Genetisch veränderte Viren gegen Bakterien

Die Zahl der Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien nimmt stetig zu. Genetisch veränderte Viren bieten eine mögliche Alternative für die Therapie bei Erkrankungen durch multiresistente Bakterien. Doch welche technologischen Herausforderungen und mögliche Gefahren bringt diese Methode mit sich?
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Antibiotikaresistente Bakterien stellen eine zunehmende Herausforderung für Wissenschaft und Medizin dar.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 24. September 2024

Mit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahr 1928 begann eine medizinische Revolution. Antibiotika wurden zu einer der mächtigsten Waffen gegen bakterielle Infektionen und retteten weltweit unzählige Leben. Krankheiten, die einst tödlich waren, verloren dank dieser Medikamente ihren Schrecken.

Heute, fast ein Jahrhundert später, stehen wir vor einer neuen Herausforderung: Die Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien nimmt rasant zu. Nach Angaben des Robert Koch Instituts sind mindestens 1,27 Millionen Todesfälle pro Jahr direkt auf multiresistente Erreger zurückzuführen, bei denen die verfügbaren Antibiotika nicht wirken.

Wachsende Gefahr durch antibiotikaresistente Bakterien

Viele Bakterien verfügen über natürliche Abwehrmechanismen gegen Antibiotika. Einige produzieren spezielle Enzyme, die Antibiotika wie Penicillin gezielt abbauen. Andere nutzen sogenannte Effluxpumpen, um die Medikamente aus der Zelle zu transportieren und sie dadurch unwirksam zu machen. Darüber hinaus können Bakterien ihre Zielstrukturen so verändern, dass das Antibiotikum seine Wirkung nicht mehr entfalten kann.

Während sich einzelne Resistenzen durch den gezielten Einsatz bestimmter Antibiotika oft noch umgehen lassen, stellt die Entwicklung von Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig immun sind, ein ernsthaftes Problem dar. Unter dem Selektionsdruck des massenhaften Antibiotikaeinsatzes und durch Mutationen oder den Austausch genetischen Materials zwischen verschiedenen Bakterien entstehen multiresistente Keime, die zunehmend unempfindlich gegenüber herkömmlichen Therapien werden.

Vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist dies ein wachsendes Problem und die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle, bei denen multiresistente Keime eine Rolle spielen, steigt ständig. Viele Wissenschaftler und Mediziner befürchten daher, unsere wichtigsten medizinischen Helfer gegen gefährliche Mikroben könnten in absehbarer Zeit ihre Wirkung verlieren. Sie suchen verstärkt nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten.

Viren gegen multiresistente Erreger

Ein vielversprechender Ansatz rückt immer mehr in den Fokus, bei dem Viren eine zentrale Rolle spielen. Wie Pflanzen und Tiere werden auch Bakterien von speziellen Viren befallen – den sogenannten Bakteriophagen (kurz: Phagen). Diese Viren besitzen ein enges Wirtsspektrum und schleusen ihre genetische Information in Bakterienzellen ein.

Diese Phagen vermehren sich dann innerhalb der Bakterien, was schließlich zum Tod der infizierten Zellen führt. Die Idee, solche „biologischen Waffen“ gegen bakterielle Infektionen einzusetzen, erscheint attraktiv – besonders gegen multiresistente Erreger.

Allerdings gibt es einige technologische Herausforderungen, die den breiten Einsatz der Phagentherapie gegen bakterielle Infektionen bisher einschränken. Da Phagen sehr spezifisch nur bestimmte Bakterien infizieren, gestaltet sich die Suche nach geeigneten Bakterienviren für jeden Patienten als schwierig. In der Regel müssen bei Infektionen verschiedene Phagen in sogenannten Phagencocktails kombiniert werden, um eine effektive Therapie gegen verschiedene bakterielle Erreger zu ermöglichen.

Gentechnisch veränderte Viren gegen Bakterien

Obwohl mittlerweile umfangreiche Phagenbibliotheken existieren, die Ärzte bei der Auswahl geeigneter Phagen unterstützen sollen, bleibt der Prozess zeitaufwendig und mühsam. Zudem sind viele Phagen noch nicht ausreichend charakterisiert, was ihre klinische Anwendung weiter erschwert.

Um die Flexibilität der Phagentherapie zu erhöhen, sehen viele Fachleute die genetische Veränderung der Bakterienviren als notwendig an. Beim sogenannten Phage Genome Editing werden gentechnologische Verfahren eingesetzt, um Viren mit spezifischen Eigenschaften zu entwickeln, die gezielt gegen bestimmte Bakterien gerichtet sind. Allerdings ist dieses Verfahren derzeit äußerst zeitaufwendig.

Ein US-Forscherteam hat nun eine deutlich schnellere Methode zur genetischen Veränderung von Bakteriophagen entwickelt. Bei ihrem Ansatz wird die Erbinformation der Phagen gezielt und kontinuierlich bearbeitet, während sie sich in den Bakterien vermehren. Dies ermöglicht eine erheblich verbesserte Flexibilität und Effizienz der Phagenmodifikation. Die Wissenschaftler haben ihre Studie kürzlich in „The Lancet“ veröffentlicht.

Die Forscher sind der Ansicht, dass ihre Methode die Möglichkeiten der Phagentherapie erheblich erweitern wird. Besonders die Erstellung von Phagenbibliotheken könnte dadurch beschleunigt werden. Da der Wirtsbereich, also die Arten von Bakterien, die ein Phage infizieren kann, entscheidend für die Wirksamkeit der Phagentherapie ist, würde das neue Verfahren zur Erstellung von Phagenbibliotheken den Aufwand reduzieren, um geeignete Phagen zu identifizieren, die gegen bestimmte Bakterien wirksam sind.

Regulatorische Hürden für die Phagentherapie

Die Auswirkungen natürlicher oder genetisch veränderter Phagen auf den Verlauf einer bakteriellen Infektion lassen sich bisher nur schwer vorhersagen. Studien zur Wirksamkeit bisheriger Phagentherapien sind nach wie vor äußerst selten. Auch der Einfluss dieser Therapie auf die Zusammensetzung des Mikrobioms oder die Funktionen des Immunsystems ist bislang unzureichend erforscht.

Bakteriophagen sind derzeit nur in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion als Medikamente zugelassen. In der EU und den USA werden Phagenpräparate momentan nur unter speziellen regulatorischen Ausnahmen in Notfällen eingesetzt. Ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag äußert erhebliche Zweifel, ob die aktuelle Arzneimittelgesetzgebung für die zukünftige Entwicklung der Phagentherapie überhaupt geeignet ist

Zu den größten Hemmnissen zählen dabei einige besondere Eigenschaften von Bakteriophagen, die sie deutlich von anderen Arzneimitteln unterscheiden. Zum einen können sich Phagen am Infektionsort vermehren, abhängig von der Anzahl der anfänglich infizierten Bakterien. Ihre Dosierung läßt sich daher nicht in gleicher Weise regulieren, wie es für herkömmliche Arzneimittel möglich ist. Aussagen über pharmakologische Wirkungen und mögliche Nebenwirkungen sind unter diesen Voraussetzungen ebenfalls schwierig.

Zum anderen besteht die Befürchtung, dass Bakterien sehr schnell Resistenzen gegen die eingesetzten Phagen entwickeln könnten. Kritische Wissenschaftler warnen, dass die Entstehung multiresistenter Bakterien, die auch gegen Phagen resistent sind, ein Szenario ist, das unbedingt verhindert werden muss.

Die individuelle Zusammensetzung jedes Phagencocktails erfordert aufwändige Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien. Aufgrund des engen Wirtsspektrums von Bakteriophagen sowie möglicher Veränderungen in den infizierenden Bakterien kann es zudem notwendig werden, die Phagencocktails anzupassen. Unter der aktuellen Gesetzeslage würden solche Anpassungen eine Nach- oder Neuzulassung der Produkte erfordern, was mit erheblichem zeitlichen Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden wäre.

Um der Phagentherapie zum Durchbruch zu verhelfen, wird daher diskutiert, wie Zulassungsprozesse erleichtert werden könnten. Ein zentraler Ansatzpunkt wäre die Reduzierung der Anforderungen an die Hersteller, indem zum Beispiel kürzere oder weniger umfangreiche präklinische und klinische Studien als Voraussetzung für die Zulassung akzeptiert werden.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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