Cell Broadcast: Katastrophen-Warnsystem oder Big-Brother-Triumph?

Die Telekom warnt schon mal vor, am 8. Dezember geht’s los: Jeder, der ein Handy mit sich führt, der bekommt eine Test-Warnmeldung von der Regierung bzw. einer Behörde. Deaktiviert werden kann diese Meldung im Vorfeld nicht. Was haben wir früher bloß ohne Cell Broadcast gemacht? Ein Kommentar.
Titelbild
Irgendwann schwiegen die Sirenen. Ich weiß gar nicht mehr, wann es aufhörte, wann es Samstagvormittag einfach still blieb, als wäre nichts gewesen.Foto: i-Stock
Von 21. November 2022

Dieser Artikel erschien zuerst auf alexander-wallasch.de.

Ich habe einen Handyvertrag bei der Telekom, ja, ich weiß, dass es anderswo preiswerter ist. Auch meine Hausanlage ist von der Telekom. Ich habe immer noch meine analoge Telefonnummer, die ich schon vor Jahrzehnten hatte. Wenn es also irgendetwas gibt, dass sicher anzeigen könnte, dass ich alt geworden bin, dann wohl diese unbegründete Treue zum Unternehmen.

Heute Vormittag um 11:22 Uhr bekam ich eine Nachricht von der Telekom, die ich meinem Sohn zeigte, der lachte nur und erklärte mir, das wäre doch schon seit Wochen bekannt gegeben worden, also „nichts Besonderes“.

Liebe Leser, ich berichte Ihnen ihm Folgenden quasi im Live-Modus, wie ich mir Informationen erarbeite, die Sie unter Umständen längst haben und die mein Sohn angeblich schon seit Wochen hat.

Die Nachricht der Telekom ging so:

Wichtiger Hinweis zum bundesweiten Warntag am 08.12.2022: Ab 11 Uhr findet die bundesweite Übung zur Warnung der Bevölkerung statt. Die Probewarnung kann zusätzlich zu Radio, Sirene usw. direkt auf Ihrem Handy erfolgen – auch ohne installierte Warn-App. Wir informieren Sie heute, damit Sie auf diese neue Art der Warnung vorbereitet sind. Weitere Infos: https://t.de/warnsignal Ihre Telekom“

Es mag ja an den Zeiten liegen, in denen wir leben. Aber mir kommen da sofort Bilder hoch aus kommunistischen Diktaturen mit Lautsprechern an jeder Straßenecke, aus denen Ideologien plärren, denen gegenüber man die Ohren nicht mehr verschließen kann. Oder ich denke an Sequenzen aus Hollywood-Science-Fiction-Blockbustern.

Oder gar an den Volksempfänger der Nazis, der in den Haushalten quasi verpflichtend war, welchen Familien extra lauter drehten, damit auch Nachbarn im Bilde darüber waren, dass man brav die Führeransprache live hört.

Andererseits müsste ich es eigentlich gewohnt sein: Ich bin aufgewachsen mit dem samstäglich schrillen Geräusch der Sirene auf dem Dach des Hauses gegenüber, im Tal dröhnte unheilvoll der auf- und absteigende Alarmruf aus allen Ecken, aber irgendwann war Schluss damit, ich weiß gar nicht mehr, wann es aufhörte und ab wann es Samstagvormittag einfach still blieb, als wäre nichts gewesen.

Das Haus, auf dem diese Sirene in der Nachbarschaft montiert war, ist heute baufällig, wir befürchten sogar, dass es uns irgendwann einfach ohne Ankündigung, ohne Vorwarnung, von seitwärts in den Garten fällt.

Nun ist so ein Zivilschutzprobealarm in vielen Ländern nichts Ungewöhnliches, hier wird getestet, wie man bei einem außergewöhnlichen Ereignis möglichst viele Menschen erreicht. Noch einmal etwas anderes ist es allerdings, wenn so ein Warntag zusammenkommt mit der Zeitenwende des Bundeskanzlers und dem Epochenwechsel des Bundespräsidenten.

Die Idee zum Warntag am 8. Dezember ist allerdings älter als der 24. Februar 2022, als russische Soldaten die Ukraine angriffen. Schon am 10. September 2020 gab es den ersten bundesweiten Warntag nach der Wiedervereinigung, der allerdings von etlichen Pannen überschattet war.

Involviert waren Warn-Apps wie NINA und KATWARN, die man sich vorher auf sein Handy hätte laden müssen. Bei jenen, die das gemacht hatten, kam die Probewarnung allerdings etwa eine halbe Stunde zu spät. Manche Nutzer hatten gar keine Meldung bekommen. Mehrere Behörden lösten wohl gleichzeitig eine Warnmeldung aus, was zu einer Überlastung führte. Die Folge war damals, dass Horst Seehofer als Bundesinnenminister den zuständigen Behördenleiter wutentbrannt über die peinliche Pleite einfach austauschen ließ.

Eine Folge des Warndesasters war es, dass der nächste Termin am 30. Juni gestrichen wurde. Anfang Juli 2022 wurde dann der 8. Dezember festgelegt, was auf meinem Iphone gerade zur Vorankündigung durch die Telekom geführt hatte. Zukünftig soll es in Deutschland aus allen verfügbaren Kanälen und jeweils am zweiten Donnerstag im September um Punkt 11 Uhr losheulen.

Aus dieser überraschenden Vorab-Meldung der Telekom erfuhr ich das erste Mal von Cell Broadcast, so heißt das System, das Behörden in die Lage versetzt, gleichzeitig allen Empfängern einer gewünschten Funkzelle im selben Moment die gleiche Botschaft aufs Handy zu senden.

Synchronisiert man diese Meldung bundesweit, können etliche Millionen Bürger im selben Moment erreicht werden.

Interessant ist hier, dass praktisch alle Handys und Smartphones vom Hersteller aus Cell Broadcast unterstützen. Und die Telekom teilt mir über den mitgesendeten Link mit, dass ich diese Funktion auch nicht deaktivieren könne.

Die Antwort kurz und knapp: „Zu Ihrem Schutz lässt sich die höchste Warnstufe auf neueren Endgeräten nicht deaktivieren.“

Im Weiteren wird darüber informiert, wie es auf einigen Geräten dann aber doch funktioniert oder angeblich funktionieren soll, dieses Warnsystem inaktiv zu schalten.

Noch eine Info-Frage der Telekom fällt auf: „Kann man einen laufenden Alarm aus- bzw. stummschalten?“ Die knappe Antwort: „Ja. Ein laufender Alarm kann durch Bestätigen der Warnmeldung ausgeschaltet werden.“

Bedeutet das, dass jeder Bürger, der so erreicht wird, quasi von seinem Standort aus eine Art Legitimation absenden muss? Es gab Zeiten, da konnte man Handys samt Karte im Penny-Markt kaufen und man fing an zu telefonieren, wann man wollte, wo man wollte und mit wem man wollte.

Heute haben sich die Bürger daran gewöhnt, dass sie sich überall legitimieren müssen, samt Gesichtskontrolle per Handykamera und bereitgehaltenem Ausweis. Auch in den großen sozialen Netzwerken ist ein anonymer Auftritt unter Pseudonym kaum noch möglich, das war zu Beginn ebenfalls nicht so kommuniziert worden.

Man kann feststellen: Die Nutzer wurden zunächst ohne Bedingungen angeworben und müssen sich mittlerweile, oft Jahre später, wenn sie weiter mitspielen wollen, ausweisen, ihre Telefonnummer und eine Email registrieren lassen und bestätigen; alles wird abgefragt und gespeichert.

Weitere Frage der Telekom: „Kann ich Testnachrichten deaktivieren?“ Antwort: „Nein. Tests, die im Rahmen eines Probewarntags von Bund und Ländern durchgeführt werden, sind nicht zu deaktivieren.“

Und die Telekom ahnt offensichtlich auch, was ihren Kunden durch den Kopf geht. Frage: „Werden meine Daten (insbesondere Standortdaten) übermittelt?“ Die hier umfangreichere Antwort der Telekom:

„Nein, für die Aussendung von Cell Broadcast-Nachrichten werden keine personenbezogenen Daten wie Standortdaten erhoben oder verarbeitet. Das Warnsignal wird an alle empfangsbereiten Mobilfunkendgeräte ausgesendet, ohne dass der Absender der Warnmeldung die Mobilfunknummer oder andere Daten der Empfänger*innen kennt oder erfassen kann.“

Das wiederum erinnert an die Anfangstage von Facebook und Co, erinnert an die erste Handytechnik, wie eben geschildert, als eine gewünschte Anonymität respektiert wurde, als schon die Idee, dass man sich dafür individualisiert registrieren müsste, mutmaßlich zu einer starken Verlangsamung des Zuwachses der Nutzerzahlen geführt hätte.

Die Frage ist also berechtigt, wann dieses Warnsystem auch offiziell personalisiert wird. Die Antwort ist einfach: Wenn sich die Leute daran gewöhnt haben, der Mensch ist ein Gewohnheitstier:

„Ab dem 08.12.2022 ist Cell Broadcast bei allen Netzbetreibern und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Testbetrieb. Der vollständige Wirkbetrieb startet am 23.2.2023.“

Wenn man so will, dann waren bereits die sich als vollkommen sinnlos erweisenden Corona-Warnapps ein Weg hin zu einer Gewöhnung an solche Warn- und Kontrollsysteme.

Zwei weitere Fragen, welche in der Telekom-Information zu Cell Broadcast beantwortet wurden:

„Kann man einen laufenden Alarm aus- bzw. stummschalten?“

„Ja. Ein laufender Alarm kann durch Bestätigen der Warnmeldung ausgeschaltet werden.“

„Was passiert bei einer Warnmeldung auf bzw. mit dem Handy?“

„Cell Broadcast warnt die Bevölkerung vor Katastrophen und Notfällen. Das geschieht mittels einer Textnachricht mit Warnsignal auf dem Mobilfunkendgerät (Smartphone oder Handy). Diese Nachricht wird direkt auf dem Bildschirm des Mobilfunkendgeräts angezeigt und kann nicht stummgeschaltet werden.“

Und weiter heißt es in der Telekom-Meldung:

„Bekommt man eine Warnmeldung über Cell Broadcast, gibt das Mobilfunkgerät im Regelfall ein lautes Warnsignal aus. Gleichzeitig zeigt es eine Textnachricht an, die auf manchen Geräten auch vorgelesen wird: Etwa eine Warnung vor Feuer, einem Unfall oder einer Naturkatastrophe. Der Text enthält Anweisungen zum Verhalten und auch Hinweise für Informationen. Wichtig: Für den Inhalt der Warnung ist die zuständige Behörde bzw. das zuständige Ministerium verantwortlich.“

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) beispielsweise kann in ihrer Begeisterung kaum an sich halten und titelt: „Deutschland bekommt ein Handy-Warnsystem für alle. Warum so spät?“

Und es klingt dann bei der SZ so, als wären auf einen Schlag alle Probleme des Landes gelöst, wenn die Regierung nur die Gelegenheit hat, jeden Menschen, ganz gleich, wo er gerade geht, sitzt oder steht, mit einem „lauten Warnsignal“ dazu bringen kann, eine Nachricht der Regierung gleichzeitig in der selben Sekunde gezwungernermaßen zu lesen.

Was um Himmelswillen haben wir bloß früher ohne dieses überlebenswichtige Tool gemacht? Wie haben wir unser Leben ohne diesen Regierungs-Souffleuse-Kasten in der Hosentasche überhaupt bewältigen können?

Bereits im Juli 2021 jammerte Autor Sascha Lobo darüber, dass China und andere Länder längst solche Warnsysteme hätten, nur Deutschland hänge wieder hinterher. Und Lobo erklärt auch, wie wundervoll dieses unverlangt mit scharfem Warnton eingehende Cell Broadcast ist. Das wäre doch gar keine Massen-SMS, weiß der Spiegel-Online-Kolumnist:

„Stattdessen schickt der Netzbetreiber eine bis zu 1395 Zeichen lange Push-Nachricht an alle Geräte, die sich in einer bestimmten Funkzelle befinden. Sie erscheint automatisch auf dem Display und kann sogar Links ins Internet enthalten.“

Das ist ja wunderbar. Ich sehe schon, wie hier beispielsweise Fahndungen nach bestimmten Personen ruckzuck in ein bestimmtes Netz eingespielt werden, wo diese Person gerade vermutet wird.

Ich lese Verdunklungsaufforderungen, wenn diese Systeme zusätzlich genutzt werden, Engpässe in der Energieversorgung sofort zu regulieren durch Abschaltungsaufforderungen. Ach, wer Fantasie hat, dem fällt dazu noch viel mehr ein.

Aber Sie können es natürlich auch Paranoia nennen, so, wie man Warner und Mahner belächelt hat, die zu Beginn der Ausbreitung der sozialen Medien vor Abhängigkeit, kommender Zensur und Kontrolle gewarnt hatten.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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