Harald Schmidt: Noch ungeimpft und entspannt
Der Ex-Fernsehmoderator Harald Schmidt ist zwar mittlerweile schon über 60, aber noch nicht gegen Corona geimpft – und er will sich damit auch nicht beeilen. Er habe noch keinen Impftermin und weigere sich auch, dafür irgendwo anzurufen, sagte Schmidt dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstagausgaben).
„Allein wenn ich den Begriff ‚Impfangebot‘ höre, schiebe ich es schon mal eine Woche raus“, so der 63-Jährige.
Die Aufregung um Corona sei ihm in Deutschland bisweilen zu groß, sagte Schmidt, „gerade die ums Impfen“.
Er sei jedoch „absolut kein Impfgegner“, betonte er. „Ich bin nur keiner, der morgens schon vor der Tür liegt, wenn der Arzt um 8 Uhr öffnet, damit er um fünf vor acht geimpft werden kann. Wer es dringend braucht, für den lasse ich gern den Altruisten raushängen: ‚Nimm doch meine Dosis.“ Seine Impfung werde er sich später holen, sagte Schmidt.
„Wenn es heißt, ‚das Robert-Koch-Institut meldet‘, hole ich ’nen Kaffee.“
„Ich warte ab, bis das alles völlig entspannt geht, sozusagen auf Zuruf. Keine Ahnung, wann das sein wird, da höre ich ja täglich andere Zahlen – oder vielmehr höre gar nicht mehr hin, muss ich sagen“, so Schmidt.
Er habe aber die Abstands- und Hygieneregeln stets sehr ernst genommen, betonte er. „Daran habe ich mich gehalten, und das behalte ich auch bei. Da ist schon viel gewonnen“, so Schmidt.
„Ich habe dieses Jahr ja auch ohne den traditionellen großen Schnupfen überstanden: durch Abstand und Maske.“ Er fügte hinzu: „Wenn ich überlege, was wir früher über die Asiaten mit ihren Masken gelacht haben. Da muss ich nun sagen: wieder was gelernt.“
Schmidt selbst hat die Pandemie nach eigenen Angaben gut überstanden: „In Restaurants bin ich nie oft gegangen, ich lese sowieso gern und höre sehr viel Radio. Das habe ich ausgebaut und bin wunderbar mit der Situation zurechtgekommen.“
Traumschiff und die Rolle als „alter weißer Mann“
„Zugegeben: Ich hatte vorher schon runtergefahren“, sagte er dem RND.
Nur dass die Drehs zur ZDF-Serie „Traumschiff“ nicht im normalen Umfang stattfanden, habe er schade gefunden, sagte Schmidt, der in der Sendung seit mehr als zehn Jahren den Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle spielt.
„Als die Dreharbeiten nach Emden oder Bremerhaven verlegt wurden, hab ich gesagt: Ruft an, wenn wir wieder nach Neuseeland fahren.“
Künftig will er sich aktiv bemühen, seiner Rolle als alter weißer Mann gerecht zu werden. „Da gilt das alte Prinzip, das bei den Amis heißt `Kill your enemy with a smile`: Zerstörung durch Zustimmung“, sagte Schmidt.
„Meine neueste Strategie, die mir wie eine Erleuchtung zugeflogen ist: Ich bekenne mich offensiv zum alten weißen Mann. Was du nicht kaschieren kannst, musst du ausstellen.“ Er empfinde den Begriff zwar als „klare Diskriminierung, aber das ist uninteressant“, sagte Schmidt.
„Ich sehe es als Kunstfigur. Wie in der Literatur `das süße Mädel` bei Arthur Schnitzler oder so. Das heißt, wenn es einen mustergültigen alten weißen Mann gibt, bin ich das jetzt. Ich versuche, in dieser Rolle aufzugehen.“
Als Schauspieler sei er es gewohnt, Texte zu lernen, erklärte der 63-Jährige. „Mir macht es Spaß, weil ich den Text jetzt radikal ändern muss. Das ist, als hätten Sie gerade Kleist gelernt – und jetzt kommt Heiner Müller oder Elfriede Jelinek. Da lernt man eben einen neuen Text.“
„Die Literatur der Gegenseite ist ja offen zugänglich, also schafft man sich drauf, was vom alten weißen Mann so erwartet wird.“ Als Material dienten ihm dabei Kolumnen und Kommentare darüber, „was angeblich bei uns im Zusammenleben der Geschlechter schiefläuft“, so Schmidt.
„Und es läuft ja wirklich viel schief. Aber solange zwei Menschen sich ein Bad teilen, wird das auch immer so sein. Und selbst wenn sie zwei Bäder haben, ist es nicht einfach.“
Wäre eine „Harald Schmidt Show“ heute noch möglich?
Über neue Tabus klagte Schmidt nicht: „Du darfst alles sagen. Du musst dir nur überlegen, wie du es formulierst. Und du musst auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.“
Insgesamt führe der Zeitgeist aber dazu, dass eine Sendung wie seine „Harald Schmidt Show“, die in den 90ern gerade durch den gezielten Tabubruch erfolgreich gewesen sei, heute nicht mehr möglich wäre, sagte Schmidt. „Nicht in der Form von damals. Weil wir einfach gefeuert haben – mal gucken, was passiert.“
Die Grenze sei dabei stets gewesen, ob ein Witz justiziabel war. „Heute ist die Grenze nicht mehr, ob etwas rechtlich zulässig ist – sondern das Gefühl ‚Ich fühle mich verletzt‘. Diese neue Rücksicht auf verletzte Gefühle macht es vor allem langweilig.“
Auf Beschwerdewellen wegen Beleidigung habe er keine Lust, so Schmidt. Er ist zurzeit als Moderator des neuen NDR-Podcasts „Raus aus der Depression“ zu hören, in dem er als langjähriger Schirmherr der Deutschen Depressionshilfe mit Betroffenen bespricht, wie sie lernten, mit der Krankheit zu leben, sowie mit dem Frankfurter Psychiatrie-Professor Ulrich Hegerl über Ursachen, Auslöser und Behandlungen. (dts)
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