Die ruinöse Flucht in die Staatsschulden

Neue Steuern sind beim Wähler unbeliebt, also ist der Griff zu den Schulden einfacher. Mit dieser Verschuldungspolitik bringt sich jedoch der Staat in eine unheilvolle Spirale. Neues Geld drucken scheint eine Lösung, ist jedoch der Beginn des Zerfalls der Kaufkraft. Zu diesem Schluss kommt unser Gastkommentator Prof. Dr. Thorsten Polleit.
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Die Geduld des Sparens scheint schon lange aus der Mode. Schulden aufnehmen hat dafür nie gekannte Konjunktur und einen „guten Ruf“.Foto: Andrii Yalanskyi /iStock
Von 28. Juli 2024

Wenn es irgendwo in der Wirtschaft brennt, dann wird sofort lauthals und ohne großes Nachdenken nach dem Staat gerufen. In einer Konjunkturflaute etwa solle der Staat mit zusätzlichen Beschäftigungs- und Ausgabenprogrammen die Wirtschaft anschieben.

Oder: Der Staat müsse die Pleite von Unternehmen abwenden – wie beispielsweise im Falle von Galeria Karstadt Kaufhof im Zuge der politisch diktierten Lockdowns 2020/2021 oder des Baukonzerns Philipp Holzmann im Jahr 1999. Mittlerweile geht es aber nicht mehr nur um „Hilfen im Einzelfall“.

Vielmehr hat sich bei vielen Menschen die Vorstellung festgesetzt, dass der Staat die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit Produktion und Beschäftigung voranbringt, den Wohlstand für alle hebt, wenn er Schulden aufnimmt und mit dem auf diesem Wege erhaltenen Geld zusätzliche Ausgaben bestreitet.

Unpopuläre Steuererhöhung durch Schuldenaufnahme ersetzten

Diese Idee ist Kern der Wirtschaftstheorie des britischen Ökonomen John Maynard Keynes (1883–1946). Heutzutage wird der Keynesianismus von „Hauptstromökonomen“ gelehrt und verbreitet, gehört gewissermaßen zum guten Ton, wird meist ganz unkritisch von der breiten Öffentlichkeit übernommen und akzeptiert.

Was aber ist vom Keynesianismus zu halten? Zwar können zusätzliche Staatsausgaben, mit neuen Krediten finanziert, die Wirtschaft antreiben. Das ergibt sich allerdings schon daraus, dass die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, mit der die Wirtschaftsdaten ermittelt werden, gemäß der keynesianischen Theorie konstruiert wurde: Die Staatsausgaben
werden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gezählt und entsprechend liefern Staatsausgaben einen positiven Beitrag auf das BIP.

Doch es ist kurzsichtig, die Kritik an staatlichen Ausgaben, gerade wenn sie kreditfinanziert sind, kleinzureden oder gar auszublenden. Denn die Nebenwirkungen des Schulden-Keynesianismus können geradezu fatal sein. Gerade in modernen Demokratien.

Politiker, die gewählt werden wollen, müssen hier nämlich Mehrheiten hinter sich versammeln. Das lässt sich für sie am besten erreichen, wenn sie reichlich finanzielle Wohltaten über ihren Wählern ausschütten (höhere Pensionen, zusätzliche Subventionen etc.). Die Wähler lassen sich das nur zu gern gefallen, wenn nicht sie, sondern andere für die Extravaganza zur Kasse gebeten werden.

Und weil Steuererhöhungen unpopulär sind, finanzieren Politiker ihre Wahlgeschenke natürlich nur zu gern mit Schulden. Dem demokratischen Prozess wohnt so gesehen ein Anreiz zu steigender Staatsverschuldung inne. ​

Abhängigkeit von kreditfinanzierten Staatsgeldern

Hinzu kommt, dass der Staat vor allem solche Ausgaben mit neuen Krediten finanziert, die eine geringe Produktivität oder vollends unproduktiv sind. Knappe Ressourcen werden auf diese Weise zusehends umgewidmet, stehen nicht mehr zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse in der Volkswirtschaft zur Verfügung.

Die materielle Güterausstattung, die Einkommen fallen folglich geringer aus, als sie ausfallen könnten. Und weil der Staat bekanntlich chronisch und unheilbar ineffizient ist, kommt es auch noch zu Verschwendung, Misswirtschaft und Korruption.

Weiterhin ist zu beachten, dass fortgesetzte schuldenfinanzierte Staatsausgaben die Volkswirtschaft deformieren. Unternehmen richten ihre Produktion auf die Staatsnachfrage aus, erzielen Gewinne und schaffen Arbeitsplätze, deren Existenz von der Fortsetzung der kreditfinanzierten Staatsausgaben abhängt.

Eine einmal begonnene Staatsverschuldung ist daher schwer oder gar nicht mehr einzuhegen, setzt eine politökonomische Dynamik in Gang, die die Staatsverschuldung immer weiter anschwellen lässt. Der Staat wird so immer größer und mächtiger zulasten der Freiheiten von Bürgern und Unternehmern.

Geld drucken nach Bedarf ist der Anfang vom Ende

Wird dem Auftürmen der Staatsschulden nicht ein Riegel vorgeschoben, manövrieren sich Volkswirtschaften über die Jahre, über die Wahlzyklen hinweg, absehbar in eine Überschuldungssituation. Das heißt, irgendwann ist der Staat so hoch verschuldet, dass ihm niemand mehr neue Kredite gewährt.

Spätestens dann, wenn es aus (innen-)politischen Gründen nicht mehr möglich ist, neue Steuergelder einzutreiben und/oder Staatsausgaben zu senken, wird die elektronische Notenpresse angeworfen. Die staatliche Zentralbank beginnt, offene Rechnungen mit neu geschaffenem Geld zu bezahlen. Es ist der Einstieg in die Zerrüttung – die Zerstörung der Kaufkraft des Geldes, die den Ruin des Gemeinwesens einläutet.

Nicht zuletzt darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass in einer solchen Bedrängnis natürlich auch der Anreiz für das politische System wächst, mit allen verfügbaren Mitteln von der eigenen Verantwortlichkeit abzulenken. Etwa indem eine aggressive, kriegerische Außenpolitik verfolgt wird.

Denn die damit im Regelfall verbundenen Notstände erlauben es den Regierungen, ihre Macht auszuweiten, wiederum auf Kosten der Freiheiten von Bürgern und Firmen (etwa in Form von Ausgangssperren, Preiskontrollen etc.). Die Zerrüttung der Staatsfinanzen und des Geldes wird dem Kriegsgegner angelastet, um sich dadurch zu exkulpieren, sprich sich von jeglicher Schuld freizusprechen.

Über den Autor:

Dr. Thorsten Polleit ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Herausgeber von Dr. Polleits Boom & Bust Report.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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