„CO₂-Umverteilungszertifikate“: Renaissance der Moralschuldverbriefung
Der Historiker Dr. Georg Habenicht hat durch seine Nördlinger Quellenfunde unser Wissen zum spätmittelalterlichen Ablass erheblich erweitert. Bemerkenswert für unseren Zusammenhang ist allerdings seine monetäre Sichtweise auf die Dinge. Denn laut Habenicht funktionierte das päpstliche Ablasssystem wie ein Kreditinstitut: Als fiktiver Deckungsstock diente der sogenannte Gnadenschatz der Kirche, den der Papst dank seiner Schlüsselgewalt jederzeit aufschließen konnte, um die Christenheit freigebig mit Gnade zu bedenken.
Gnade war für den Christgläubigen deshalb existenziell, weil durch sie die Leidensfrist im Fegefeuer verkürzt werden konnte. Erst wenn die Schuld dort abgebüßt war, konnte der Gläubige in den Himmel gelangen. „Das Fegefeuer war zwar nicht die Hölle, aber ebenfalls ein Ort, der nach Pech und Schwefel roch“, so Habenicht. Je mehr Gnade der Gläubige vom Papst zugesprochen bekam, desto mehr Schuld wurde ihm erlassen. Diesen Nachlass an Leidenszeit im Fegefeuer nannten die Menschen Ablass.
Rom war eine Art Zentralbank
In der Frühzeit, als das Fiatgnadensystem noch in den Kinderschuhen steckte, agierte Rom nach Art einer standortgebundenen Zentralbank. Wer Gnade aus dem Gnadenschatz der Kirche erhalten wollte, musste dazu in die Ewige Stadt kommen. Nach und nach ging die Kurie allerdings dazu über, das Recht, Gnade von leichter Hand zu schöpfen, auf Institutionen auch außerhalb Roms zu übertragen. Europaweit erhielten einzelne Städte, hohe Repräsentanten und Konvente die Lizenz, „Fiatgnade“ unters Volk zu bringen. Gnadenemittent letzter Instanz blieb die Zentrale in Rom.
Als folgenschwer erwies sich die Praxis, flüchtige Papstgnade in Gestalt von Beicht- oder Ablassderivaten zu verbriefen, sogenannten Beicht- beziehungsweise Ablassbriefen. Denn ein solcher Ablassbrief konnte nun erstmals – und zwar auf unbegrenzte Zeitdauer – flüchtige, verbal zugesprochene Gnade speichern. Mit dem Beichtbrief erwarb sein Besitzer gewissermaßen Buchgnade, die er – wann immer er wollte – in Realgnade einlösen konnte.
Der Eintauschvorgang ist, rein abstrakt betrachtet, dem Einlösen einer Staatsanleihe in Geld vergleichbar. Wenn man so will, zeichnete die Papstkirche Gnadenschatzanleihen und brachte sie in großem Stil in Umlauf. Seit Erfindung des Papiers und vor allem des Buchdrucks ging das problemlos vonstatten. Die ersten Massenauflagen betreffen Ablässe!
Dynamisiert durch den Buchdruck strömte am Vorabend der Reformation Gnade in Form von Gnadenschatzanleihen unkontrolliert und massenhaft in das System. Als Folge der ungeheuren Ausweitung der Gnadenmenge bildete sich eine Blase, die Luther mit seinen Thesen schließlich zum Platzen brachte.
Der Kollaps der Papstkirche erfolgte daraufhin unvermittelt und mit ungeheurer Wucht. „Ganz so wie Johann Wolfgang Goethe in der berühmten Papiergeldszene in Faust II die Assignaten als Papiergespenst der Gulden entzauberte, entlarvte Martin Luther den Ablass als Papiergespenst der Gnade. Am Ende war alles nur ein Spuk! Der Schein (gleich Ablasszettel) erwies sich am Ende als Schein (gleich Illusion, Täuschung)“, diagnostizierte Ulrich von Hutten ebenso scharfzüngig wie genialisch.
Wissenschaft ist sich per se nie einig
Seit einigen Jahren erleben wir nun eine Renaissance dieser Vorgänge, jedoch in einem etwas anderen Gewand und auf Basis anderer Umstände. Über die Jahre wurde das mittlerweile recht starke CO₂-Narrativ aufgebaut. Der durch die Menschen verursachte CO₂-Ausstoß soll maßgeblich für die Veränderung der Temperaturen verantwortlich sein, so die These.
Ich persönlich habe weder die Expertise noch die Informationen, um diese These und die damit verbundenen höchst dynamischen Prozesse unseres Planeten zu widerlegen oder zu belegen. Jedoch bin ich sehr, sehr kritisch und sehe im Hintergrund eher das Wirken gewaltiger wirtschaftlicher und politischer (freiheitseinschränkender) Interessen. Zudem werde ich extrem kritisch, wenn in permanenter Wiederholungsschleife veröffentlicht wird, die Wissenschaft sei sich einig. Wissenschaft ist sich nie einig, ansonsten ist es keine Wissenschaft!
Überdies existiert eine immense Anzahl wissenschaftlicher Ausarbeitungen, welche die CO₂-These widerlegen – wie diesen Artikel aus der „Welt“ mit dem Titel „Die CO₂-Theorie ist nur geniale Propaganda“. In dem Beitrag bezieht sich der Autor auf 800 wissenschaftliche Arbeiten, die gegen die CO₂-Erzählung sprechen.
Es ist insofern höchst verwunderlich und sollte zum Nachdenken anregen, dass in der veröffentlichten Meinung kein Bezug auf diese durchaus beachtliche Anzahl kritischer Ausarbeitungen genommen wird.
Wo ist die Diskursfähigkeit dieser einst so offenen Gesellschaft hin? Warum diffamiert man die CO₂-Kritiker als „Leugner“ und bedient sich damit der schwarzen Rhetorik, indem man das Wort „Holocaust“ durch „Klimawandel“ ersetzt, um nicht gewünschte Wissenschaftler „schachmatt“ zu setzen?
Schuld und Ablasshandel mit CO₂
Sind hier psychoanalytisch erfahrene Strategen am Werk, die sich fragwürdiger Methoden bedienen, um Wissenschaftler mit möglicherweise besseren Argumenten direkt aus dem Rennen zu nehmen?
Es geht nach meiner Beurteilung definitiv um das Thema Massenpsychologie, also darum, die Menschenmassen zu beeinflussen, um gewisse Zwangsmaßnahmen (Heizungsverbote, CO₂-Zertifikate, CO₂-Steuern und so weiter) argumentieren zu können.
Augenscheinlich scheint ein großer Teil der Menschen diesem Narrativ zu folgen, und um den CO₂-Ausstoß staatlich zu begrenzen, hat man die CO₂-Zertifikate ins Leben gerufen. Wenn man sich schuldig macht, CO₂ auszustoßen, dann sieht man sich dem Zwang ausgesetzt, diese Zertifikate zu erwerben. So ist es möglich, sich dieser Moralschuld zu entledigen.
Ab dem 1. Januar 2021 kam es zu einer mehr oder weniger (eher weniger) subtilen Steuererhöhung für die Verbraucher. An der Zapfsäule, beim Öl- und Gaspreis und bei den Stromkosten belastet die CO₂-Steuererhöhung (CO₂-Bepreisung) seither das Portemonnaie der privaten Haushalte. Transportkosten erhöhen sich logischerweise auch, und sämtliche Unternehmen schlagen die CO₂-Kosten auf ihre Endpreise auf, was wiederum auch den Endverbraucher belastet.
Klare Wettbewerbsverzerrung
Die Industrie sieht sich indes einem erheblichen Standortnachteil ausgesetzt. Regulierung, Energiepreise, Lohnkosten, Lohnnebenkosten, Steuern und die Aufwendungen für die Erfüllung der Bürokratie nehmen hierzulande jeweils den globalen Spitzenplatz ein.
Seit 2015 sind klare Abwanderungstendenzen der produzierenden Unternehmen zu beobachten, wobei die Dynamik seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs zugenommen hat, und die De-Industrialisierung ist in vollem Gange. Auch die Kosten für die CO₂-Zertifikate schlagen in Form eines globalen Wettbewerbsnachteils zusätzlich zu Buche und belasten Privathaushalte gleichermaßen wie Unternehmen. In China oder den USA werden die abwandernden Unternehmen mit offenen Armen empfangen. Mit den Unternehmen wandern die Wertschöpfung und der Wohlstand in die jeweiligen Länder ab.
Interessant ist zudem, dass beispielsweise ein deutsches stahlproduzierendes Unternehmen oder ein Automobilbauer (angetrieben durch Diesel oder Benzin) die Zertifikate erwerben muss, während der Automobilkonkurrent Tesla, als Hersteller für Elektroantriebe, Zertifikate gutgeschrieben bekommt und diese verkaufen kann. 1,6 Milliarden US-Dollar vereinnahmte Tesla so im Jahr 2020.
Für das Geschäftsjahr 2020 wies das Unternehmen einen Gewinn von 721 Millionen US-Dollar aus. Ohne die Einnahmen aus den CO₂-Zertifikaten hätten bei Tesla satte 891 Millionen US-Dollar Verlust in den Büchern gestanden. In Fachkreisen kursierte augenzwinkernd immer mal wieder das böse Wort der Schutzgelderpressung.
De facto handelt es sich bei der Installation der CO₂-Zertifikate aus meiner Sicht um eine klare Wettbewerbsverzerrung, und zwar vornehmlich zulasten der „alten Industrien“ in Deutschland.
Die Tatsache, dass Subventionen im Allgemeinen (Kaufprämie für ein Elektroauto) und CO₂-Umverteilungsprozesse die Wirtschaftsrechnung negativ beeinträchtigen, ist ökonomisch betrachtet mehr als offensichtlich. In einer Marktwirtschaft sind Gewinne der Lohn dafür, die Bedürfnisse der Kunden befriedigt zu haben.
Tesla hätte 2020 einen massiven Verlust eingefahren, wird aber quasi von der deutschen Automobilindustrie über die Zertifikate per gesetzlichen Zwang bezuschusst. Augenscheinlich spielen hier große wirtschaftliche Interessen und Lobbyarbeit eine enorme Rolle. Ohnehin ist es als höchst bedenklich anzusehen, dass sich Großkonzerne und Staatslenker über das Weltwirtschaftsforum zusammenschließen und die grüne Revolution als mögliches Mittel gegen den Mittelstand ausrufen.
CO₂-Zertifikate als Subventionen und Steuerbelastung
Die Tatsache, dass man die CO₂-Papiere an der Börse handeln kann, macht sie keineswegs zu einem marktwirtschaftlichen Element. In einer Marktwirtschaft würde es diese Finanzderivate aus Gründen der Leistungslosigkeit nicht geben.
Die CO₂-Zertifikate stellen eine Mischung aus Subvention zugunsten der staatlich begünstigten „grünen Unternehmen“ und zusätzlicher Steuerbelastung dar. Der Produktivität und folglich dem Wohlstand des Landes ist nicht gedient.
Im Gegenteil: Der Fokus auf marktwirtschaftliche Allokationsprozesse geht immer weiter verloren und durch die Steuern fließt mehr Liquidität von der Effizienz (gut wirtschaftende Unternehmen und Privathaushalte) in die Ineffizienz (zum Staat). CO₂-Zertifikate und auch die „Klimaverbotspolitik“ sind rein planwirtschaftliche Elemente. Dabei hat sich die Marktwirtschaft im Rahmen der Weiterentwicklung der Menschheit ganz klar und nachweislich als die effizienteste und ressourcenschonendste Form der Güterverteilung erwiesen.
Umwelt und Ressourcenschutz ist übrigens auch überhaupt nicht mit einer inflationären Geldmenge und einer künstlichen beziehungsweise zentral gesteuerten Zinsgestaltung vereinbar. Scheinbar hat das kein Protagonist der Umweltbewegung (und der Institutionen) intellektuell durchdrungen oder durchdringen wollen.
Gleichgültiger Umgang mit Ressourcen
Staat, Geldmengenausweitung/Inflation und Ressourcenverschwendung sind untrennbar miteinander verbunden. Das ist ein Sonderthema, dem ich mich einmal gesondert widmen werde. Nur so viel: Staatliche Projekte wie Stuttgart 21, der Berliner Flughafen und einige andere unrühmliche Beispiele der planwirtschaftlichen Verschwendung lassen erahnen, wie wenig sorgsam der Staat kalkuliert und wie gleichgültig er mit den Ressourcen der Umwelt und jener, die diesen Apparat finanzieren, umgeht.
Das eklatanteste mir bekannte Beispiel für die Verschwendung durch den Staat beziehungsweise in diesem Fall durch die EU ereignete sich in Tschechien. Dort wurden 900 Millionen Euro EU-Fördermittel (siehe „Welt“-Artikel „Hunderte Förderprogramme der EU sind illegal“) für eine Hubbrücke beantragt, bewilligt und auch ausgegeben. Die Brücke wurde für dreistöckige Containerschiffe gebaut.
Jedoch fahren dort derartige Schiffe gar nicht, und so steht dieses Bauwerk ziemlich zweckentfremdet in der Welt. Beton, Stahl, menschliche Arbeit und andere Ressourcen wurden ohne Sinn und Verstand verschwendet. Ohne Geld per Mausklick beziehungsweise Buchungssatz aus dem Nichts, also rein aus Steuern, wären derartige Projekte gar nicht finanzierbar.
Acht Vorschläge für eine ressourcenschonende Welt
Meinen „Kurz-Vorschlag“ für eine neue Aufklärung und eine bessere ressourcenschonende Welt würde ich wie folgt auf den Punkt bringen:
Erstens: Den Staat aus den skizzierten und anderen Projekten komplett ausschließen und diese unternehmerisch/marktwirtschaftlich angehen.
Zweitens: Absolut konstantes Geld (konstante Geldmenge) mit einem Zins, als Preis des Geldes, der sich durch dezentrales Geldangebot, Geldnachfrage und auf Basis der Kreditwürdigkeit des Schuldners bildet. Schuld wie im aktuellen Fiatgeld-System als Gelddeckungsmittel ist ungeeignet. Daher ist eine werthaltige Deckung durch Edelmetalle, elektrische/thermische Energie oder Ähnliches unabdingbar.
Drittens: Das dezidierte Hinterfragen des Staates als solchen und die Reduzierung des Staates auf die Kernaufgaben: innere, äußere Sicherheit und ein solider Rechtsrahmen, der die rechtlichen Eckpfeiler der freiwilligen Kooperation setzt.
Viertens: Der Staat als oberplanwirtschaftliche Instanz sollte, so wie es der Fürst von und zu Liechtenstein in seinem Buch ausführte, sich eher als Dienstleister verstehen.
Fünftens: Freie Privatstädte als Gegenentwurf etablieren, um sich dem Prozess des Experimentierens und der menschlichen Evolution nicht länger in den Weg zu stellen.
Sechstens: Verschiedene Staatsmodelle in konkurrierender Art und Weise gegeneinander antreten lassen. Es braucht Wettbewerb in diesem wichtigen Markt der Menschheit, damit sich das ressourcenschonendste Modell durchsetzt.
Siebtens: Staatliche Kartelle (EU, Weltwirtschaftsforum und Co.) abschaffen.
Achtens: Technologischer Fortschritt vollzieht sich immer von unten nach oben und nie per Diktat durch eine Obrigkeit. Chinas verschwundene Seemacht sollte als mahnendes geschichtliches Beispiel dienen. Folglich sollte sich ebendiese Obrigkeit, so es sie denn noch gibt, aus diesem Prozess komplett heraushalten.
Der Kaiser blieb bei der Pferdekutsche – und ließ Automobile zu
Abschließend sei noch auf ein Zitat des letzten Kaisers des damaligen Deutschen Reiches verwiesen. Er soll nicht an die Zukunft des Automobils geglaubt haben und war eher ein Fan der Pferdekutsche.
Er irrte gewaltig, und die Menschen nahmen schrittweise Abkehr von der Kutsche und genossen in den darauffolgenden Jahrzehnten die Produktivitätsfortschritte, die das Automobil ermöglichte. Die Wohlstandsgewinne waren bekanntermaßen enorm.
Immerhin verbot der Kaiser das Automobil mit Verbrennungsmotor nicht. Insofern war er dem menschlichen Handeln und der freiwilligen Kooperation zugewandter, als es die heutige Obrigkeit ist.
Die besten Technologien haben sich auf Dauer durchgesetzt, und zwar durch freiwillige Nachfrage des Souveräns, indem der private Kunde bestimmte Produkte abgelehnt und andere angenommen hat.
Hätte der Kaiser so agiert wie die heutigen Protagonisten, dann würden die Menschen in Deutschland womöglich heute immer noch mit der Kutsche fahren. In unserer Zeit dann bald vielleicht ausschließlich mit dem Lastenfahrrad und möglicherweise auch bald wieder mit der Pferdekutsche.
Über den Autor
Benjamin Mudlack ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Wirtschaftsinformatiker. Er ist Vorstandsmitglied der Atlas Initiative, Mitglied der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und begleitet aktiv einige andere freiheitliche Projekte wie das Free Economic Forum und den YouTube-Kanal „Der ökonomische IQ“. Im November 2021 veröffentlichte er das Buch „Geldzeitenwende: Vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“.
Der Artikel erschien zuerst bei Freiheitsfunken.info unter dem Titel: Renaissance der Moralschuldverbriefung
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