Frankreichs Schulden sind systemrelevant: Risikoaufschläge an den Bondmärkten setzen Alarmzeichen

In mehreren europäischen Staaten laufen die Haushalte aus dem Ruder. Schwergewichte wie Frankreich, Spanien und Italien taumeln. Das kann gravierende Folgen für die Währungsunion haben.
Frankreichs Präsident Macron sieht in der Waffenruhe eine Chance für den Libanon. (Archivbild)
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. (Archivbild)Foto: Michel Euler/AP Pool/AP/dpa
Von 5. Dezember 2024

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Frankreich schiebt 3,2 Billionen Euro Schulden vor sich her. Spitzenreiter in Europa! Nun gefährden gestiegene Zinsen die finanzielle Stabilität.

Seit dem Jahr 1974 hat Frankreich keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Das letzte Mal, als die französische Regierung einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen konnte, war im Jahr 1973 unter der Präsidentschaft von Valéry Giscard d’Estaing. Im Laufe des darauffolgenden halben Jahrhunderts zeigten sich die Regierungen von rechts wie von links gegenüber den Haushaltsdefiziten vollkommen gleichgültig.

3.200 Milliarden Euro Schulden

Inzwischen haben sich 3.200 Milliarden Euro Schulden in Rekordhöhe angehäuft. Schnell wird aus ökonomischer Sicht klar, dass dies nicht nur innenpolitisch ein Problem ist. Es ist nicht so, als hätte man es nicht kommen sehen. Aber in Frankreich schließt man vor Finanzproblemen lieber die Augen. Auch der neue Rekord erregt nicht gerade die Gemüter in der Gesellschaft. Dabei wäre eine Alarmstimmung dringend nötig – auf allen Ebenen!

Schon jetzt ächzt die Wirtschaft der zweitgrößten Volkswirtschaft in der EU unter einem Schuldenberg von rund 111 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das Haushaltsdefizit lag im vergangenen Jahr bei 5,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Erlaubt sind nach den Kriterien des Maastricht-Vertrags lediglich 3 Prozent Defizit und eine Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent des BIP.

In Italien sieht es zwar noch schlimmer aus, wenn es um die Staatsfinanzen geht. Das Defizit lag dort im Jahr 2023 bei 7,4 Prozent, die Staatsschulden rangieren bei rund 140 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung. Aber anders als in Frankreich sind die politischen Verhältnisse dort klar.

Ein Leben auf Pump

Wie kann sich Frankreich das eigentlich alles leisten? Pompöse, glanzvolle Olympische Sommerspiele in Paris, viel billigeren Strom, niedrige Steuern für Familien, schneller in Rente – dafür aber mit einem höheren Niveau als in Deutschland.

Der französische Staat lebt seit Jahrzehnten auf Pump, die Staatsschuld steigt und steigt. Maßnahmen zur Defizitreduzierung sind Mangelware. Frankreich bekommt seine Haushaltsprobleme nicht in den Griff – das Land nimmt in der EU einen Spitzenplatz ein. Damit ist Frankreich nach Griechenland und Italien das am höchsten verschuldete Land der EU.

Dem Schuldenkönig Europas droht eine griechische Schuldenkrise

Am Donnerstag vergangener Woche war es das erste Mal so weit: Frankreichs Renditen auf zehnjährige Staatspapiere waren höher als die für griechische Papiere mit gleicher Laufzeit. Frankreich musste seinen Gläubigern mehr zahlen als Griechenland, Europas einstiges Schuldensorgenkind. Immer mehr Investoren blicken skeptisch auf Frankreich und verkaufen Bonds, die Kurse sinken, sodass gleichzeitig die Renditen auf zeitweise über drei Prozent gestiegen sind.

Der Risikoaufschlag – der sogenannte Spread – zwischen französischen Staatsanleihen und Bundesanleihen kletterte bis auf 90 Basispunkte, so viel wie seit der Euro-Schuldenkrise 2012 nicht mehr.

Als sicherer Gradmesser für die Angst der Kapitalmärkte gelten Prämien für Kreditausfallversicherungen (CDS). Im Fall Frankreichs steigen diese aktuell, besonders für langlaufende Papiere. Für Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit liegen die Prämien schon so hoch wie zur Pandemiezeit.

„Im Herzen Europas brennt die Hütte“

„Im Herzen Europas brennt die Hütte“, kommentieren viele Analysten. Dieses Szenario ist zweifellos das größte Risiko für die Eurozone in kommenden Zeiten. Je länger Frankreichs Haushaltskrise anhält, desto wahrscheinlicher wird es, dass die großen Ratingagenturen S&P oder Moody’s ihre Bonitätsnote überdenken. Wird die Kreditwürdigkeit herabgestuft, würde das die Anleiherenditen noch mal deutlich nach oben treiben.

Die finanzielle Lage Frankreichs wird die Finanzmärkte noch lange beschäftigen. Eine neue Eurokrise liegt im Bereich des Möglichen. Dafür hat die EZB auch nach der Euro-Schuldenkrise einen vollen Instrumentenkasten. Im Rahmen ihres sogenannten „Transmission Protection Instruments“ (TPI) darf sie sogar unbegrenzt französische Staatsanleihen kaufen. Allerdings nur, wenn die Finanzierungsbedingungen sich ungerechtfertigt verschärfen und der Renditeanstieg ungeordnet stattfindet. Die finanzielle Situation ist brandgefährlich.

Es bleibt ungewiss, wann und wie das Land seine aktuellen Budgetprobleme in den Griff bekommt. Nach der Corona-Krise und den Belastungen des Ukraine-Kriegs ist es um deren Finanzen kaum besser bestellt als zur letzten Euro-Schuldenkrise vor zwölf Jahren.

Vertrauenskrise unwahrscheinlich

Eine Vertrauenskrise wie zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts erscheint noch angesichts der Solidarität der Euro-Staaten derzeit unwahrscheinlich. Es wäre allerdings kein günstiger Zeitpunkt, diese Solidarität auf eine erneute Probe zu stellen.

Es ist ein Tanz am Rande des Vulkans. Mancher in Frankreich zieht bereits Vergleiche zu Griechenland im Jahr 2010: ein hoch verschuldeter Staat, geführt von einem dysfunktionalen politischen Apparat, der nicht in der Lage ist, die öffentlichen Finanzen zu managen.

Griechenland taumelte damals Richtung Staatspleite. Der erste Dominostein der Eurokrise. Weitere folgten – Irland, Portugal, Zypern … Immer wieder stand die Eurozone damals vor Situationen, in denen ein Scheitern Europas als reale Gefahr aufschien.

Die griechische Krise dauerte bis zum Jahr 2015, weil es lange Zeit nicht gelang, einen politischen Konsens zu erzielen, der der düsteren finanziellen Lage des Staates gerecht geworden wäre. Es stand damals sogar die Idee im Raum, das Land aus dem Euro zu werfen. Ein drastischer Schritt, der den Euro und die europäische Integration insgesamt hätte beenden können. Die Regierungen schreckten letztlich doch davor zurück.

Frankreich ist systemrelevant

Frankreich ist eindeutig systemrelevant: die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Mitglied der G7 und des UN-Sicherheitsrats. Das Land hat heute Schulden von 3,2 Billionen Euro, fast zehnmal so viel wie Griechenland damals.

Kein europäischer Rettungsschirm reicht aus, um solche Summen zu stabilisieren. Ganz klar: Frankreich ist zu groß und zu hoch verschuldet, als dass es durch eine solidarische EU-Gemeinschaftsaktion so einfach aufgefangen werden könnte. Sollte es zu einer akuten Staatsschuldenkrise kommen, wären die Folgen für den Euro und die EU gravierend. Rien ne va plus?

Schlimmer noch: Angesichts der veränderten internationalen Bedrohungslage wäre eine erneute und umso tiefere Eurokrise ein geostrategisches Desaster sondergleichen. Im Ringen mit Russland, China und Donald Trumps Amerika ist Europa auf ein leistungsfähiges Frankreich dringend angewiesen. Nur gemeinsam werden wir gegen die Bedrohungen bestehen können. In Frankreich zeigt sich, wie ein toxischer Mix aus hoher Verschuldung, Politikversagen und steigenden Zinsen Europa in Bedrängnis bringt.

Risiko einer Kettenreaktion

Die aktuellen Risikoaufschläge, die inzwischen auf französische Anleihen fällig werden, zeigen, wie stark das Vertrauen der Gläubiger angeknackst ist. Sie dürften noch weiter in die Höhe schießen, sollten die Franzosen mit dem Haushalt scheitern.

Die Nervosität resultiert aus dem Risiko einer Kettenreaktion: Steigende Zinsen verteuern den Schuldendienst weiter und reißen noch größere Löcher in den Haushalt – schlimmstenfalls eine unentrinnbare Abwärtsspirale.

Erstaunlich ist, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Als die Währungsunion begann, hatten Frankreich und Deutschland in etwa gleich hohe Schuldenlasten – links und rechts des Rheins lagen die Verbindlichkeiten bei 60 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung. Deutschland ist heute immer noch auf diesem Niveau, Frankreich jedoch aktuell bei 111 Prozent, wie der IWF schätzt.

Nur die EZB könnte Frankreich retten

Es ist immer die gleiche Geschichte: Bei hohen Schulden und steigenden Zinsen rücken Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen auf die Agenda. Und wenn die Sache schiefgeht? Was passiert, wenn Frankreich tatsächlich in eine Spirale aus steigenden Zinsen und immer höheren Schulden hineingesogen wird, aus der es sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien kann? Der Euro-Rettungsschirm ESM wird Frankreich nicht auffangen können, der IWF auch nicht.

Die einzige Institution, die genug Mittel hat, ist die Europäische Zentralbank (EZB). Da die EZB selbst prinzipiell unbegrenzt Geld schaffen kann, könnte sie Frankreich beispringen, also Anleihen vom Markt kaufen und so Kurse und Zinsen stabilisieren. Das entsprechende Instrument ist seit Herbst 2012 in Kraft – das OMT-Programm („Outright Monetary Transactions“).

Und dann kommen wir alle wieder ins Spiel – der Euro, die EU und das „Brüsselsorium“ sind eben ein fragiles Laborexperiment – so wie ich es schon mehrfach beschrieben habe. Die Schuldentragfähigkeitsanalyse mit ihrer Gewichtung auf die künftige Belastung durch Renten und Zinsen wird nicht nur Frankreich beschäftigen.

Zum Autor:

Rolf B. Pieper ist gelernter Bankkaufmann, Ex-Investmentbanker, Journalist, Autor, Vortragsredner, internationaler Finanzmarktexperte sowie Entwickler der Portfoliotheorie „TRIVERSIFIKATION“ sowie der „Wahre-Werte-Strategie“.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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