Keine Resonanz: Städte-Bündnis für „Seenotrettung“ fühlt sich von Merkel ausgebremst
Im Juli 2018 hatten die Oberbürgermeister der Städte Bonn, Köln und Düsseldorf in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel angeboten, in Eigenregie Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, die im Mittelmeer von privaten Hilfsorganisationen, sogenannten „Seenotrettern“, aufgegriffen worden waren.
Damit wollten die Stadtoberhäupter „ein Signal für Humanität, für das Recht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter setzen“. Der Initiative schlossen sich in weiterer Folge auch Städte und Gemeinden in anderen Bundesländern an. In einer Situation, da auf EU-Ebene mehrere Staaten einen gemeinsamen Verteilungsmechanismus für die Asylsuchenden generell ablehnen, wollten die Kommunen den umgekehrten Weg gehen und von sich aus anbieten, Betroffene zu versorgen.
Düsseldorf sieht bei sich noch Kapazitäten
Das Boot ist in Westdeutschlands Großstädten noch lange nicht voll, findet Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel. Gegenüber „Focus online“ erklärt er: „Humanität ist nicht teilbar. Eine zivilisierte Gesellschaft kann nicht dabei zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken.“
Dem Argument von Kritikern, eine Bergung aus akuter Seenot müsse nicht zwingend eine weitere Verbringung nach Europa beinhalten, tritt Geisel nicht näher. Vielmehr verweist er darauf, dass die Kapazitäten für die Unterbringung von Flüchtlingen in Düsseldorf bei weitem noch nicht ausgeschöpft sei. Derzeit befänden sich nur etwa 4500 Asylsuchende in Düsseldorf, in der Zeit nach September 2015 hätte die Stadt schon mal 10.000 beherbergt.
Wie „Focus online“ berichtet, ist die Reaktion auf die Avancen im Kanzleramt bislang reserviert. Dies liegt hauptsächlich daran, dass eine kommunale Zuständigkeit zum Betreiben einer eigenständigen Asylpolitik von Verfassung, Bundesrecht und Landesgesetzen schlichtweg nicht vorgesehen ist.
Aus diesem Grund hatte sich beispielsweise München nicht der angeschlossen. Vonseiten des Sozialreferats hieß es: „Nationale Alleingänge oder gar ausschließlich regionale und kommunale Anstrengungen reichen nicht aus, um die Herausforderung zu bewältigen, die in Seenot geratenen Flüchtlinge zu retten.“
Aufenthaltsrecht ist Bundessache
Grundsätzlich ist Ausländerrecht und damit auch Aufenthaltsrecht in Deutschland Bundessache. Auch dort, wo oberste Landesbehörden Gestaltungspielräume haben, um beispielsweise aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, müssen diese das Placet aus Berlin von Bundesministerium des Inneren abwarten. Dieses verteilt die in Deutschland aufgenommenen Asylsuchenden auf die Bundesländer.
Erst dort wird über die letztendliche Zuteilung an eine Kommune entschieden – und da kann ein Länderinnenminister entsprechend neben den vorhandenen Kapazitäten auch die grundsätzliche Aufnahmebereitschaft der Kommunen zur Richtschnur nehmen.
„Die Städte und Gemeinden können nur ihre Aufnahmebereitschaft signalisieren, die Verfahren und Entscheidungen zu einer Aufnahme und Verteilung Geflüchteter liegen beim Bund. Hier haben wir keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten“, zeigt sich entsprechend auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegenüber Focus online enttäuscht.
Mittlerweile ist die Zahl im Mittelmeer aufgegriffener Asylsuchender, die nach Deutschland überstellt werden, gemessen an deren Gesamtzahl eher gering. Die meisten, die in Europa noch eine Anlegegenehmigung erhalten, kommen in den südeuropäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten an.
Staatsministerium mit Integrationsprojekt für traumatisierte Jesidinnen zufrieden
Obwohl immer noch eine vierstellige Anzahl an Migranten und Flüchtlingen den Weg über das Mittelmeer wagt und es dabei nach wie vor auch zu Todesfällen kommt, hat die Bundesregierung offenbar aus den Erfahrungen des Jahres 2015 gelernt. Einen Alleingang bei der Aufnahme von Asylsuchenden, ohne zuvor andere EU-Länder bezüglich der Verteilung mit ins Boot geholt zu haben, will man offenbar diesmal unterlassen.
Im Fall einzelner, thematisch fokussierter Initiativen sind Zusammenschlüsse von Kommunen hingegen erfolgreicher: So vermeldet der zuständige Koordinator im Staatsministerium in Stuttgart, Michael Blume, gegenüber der dpa, dass sich das auf drei Jahre anberaumte Integrationsprojekt für mehr als 1000 vom IS misshandelte jesidische Frauen aus dem Nordirak auf einem guten Weg befinde.
In den Jahren 2015 und 2016 hatten sich 21 Kommunen bereiterklärt, an dem Programm teilzunehmen. Für das Programm mit dem Sonderkontingent stehen 95 Millionen Euro vom Land zur Verfügung. Für die Frauen wurde ein vereinfachtes Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltsstatus geschaffen.
Die ersten Frauen fänden den Weg in einen Beruf oder eine Ausbildung. Manche machten sogar den Führerschein, was in ihrer Heimat kaum möglich gewesen wäre. „Einige erfinden sich neu – und die Kinder blühen auf“, sagt Blume. Um auch vor Ort Hilfe leisten zu können, wurde im März in Dohuk im Nordirak ein Institut zur Ausbildung von Traumatherapeuten eröffnet, wie der „Deutschlandfunk“ berichtete.
(mit Material der dpa)
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