Berüchtigte „Kentler-Experimente“ wirken bis heute fort

Der pädagogische Fokus auf sexueller Emanzipation und Enthemmung ist offizieller europäischer Standard. Sie lässt sich zurückführen über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf Helmut Kentler und die 68er.
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Das Rote Rathaus in Berlin – Sitz des regierenden Bürgermeisters.Foto: VvoeVale/iStock
Von 26. November 2022

Die Sexualisierung der Jugend war ein Lebensziel von Helmut Kentler. Im Nachruf auf den 2008 Gestorbenen steht: „Der Beginn geschlechtlicher Aktivität von Jugendlichen wurde weit vorverlegt (in Lebensjahren: von 20 auf 15).“ Den Erfolg posthum bestätigt hat Rüdiger Lautmann, ein enger Vertrauter Kentlers. Die „emanzipatorische Sexualerziehung“, die den Fokus auf die uneingeschränkte Erfüllung „individueller Bedürfnisse“ legte, war Kentlers Lebenswerk. Damit rannte er bei den 68ern offene Türen ein.

Berüchtigte Experimente und der Berliner Senat

Heute ist der Psychologe und Sozialpädagoge vor allem für seine berüchtigten „Kentler-Experimente“ bekannt. Mithilfe des Berliner Senats hatte Kentler jahrzehntelang straffällig gewordene Jungen bei pädosexuellen Männern untergebracht.  Als „Glücksfall“ bezeichnete eine Senatsmitarbeiterin damals das Resozialisierungsprojekt. Die Jungen waren weg von der Straße und offenbar in guten Händen.

„Kentler war der festen Überzeugung, dass es für Jungen gut ist, wenn sie homosexuelle Kontakte zu Erwachsenen haben“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Karla Etschenberg in dem kürzlich auf Youtube erschienenen Film „KentlerGate: Kindesmissbrauch in staatlicher Verantwortung“. Etschenberg ist eine wichtige Zeitzeugin. Die Sexualpädagogin hat Kentler und seine Nachfolger kennengelernt, sich selbst aber früh von der handlungsorientierten Sexualerziehung distanziert.

Kentler habe stets den pädagogischen und therapeutischen Nutzen pädosexueller Beziehungen für Kinder betont, heißt es in der Dokumentation des Aktionsbündnisses „DemoFürAlle“. Sein Einfluss war so groß, dass er als gerichtlicher Sachverständiger für Missbrauchsfälle tätig war. Jedes Mal erwirkte er Verfahrenseinstellungen oder Freisprüche.

68er: Die sexuelle Befreiung der Kinder

Mit seiner Vorstellung vom Kind als Sexualwesen, dessen sexuelle Lebensenergie von Erwachsenen stimuliert und freigesetzt werden müsse, fiel Kentler voll in die Zeit der sexuellen Befreiung und fand vor allem bei Schülern und Studenten großen Anklang. Kentler transformierte die Thesen von Reich und Kinsey zu den „genitalen Rechten der Kinder“ in die Praxis deutscher Sexualerziehung und galt als angesehener Sexualreformer. Im Kampf gegen die „repressive Sexualmoral“ sah man darüber hinweg, dass Kinsey für seine Experimente hunderten Kinderschändern junge Opfer zuführte, um belegen zu können, wie oft und wie lange die von ihnen missbrauchten Kinder und Säuglinge zum Orgasmus gekommen seien.

An Missbrauch wollte niemand denken. Was der eigenen Lust im Wege stand, hielt man für schädlich. Die „vorgegebenen Grenzen religiös-moralischer Provenienz“, wie es im Nachruf auf Kentler heißt, wollte man ein für allemal sprengen.

Die sexuelle Befreiung der 68er-Bewegung galt dabei auch den Kindern.

„Im Schnelldurchlauf“ hätten die Studenten damals nicht nur Marx und Mao, sondern auch die Literatur zur sexuellen Revolution von Wilhelm Reich und Alfred Kinsey gelesen und „selbstzerfleischend“ in ihren sämtlichen Beziehungen angewandt, sagt die Autorin Bettina Röhl im Film.

Röhl ist die Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof und hat ihre Kindheit in den studentischen Kommunen und in Kinderläden verbracht. „Die Kinder sollten nicht nur zugucken beim Geschlechtsverkehr der Eltern, sondern auch mitmachen“, schildert Röhl die damalige Vorstellung, wie der „neue Mensch“ sozialistisch und auch sexuell erzogen werden sollte. Das Brechen der Schamgrenzen habe als Befreiung schlechthin und die Kinderladen-Kinder hätten als neue Elite gegolten.

Kernthese Kentlers: „Menschen sind sexuelle Wesen von Kindheit an“

Kentlers Kernthese sei es gewesen, „dass Menschen sexuelle Wesen von Kindheit an sind“, beschreibt der Wissenschaftler Jakob Pastötter. Kentlers sexualpädagogisches Prinzip lautete: „Kinder brauchen die gezielte Förderung von Erwachsenen, um diese Sexualität für sich zu entdecken.“

Die Opfer der „Kentler-Experimente“ sind durch den schweren sexuellen Missbrauch durch ihre Pflegeväter tief traumatisiert. Einige der Männer waren wegen pädophiler Vergehen vorbestraft. Die Abhängigkeitsverhältnisse in den Pflegestellen dauerte oft mehrere Jahre.

Zwei Opfer wagten 2017 den Schritt in die Öffentlichkeit. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte das Experiment als „ungeheuerlich, erschütternd und verachtenswert“ bezeichnet. Sie zeigte sich erleichtert darüber, dass zumindest diesen beiden Opfern trotz der Verjährung eine finanzielle Entschädigung gezahlt werden konnte. Die Verstrickung des Berliner Senats in das Experiment hatte für großes Entsetzen gesorgt. Seit April 2021 ist die Universität Hildesheim in einem Forschungsprojekt mit der Aufarbeitung von Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe und der Verantwortung des Berliner Jugendamtes betraut.

Kentler und der heutige Unterricht über Pro Familia

Die inzwischen bekannten Kentler-Experimente sind zwar der Aufhänger des Films. Doch weniger bekannt ist, dass Kentlers Sexualpädagogik heute über Pro Familia und die umstrittene „Sexualpädagogik der Vielfalt“ nach wie vor in Schulen unterrichtet wird.

Das Missbrauchsexperiment von Kentler bestehe in der übergriffigen Sexualpädagogik fort, „die heute den Kindern zugemutet wird“, betont die Sprecherin der Familieninitiative „DemoFürAlle“, Hedwig von Beverfoerde.

Ohne Kentler sei die sexuelle Bildung, die heute eine ideologische Monopolstellung habe, nicht zu verstehen, bestätigt Etschenberg. Die heutige Bildung für Kinder nehme Kentlers Prämisse „Lernen durch tun“ beim Wort und ziele darauf ab, in Übungen „sexuell animierende Situationen zu schaffen“, sagt Etschenberg, etwa wenn in Schülergruppen ein am Körper verstecktes Kondom gesucht werden müsse.

Uwe Sielert entwickelte als Meisterschüler Kentlers Ideen zur heutigen „Sexualpädagogik“

Um zu verdeutlichen, was Etschenberg meint, muss man nicht die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ bemühen. Dafür reicht ein Blick auf die Online-Seiten von Pro Familia.

Sexualpädagogen wird dort für ihren Unterricht etwa ein „Grundschul-Set“ an Penismodellen mit und ohne Vorhaut und in verschiedenen Farben angeboten. Sie erhalten Tipps für sexuell animierende Rollenspiele in Schulklassen, oder Ideen, was Kinder aus dem „Grabbelsack“ neben Kondomen, Gleitgel und Unterwäsche noch so alles herausziehen könnten. Die „sexuelle Bildung“ für Teenager führt vom Petting über das „erste Mal“ weiter zum Oral- und Analsex bis hin zum „Schlussmachen.

Der Meisterschüler Helmut Kentlers war Uwe Sielert. Sielert entwickelte Kentlers Ideen ab 1984 in einer von der damaligen Familienministerin Rita Süßmuth (CDU) eingesetzten Forschergruppe an der Universität Dortmund weiter. Daraus ging im Jahr 1988 das Institut für Sexualpädagogik (ISP) und die Gesellschaft für Sexualpädagogik (gsp) hervor, die durch Sielerts geschicktes Netzwerken eine Monopolstellung in der deutschsprachigen Sexualpädagogik entwickelten. Das ISP beruft sich noch heute im offiziellen Internetauftritt auf die „Tradition emanzipatorischer Sexualpädagogik, die auf Helmut Kentler zurückgeht. Das ISP macht keinen Hehl daraus, wer der geistige Vater der emanzipatorischen Sexualpädagogik ist, die heute unter dem modernen Begriff „Sexualpädagogik der Vielfalt“ firmiert.

Die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ ist in den Lehrplänen einiger Bundesländer als Querschnittsthema verankert. Und„Sexualpädagogik der Vielfalt“ lautet auch der Titel eines sexualpädagogischen Methodenbuches aus ISP-Kreisen, in dem schamverletzende Übungen für Kinder vorgeschlagen werden, wie etwa der „Der neue Puff für alle“ oder „Galaktischer Sex“.

In der Einleitung des von Pro Familia empfohlenen Buchs berufen sich die Autoren auf den Nestor der deutschen Sexualpädagogik, der zugleich bedeutendster Pädophilenaktivist der Bundesrepublik in den siebziger Jahren war:

Die emanzipatorische Sexualpädagogik propagierte seit ihrer Grundlegung durch Helmut Kentler 1970 eine gesellschaftskritische Befreiung des Menschen aus seiner sexuellen Unmündigkeit.“

„Standards zur Sexualaufklärung in Europa“

Anfang der 1990er Jahre erklärte der Bundestag Sexualaufklärung zur länderübergreifenden Aufgabe, mit der er die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) betraute. Die neue Konzeption von Sexualpädagogik erarbeitete dort Uwe Sielert. Sie enthält Versatzstücke, die nahezu wortgleich auch bei Kentler zu finden sind.

Der gemeinsame Tenor: Es geht zentral um sexuelle Lust, die bei Kindern durch Erwachsene geweckt werden müsse. Über das neue Schlüsselwerk der BzgA brachte Sielert die Sexualpädagogik seines Mentors sogar in die „Standards zur Sexualaufklärung in Europa“ der Weltgesundheitsorganisation von 2011 ein.

Der pädagogische Fokus auf sexueller Emanzipation und Enthemmung ist seitdem offizieller europäischer Standard.

„Probiert aus, was euch Spaß macht“-Pädagogik

Dass Schüler mit sexuell animierenden Übungen zur Aufklärung und Verhütung in ihre ersten intimen Beziehungen gedrängt werden, stört heute nur noch wenige Eltern. Skandalpotential hätte heute allenfalls noch, dass die „emanzipatorischen“ Standards moderner Sexualaufklärung auf jemanden zurückzuführen sind, der offen Pädophile unterstützte.

Warum ist die Verbindung über Sielert zu Kentler bisher kein großer Aufreger in den Medien? Während aktuell Internetpornografie, Tinder und neue, offene Beziehungsmodelle das Liebesleben der 68er fast spießig erscheinen lassen, ist es vielleicht müßig über die Herkunft sexualpädagogischer Methoden zu debattieren. Die Sexualisierung der Jugend ist eine Tatsache.

Welchen Anteil daran hat die Kentler-Sielert-Schule? Pro Familia kann man heute eigentlich nur noch vorwerfen, dass sie der medialen Sexualisierung der Kinder keine ganzheitliche Pädagogik zu Liebe und Sex im Kontext von langfristigen, tragfähigen Beziehungen und Familienplanung gegenüberstellen. Die Kentler-Jünger gehen in die Schulen und schicken der Sex-Propaganda in den alten und neuen Medien ihr erwachsenes Okay hinterher. Statt „verliebt, verlobt, verheiratet“ also einfach nur: „Liebe machen.“

Angesichts von Kindern, die im Internet immer früher mit Pornos konfrontiert werden und sich gegenseitig Nacktfotos schicken (Sexting), kann die moderne Sexualpädagogik sogar „Pornokompetenz“ vermitteln. Die Botschaft lautet dabei: Ruhig weiter gucken, nur nicht alles glauben.

Kentler hätte das gefallen. Sexualisierung ist die Prämisse seiner Sexualpädagogik, und damit hat er es nahezu in jedes deutsche Klassenzimmer geschafft.

Die „Probiert aus, was euch Spaß macht“ Pädagogik von Pro Familia durchbricht die Schamgrenzen der Kinder und schickt sie in ein promiskuitives Safer Sex-Leben. Was heute gemeinhin als „emanzipatorisch“ und „sexualfreundlich“ gilt, beruht vor allem auf Kentlers Denkschule.

Sexuell enthemmte Teenager, die „emanzipiert“ die Schritte vom Petting zum Schlussmachen beherrschen, zählen ebenfalls zu den Opfern jener Täter, die noch in den 90ern pädophilen Missbrauch organisierten.

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Dr. Martin Voigt, Jahrgang 1984, ist Jugendforscher und Publizist. Er studierte in München Germanistik und Soziologie. Für die Bundespolizei initiierte er ein Präventionsprojekt, das auf seiner Forschung zur Identitätsentwicklung in den sozialen Medien basiert. Als Buch ist 2015 erschienen: „Mädchen im Netz. Süß, sexy, immer online“ Springer Spektrum.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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