partner aufgefordert, ihre 2-%-Scheite nachzulegen, sonst würde er den Ofen ausgehen lassen. Macron hat die NATO (und damit implizit Donald Trump) daraufhin für hirntod erklärt. Die im neuen Amt hinter den Ohren noch nicht ganz trockene deutsche Verteidigungsministerin will bis zweitausendirgendwann diese Vorgabe erfüllen, aber – obwohl längst zugesichert – eben nicht jetzt, außerdem hat sie sich um die Kurden zu sorgen, die der NATO Partner Erdogan am liebsten ausradieren würde und das unter dem Schutz russischer Luftabwehrraketen.
Zudem muss bei der Bundeswehr Ersatz geschaffen werden für ein paar Dutzend alter Flugzeuge, die in der Lage sind, US-Atombomben aus den Bunkern in der Eifel über Polen hinweg nach Russland zu tragen. Natürlich könnte das europäische Kampfflugzeug Eurofighter diese Aufgabe übernehmen, aber die USA verweigern, bzw. verzögern die Zertifizierung und zwingen Deutschland damit praktisch dazu, einen mittelschweren Milliarden-Auftrag an die US-Rüstungsindustrie zu vergeben, und das, obwohl der Einsatz von Flugzeugen als Atomwaffenträger gegen Russland in militärischer Hinsicht noch sinnloser ist als in politischer.
Die 70-Jahr-Feier ließ jeglichen Glanz vermissen, sieht man davon ab, dass man der Queen die Freude gemacht hat, wieder einmal mit hochrangigen Figuren in Kompaniestärke bei ihr vorbeizuschauen. Ansonsten entstand der Eindruck, dass alle froh waren, nach einem nichtssagenden Schlusskommuniqué schnell wieder nach Hause fahren und am eigenen Süppchen weiterkochen zu können.
In der EU hat Deutschland den Schwarzen Peter, bzw. die Schwarze Uschi, gezogen und freut sich noch darüber. Schließlich wähnt man sich im gläsernen Bunker zu Berlin nun im Besitz der Lizenz zum EU-weiten Dekarbonisieren und Migrantenstromverteilen, was zwar bei den Diätenersitzern des EU-Parlaments auf Zustimmung stößt, jedoch nicht bei den übrigen Ratsmitgliedern.
Boris Johnson wird den BREXIT wohl im Frühling 2020 hinbekommen und damit dann ein politisches und militärisches und wirtschaftliches Schwergewicht aus der EU herausgebrochen haben. Die Funken im Kamin werden kräftig sprühen, wenn der Brexit den Scheiterhaufen zusammenbrechen lässt, doch das ist kein Zeichen eines neuen Frühlings …!
Es war schon klug, damals, den Jean Claude zum Kommissionspräsidenten zu machen. Es wäre heute wohl noch klüger gewesen, Carmelo Abela, den Außenminister Maltas, zum Kommissionspräsidenten zu machen, weil damit die direkte Konfrontation zwischen Deutschland und seinen Freunden in Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland, Polen, Österreich, Ungarn, usw., usw., auch weiterhin vermieden und weitgehend unter der Decke gehalten werden könnte. Damit ist es vorbei.
Die Deutsche auf dem Stuhl des Kommissionspräsidenten ist in der derzeitigen Lage der EU der Sprengsatz, der die EU jeden Augenblick auseinander reißen kann – es sei denn, Deutschland gibt nach. Nachgeben zu können, also „der Klügere“ zu sein, gehört aber nicht zu den herausragenden Fähigkeiten der Albrechtsdottir, der es sogar gelungen ist, sich mit Flachbildschirmen und Panzersitzen für Schwangere gegen die Bundeswehrführung durchzusetzen, was zwar nicht einfach war, aber eben doch einfacher, als sich gegen 26 Ratsmitglieder durchsetzen zu müssen, denen gegenüber sie dummerweise nicht weisungsbefugt ist.
Es sei an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen, dass die NATO für die EU so etwas war, wie die christliche Lehre für CDU und CSU, also ein einendes und sogar sinnstiftendes Element. Fällt diese Klammer weg, wird es auch viel einfacher, sich innerhalb der EU gegenseitig einen „krummen Hund“ zu nennen. Es ist nicht nur der BREXIT, es ist auch die erkennbare Auflösung der NATO, was die Statik der EU ins Wanken bringt – auch wenn die Brücke sich immer noch in kühnem Bogen über den Fluss spannt: Im Grunde besteht bereits heute akute Einsturzgefahr.
Wenn im Herbst die Blätter fallen, dann deshalb, weil diese „Chemiefabriken der Bäume“ wegen des vorhersehbaren Energiemangels im Winter vorsorglich leergeräumt werden. Wertvolle Inhaltsstoffe werden in den Wurzeln in Sicherheit gebracht, die leeren Hüllen werden aufgegeben.
Es ist ja nicht nur die wahnwitzige Energiepolitik der Bundesregierung, die im Herbst des einstigen Wirtschaftswunderlandes geradezu danach schreit, das Kapital aus den Fabriken der Industrie herauszuziehen, es ist genauso die immer noch verheerende Bildungspolitik, die gerade wieder per PISA-Studie mit dem Stempel: „Oberes Mittelmaß“ ausgezeichnet wurde, was selbstverständlich, genau wie jenes: „Er hat sich stets bemüht“, im Zeugnis, verschlüsselt zum Ausdruck bringt: „Zu nichts zu gebrauchen.“
Dass diese PISA-Noten mit der vertiefenden Erläuterung entschuldigt werden: „Würde man die Schüler mit Migrationshintergrund gesondert, also die biodeutschen Schüler alleine betrachten, sei deren Ergebnis doch sehr viel besser“, ändert allerdings nichts daran, dass die Kinder eben nicht gesondert unterrichtet und auch nicht gesondert auf gesonderte Arbeitsmärkte drängen werden, sondern dass es alles ist, was dieses rohstoffarme Land künftig an Wissen und Intelligenz zur Verfügung haben wird. www.merkur.de/politik/pisa-ergebnisse
Am Wochenende wird die SPD ihren Linksruck vollziehen und damit vom einen Exkrement ins andere fallen. Gerade noch mit dem Schwarz-Null-Finanzminister im Kabinett Merkel am marktkonformen Abnicken und Kompromisseschließen, hin und wieder ein winziges soziales Wohltätchen hervorwürgend, und nun – rumms, rein in die stramm kommunistischen Enteignungs- und Verstaatlichungsgelüste, die zumindest in Berlin den Wohnungsbau schon fast zum Erliegen gebracht haben.
Es ist leider nicht auszuschließen, dass die SPD mit diesem Kurswechsel und mit dieser Saskia und diesem Kevin tatsächlich so weit aus dem Umfragetief herauskommt, dass 2021 eben nicht, wie längst befürchtet, „Schwarz-Grün“ an die Macht kommen wird, sondern „Rot-Rot-Grün“ antreten kann, um das absolute Fiasko zu inszenieren.
Da jedoch auch „Rot-Rot-Grün“ alleine zum Regieren auf elektrische Energie angewiesen sein wird, kann vorhergesagt werden, dass – spätestens nach dem ersten einwöchigen Blackout nach der Dunkelflaute – der deutsche Ofen aus, die Glut im Kamin endgültig erloschen ist.
Mag sein, dass dann Erdogan Truppen schicken wird, um die Türkei am Wendelstein zu verteidigen und um humanitäre Hilfe zu leisten – schließlich sind ja Millionen seiner Landsleute im Katastrophengebiet eingeschlossen, kann aber auch sein, dass Franzosen und Polen schneller sind und sich inmitten des humanitären Hilfseinsatzes auf die „Wümme-Mangfall-Linie“ als gemeinsame Grenze einigen.
Undenkbar?
Wenn de – und das Laub wird älter –
und du merkst, die Luft wird kälter
und du fiehlst, doss du bald stärbst
dann is Härbst.
Zuerst erschienen auf WWW.EGON-W-KREUTZER.DE
Egon W. Kreutzer ist Unternehmensberater und Autor
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