Geliebte Köchin
Oft ist es ja am besten, etwas frei von jeglichen Erwartungen auf sich wirken zu lassen. Wenn auch Sie das mit dem Film „Geliebte Köchin“ so handhaben möchten, hören Sie am besten hier auf zu lesen und gehen einfach ins Kino, um „La passion de Dodin Bouffant“, wie er im französischen Original heißt, anzusehen.
Denn dieses sinnliche Vergnügen erzählt viel mehr durch seine Bilder. Bei dem von Regisseur Tran Anh Hung in Szene gesetztem Schwelgen in Ästhetik haben die Stillleben der großen niederländischen Meister Pate gestanden und es entführt in eine Welt, in der sich Zeit genommen wird für das, was unsere Lebensgeister materiell zusammenhält: das Essen.
Szenen voller Substanz
Wir befinden uns im Frankreich von 1885 auf einem adligen Landgut. Die Kamera schwenkt über einen Gemüsegarten größeren Ausmaßes in Morgenstimmung. In Nahaufnahme eine Hand, die einen frisch aus der Erde gezogenen Sellerie hält, der prüfend begutachtet wird. Eine Möhre, gerade geerntet, wird spontan und herzhaft in den Mund gesteckt. Wer schon mal sein selbst geerntetes Gemüse direkt auf dem Acker verzehrt hat, weiß, welch ein Vergnügen das ist.
Aufrecht geht eine Frau mittleren Alters durch diesen Gemüsegarten. Eugénie heißt sie, diese Frau. Im praktischen Drahtkorb trägt sie eben geschnittene Salatköpfe, soviel der Korb fasst. Die Fülle bleibt Programm über den ganzen Film.
Schnitt. Eine Küche, in der auf dem Feuer gekocht wird, eine Vielzahl an Kupfertöpfen, Siebe, deren Form sich in der gezeigten Verwendung erschließt. Menschen, die Hand in Hand arbeiten und freundlich ausgeglichen miteinander umgehen. Keine Ungerechtigkeit wird thematisiert, kein abwertendes, grausames menschliches Verhalten präsentiert, sondern Respekt, Fröhlichkeit, Würde.
Können, Hingabe, Zuneigung
Was nicht heißt, dass es keine Hierarchien gibt. Es ist klar, wer Herr und wer Dienerschaft ist. Da ist Eugénie: Köchin, sowie Dodin: der Herr. Doch sind dies gleichsam Rollen und nehmen dem einzelnen Menschen nicht seinen Wert, seine Einzigartigkeit.
Zumal Dodin selbst in der Küche hantiert. Er ist Gourmet aus Passion und weithin für seine Kunstfertigkeit, Gerichte zu zaubern, bekannt. Die erfahrene Köchin Eugénie und er arbeiten seit 20 Jahren zusammen, und sie teilen nicht nur die Leidenschaft fürs Kochen. Bild für Bild erzählt sich ihre Beziehung, ihre Liebe zueinander.
Beide sind schon im Herbst ihres Lebens angekommen, wie Dodin später einmal sagen wird. Und beide verkörpern durch ihre Hingabe an ihr Metier, wie wertvoll es ist, einen Wissensschatz lebendig zu halten und gemeinsam neugierig zu bleiben – auch wenn es schweißtreibenden Einsatz bedeutet.
Ihnen zur Seite steht die junge Küchenhilfe Violette, die zwar kaum Talent für die Haute Cuisine besitzt, aber dennoch ihre Rolle als helfende Hand und Servierende still und durchaus gern ausfüllt. Wohl im Wissen darum, dass nur wenn alle gemeinsam an etwas schaffen, etwas herauskommen kann, was die Leistung eines Einzelnen übersteigt.
Violettes Nichte Pauline hingegen, gerade mal elf Jahre alt, besitzt einen ausgeprägten Geschmackssinn. Eines Tages begleitet sie Violette bei ihrer Arbeit in der Küche. Die Maîtres de Cuisine, Eugénie und Dodin, erkennen schnell das Talent des Mädchens. Ist sie doch schon in der Lage, die unterschiedlichen Zutaten einer komplexen „Sauce“ mit ihrer Zunge zu benennen.
Sie ist gesegnet mit einer Hingabe an die Aromen und Konsistenzen, die sich ihr beim Essen offenbaren. Schön, wie das Wissen an die Jüngere gleichsam eines Staffelstabs weitergegeben wird.
So stehen die beiden Protagonisten für das Loblied, das nie nur ein Einzelner singt: die Gaben zu veredeln, welche die Natur – und letztlich das Göttliche – uns schenkt, und den Verzehr zu zelebrieren, um sodann die gesammelten Erfahrungen, das Gelernte und Ausprobierte weiterzureichen – von Generation zu Generation.
Die Menschen verbindenden Themen
Dass es dabei nicht um dekadente Völlerei und Prasserei geht, die vor allem der Selbstdarstellung dient, anstatt dem Genuss, wird in einer Nebengeschichte mit dem „eurasischen“ Prinzen wunderbar verbildlicht.
Dieser sich auf der Durchreise befindende Hochwohlgeborene lädt Dodin und seine Herrenrunde zu einem über die Maßen aufgeblähten Festmahl ein. Es wäre zwar üppig und gehaltvoll gewesen, aber ohne Licht und Klarheit, ohne Logik, so das Urteil der Herren.
Nein, es ist die Freude an der Komposition dieses an Fülle überbordenden Schöpfungsschatzes, die hier gesucht wird und die Luft und Raum zum Atmen lässt – verschmolzen mit dem Wissen um die richtige Zubereitung, damit das jeweilige Gemüse, Gewürz oder Fleisch sich bestmöglich entfalten kann.
Und so sagt auch Eugénie zur Herrenrunde des Monsieur Dodin, für die sie kocht und die wiederum es bedauern, Eugénie nicht bei Tisch zu haben: „Ich spreche durch meine Gerichte zu Euch.“ Wie ein Maler oder Musiker, der durch seine Werke in seiner Sprache mit den Mitmenschen kommuniziert.
Die große Linie aber und damit der einzige Konflikt, an dem sich die Geschichte entwickelt, ist kein geringerer Widersacher als der Tod selbst. Unsere eigene Endlichkeit ist der einzige Konflikt, den es lohnt, in den Fokus zu nehmen. Nicht um sich davor zu fürchten, sondern in einem jubelnden Carpe diem das Leben zu feiern.
Banalitäten wie die Finanzierung des Lebens werden im Film außen vor gelassen. Offensichtlich sind die pekuniären Mittel vorhanden, das Landgut bodenständig, aber nicht ohne Luxus zu führen. Und dies wirkt durchaus erfrischend, erlaubt es doch, sich mit dem Geschenk des Lebens an und für sich zu befassen.
Am besten ansehen
Verkörpert werden Eugénie und Dodin von der großartigen Juliette Binoche und dem um zehn Jahre jüngeren Benoît Magimel, ein nicht weniger charismatischer und erfahrener Schauspieler. Beide waren auch im privaten Leben für mehrere Jahre ein Paar.
Der französisch-vietnamesische Regisseur Tran Anh Hung führt mit sicherer Hand die Entwicklung der Geschichte und wurde zu Recht beim Filmfest 2023 mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Vorlage zur Geschichte des Films bietet der Roman „La vie et la passion de Dodin Bouffant, gourmet“ des Schweizer Autors Marcel Rouff von 1924.
Ein rundum sehenswerter Film, der einlädt, sich an den kulturellen Errungenschaften und dem tradierten Wissen der Gastronomie zu erfreuen. Wenn man bedenkt, in was für eine lustlose Angelegenheit wir im Alltag das Essen und seine Zubereitung oft verdrehen, kann dies ein Weckruf sein.
Vielleicht mag es den ein oder anderen ermutigen, sein Gemüse wieder beim Bauern auf dem Markt zu erstehen und dabei vor allem Lebenslust zu spüren; wenn es nicht sogar selbst angebaut wird, um dann mit allen Sinnen – Auge, Nase, Mund, den Händen – für sich und seine Liebsten diese Nahrung in einen Festschmaus zu verwandeln.
Wenn Sie also Bilder voller Schönheit in sich aufnehmen wollen, und schließlich sind Bilder auch Nahrung für den Geist, sei dieser Film wärmstens empfohlen. Und die französische Sprache ist allemal die beste, um komplexe Sachverhalte, wie dies nun mal kulinarische Freuden sind, auszudrücken.
Schade nur, dass am Schluss sich wohl ein wenig Ideologie verfängt: Eugénie fragt ihren Geliebten und zukünftigen Ehemann, wer sie denn nun für ihn sei: seine Frau oder seine Köchin, das sei wichtig für sie zu wissen. Anstatt „beides“ zu sagen, denn es ist ihre Liebe zum Kochen wie ihre Liebe zueinander, die sie verbindet, wählt er „meine Köchin“ – durchaus zu ihrer Zufriedenheit.
Es zeigt natürlich den Respekt und die Achtung vor ihren Fähigkeiten und ihrem Talent, doch gehören menschliche Beziehungen und berufliche Zuordnung kaum in die gleiche Kategorie und sollten wohl kaum gegeneinander ausgespielt werden.
Das Leben ist eben vielfältig, mindestens wie ein mehrgängiges Menü.
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