Ethnologin Schröter wirft Islam-Verbänden „zielgerichtete Durchsetzung islamischer Normen“ vor
In einem Gastbeitrag für den „Bayernkurier“ der CSU warnt die Direktorin des „Forschungszentrums Globaler Islam“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main, Susanne Schröter, vor mehreren in Deutschland aktiven Islamverbänden. Diese, so die Ethnologin, die im vergangenen Sommer ein Buch zum Thema „Politischer Islam“ herausgebracht hatte, würden derzeit proaktiv versuchen, „islamische Normen in der deutschen Gesellschaft zu implementieren“.
Vor allem drei organisatorische Komplexe spielten dabei eine entscheidende Rolle. In dem einen Fall handele es sich um die DITIB, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, die – wie der Name schon sagt – organisatorisch der 1924 gegründeten türkischen Religionsbehörde Diyanet zugeordnet ist.
DITIB – die Stimme Ankaras im öffentlichen Leben Deutschlands
Schröter zufolge agitiere die DITIB unter ihren Mitgliedern und Moscheebesuchern im Sinne der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. So etwa beim Gebet für die türkischen Soldaten, die in Nordsyrien gegen Stellungen der kurdischen „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) vorgehen, und zuvor schon bei der Rechtfertigung der Politik Ankaras nach dem Putschversuch 2016.
Damals berichteten Medien unter Berufung auf Erkenntnisse von Sicherheitsbehörden beispielsweise, dass der türkische Geheimdienst DITIB-Gemeinden nutze, um Oppositionelle innerhalb der türkischen Einwanderercommunity in Deutschland auszuspionieren. Einigen bekannten Exponenten, der in der Türkei seit 2014 verfolgten Freiwilligenbewegung Hizmet, die sich auf den Prediger Fethullah Gülen beruft, wurde der Zutritt zu DITIB-Moscheen verweigert.
Auf Homepages der DITIB sei zudem gegen Juden, Christen und den Westen gehetzt worden, schreibt Schröter. Nachweislich war es im Sommer 2014 auf einer von der DITIB organisierten Kundgebung gegen die israelische Antiterror-Offensive in Gaza zu antisemitischen Sprechchören gekommen. In zwei Einrichtungen der DITIB hätten sich zudem Jugendgruppen radikalisiert und sich als Terroristen dem so genannten „Islamischen Staat“ angeschlossen. Repräsentativ erscheint dies allerdings nicht: Die DITIB betreibt zurzeit etwa 900 Moscheen im gesamten Bundesgebiet. Ihr Umfeld soll bis zu einer Million deutscher Muslime betragen.
Das Bundesland Hessen hat jüngst angedeutet, die seit 2013 bestehende Zusammenarbeit mit dem Landesverband der DITIB im Bereich des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht beenden zu wollen. Schröters Einschätzung bestätigt die Begründung der hessischen Landesregierung. So habe die DITIB nach Auffassung des hessischen Kultusministeriums „eine hinreichende Unabhängigkeit von Ankara“ bislang „nicht unter Beweis gestellt“.
Ist Stärke der DITIB Ursache oder Wirkung von Desintegration?
Die DITIB weist diese Darstellung zurück. Der Landesverband habe, so erklärte dessen Sprecher Salih Özkan, im Vorjahr sogar seine Satzung geändert, um eine Unabhängigkeit des hessischen Verbandes, sowohl von der türkischen Regierung als auch vom Bundesverband der DITIB, festzuschreiben. Allerdings scheint es nach wie vor eine finanzielle Abhängigkeit zu geben und, wie es der Seite des Verbandes selbst zu entnehmen ist, hat der oberste Religionsrat der DITIB bei der Bestellung des religiösen Beirats im Bundesland selbst – trotz eines Vorschlagsrechts – das letzte Wort.
Schröter wirft der DITIB vor, „entscheidend zur Desintegration türkischstämmiger Bürger in Deutschland“ beizutragen – obwohl staatliche, kirchliche und zivilgesellschaftliche Organisationen sich zur Zusammenarbeit bereit zeigten und der Verband auch in Beiräten der islamischen Theologie an staatlichen Universitäten oder in Rundfunkräten vertreten sei. Kritiker dieser These wenden ein, dass die Hinwendung vieler türkischer Einwanderer – auch aus der zweiten und dritten Generation – zum türkischen Staat, zur DITIB und zu Erdoğan nicht die Ursache, sondern die Folge einer Desintegration sei. Diese habe auch mit Erfahrungen sachlich nicht gerechtfertigter Benachteiligung und mit fehlenden Identifikationsanreizen vonseiten der Mehrheitsgesellschaft zu tun.
Die DITIB selbst betreibt gemessen an ihrer Größe und Bedeutung relativ wenig an Öffentlichkeitsarbeit gegenüber der deutschsprachigen Öffentlichkeit. Die deutschsprachige Webseite wird unregelmäßig mit Nachrichten oder deutschsprachigen Publikationen bestückt. Auch auf Facebook ist die Präsenz überschaubar.
„Takkiye“ als Taktik?
Als zweiten Islamverband mit problematischer Ausrichtung nennt Schröter die „Islamische Gemeinde Milli Görüs“ (IGMG), die bereits seit mehreren Jahrzehnten von mehreren deutschen Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird. Sie beruft sich auf die Vorgaben des Gründers und ehemaligen türkischen Premierministers Necmettin Erbakan, dessen Vision einer „Gerechten Ordnung“ deckungsgleich mit einem Gemeinwesen ist, das nach den religiösen Geboten des Islam funktioniert. Erdoğan war lange Jahre im politischen Umfeld Erbakans aktiv, sagte sich jedoch 2001 gemeinsam mit weiteren früheren Weggefährten von dessen wiederholt verbotenen parteipolitischen Projekten los, um die spätere Regierungspartei AKP zu gründen.
Schröter schreibt, Erbakan habe einst „Takkiye“ als Taktik empfohlen – „das Lügen für die islamische Sache, um eventuelle Widerstände klug zu umschiffen“. Einen Beleg dafür führt sie nicht an. Bis dato wurde Erbakan diese Vorgehensweise stets von dritter Seite zugeschrieben. Im sunnitischen Islam ist diese Form der Täuschung nach Auffassung aller führender Rechtsschulen auch nur im Fall der Lebensgefahr zulässig – anders als im schiitischen Islam, wo der Begriff der „Notlüge“ weiter gefasst wird.
Dass im Umfeld der IGMG, die in Deutschland 323 Moscheen und darüber Frauen-, Jugend-, Schüler-, Bildungs-, Kultur- und Sportvereine betreibt, jedoch Sympathien für radikal-islamische Bestrebungen von den Muslimbrüder über die Hamas bis hin zu Erbakans Partei „Saadet“ bestehen, ist zum Teil aus öffentlichen Äußerungen von Funktionären oder aus Publikationen selbst erkennbar – und der Verfassungsschutz hat über die Jahrzehnte hinweg viele davon dokumentiert. Eine Verschleierungstaktik würde sich vor diesem Hintergrund eher erübrigen. Allerdings ist die Gemeinde im Laufe der vergangenen Jahre in der Außendarstellung professioneller und vorsichtiger geworden, nachdem einzelne Verfassungsschutzämter anklingen ließen, dass ein Ende der Beobachtung der IGMG nicht auszuschließen sei.
Aiman Mazyek – der Medienprofi unter den Verbandschefs
Zahlenmäßig verhältnismäßig wenig bedeutend, aber dank der Medienaffinität ihres Sprechers Aiman Mazyek in der Öffentlichkeit stark vertreten ist der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ (ZMD), den Schröter als dritte islamische Pressure Group nennt, die sich um eine Durchdringung der Gesellschaft bemühe. Anders als DITIB und IGMG, die schon infolge ihrer Herkunft und Geschichte vorwiegend in der türkischen Community verankert sind, sind es beim ZMD vor allem arabische Muslime, aber auch deutsche Konvertiten, die sich am häufigsten dort organisieren.
Schröter wirft dem ZMD vor, eine „Reihe höchst problematischer Vereine“ zu versammeln. Die größte Einzelorganisation ist die ultranationalistische „Union der türkischen Kulturvereine“, die der „Partei der Großen Einheit“ (BBP) nahesteht – einer Formation der „Idealistenbewegung“, zu der auch die militanten „Grauen Wölfe“ gehören. Außerdem fänden auch bekennende Anhänger der Muslimbruderschaft, sofern sie nicht den Weg in die IGMG gefunden haben, im ZMD ein ruhiges Hinterland vor.
Die Frankfurter Ethnologin macht in ihren Schriften deutlich, dass es beim politischen Islam „nicht um ‚den‘ Islam geht, sondern um eine spezifische Ausprägung dieser Religion“. Allerdings instrumentalisierten die Verbände des politischen Islam religiöse Fragen, um politische Forderungen zu setzen und Machtansprüche zu behaupten.
Die Weigerung muslimischer Eltern, Mädchen zum koedukativen Schwimm- oder Sportunterricht zu schicken, Forderungen nach strikterer Geschlechtertrennung und das Beharren auf dem Kopftuch bereits im Grundschulalter seien demnach häufig ein Ausdruck des Bemühens, islamischen Regeln auch in der Mehrheitsgesellschaft Geltung zu verschaffen.
Halal-Zwang in der Schulkantine?
Auch „religiöses Mobbing“ nehme zu, beklagt Schröter:
„Es trifft nichtmuslimische Kinder, die als Ungläubige beschimpft werden, aber auch muslimische Kinder, die sich den Spielregeln nicht unterwerfen, die in den Moscheen verkündet werden. Der Druck, während des Ramadans zu fasten, am Freitag in die Moschee zu gehen und keine Freundschaft mit nichtmuslimischen Mitschülern einzugehen, wächst stetig.“
Es käme auch zu Beleidigungen gegenüber Lehrerinnen, Dauerkonflikten über die Reichweite des staatlichen Neutralitätsgebots oder „vermehrte Fälle von Frauen, die mit Gesichtsschleier an universitären Seminaren teilnehmen oder sogar Prüfungen ablegen wollten“. In vielen Kantinen gebe es kein Schweinefleisch mehr und in einigen Schulen hätten muslimische Eltern durchgesetzt, dass „Fleisch nur noch aus islamkonformen Metzgereien von geschächteten Tieren bezogen wird“.
Sobald sich Widerstand gegen die „zielgerichtete Durchsetzung islamischer Normen“ zeige, werde vonseiten der Vertreter des politischen Islam der Vorwurf der „Islamophobie“ oder des „antimuslimischen Rassismus“ erhoben, schildert Schröter.
Erst im Mai des Jahres war Schröter selbst ins Visier einer anonymen Kampagne mutmaßlicher Sympathisanten des politischen Islam geraten, als sie in Reaktion auf eine Ausstellung über muslimische Mode im Frankfurter Museum für angewandte Kunst eine Podiumsdebatte zum Thema „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ initiiert hatte. Feministische Kräfte hatten die Ausstellung beanstandet, da diese Exponate aus mehreren mehrheitlich islamischen Staaten ohne zugehörige politische Handreichungen zeigte.
Eine Gruppe „Uni gegen AMR – Kein Platz für Anti-Muslimischen Rassismus“ warf Schröter und ihrem Institut daraufhin „anti-muslimische Ressentiments“ vor und verlangte ihre Entlassung. Universitätsleitung und AStA stellten sich jedoch hinter die Professorin. Sie selbst wies jeden Vorwurf der Islamfeindlichkeit zurück. Sie habe bewusst auch Befürworterinnen und Trägerinnen des Kopftuchs eingeladen und solche seien auch erschienen.
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