Doktorarbeit: Erwischt werden und Verantwortung
Der Schrecken für Journalisten ist manchmal groß: Wenn sie etwa vergessen haben, die Quelle eines Zitats zu nennen! Sogar die Anführungszeichen fehlen! Was das wieder kosten wird?
Denn wenn jemand aus der schreibenden Zunft sich nicht eisern an die Spielregeln des Urheberrechts hält, dann wird das oft teuer. Ganze Reihen von Anwaltskanzleien haben sich darauf spezialisiert, mit Abmahnungen wegen Plagiarismus ihr Geld zu verdienen. Und nicht wenig Geld, denn auch hier macht’s die Masse. Die Masse derer, die sich nichts dabei denken, mal eben eine gerade gelesene Passage oder einen schicken Satz eines Kollegen ganz respektvoll von einem veröffentlichten Artikel, in das noch unfertige eigene Werk zu übernehmen, um damit den Wert zu erhöhen, wächst ebenfalls. Oder einfach, um mehr Eindruck zu schinden, was man alles weiß, was man so gelesen hat, womit man so hantieren kann. Schreiben ist schließlich Handwerk. Aber Handwerk hieß bisher in jedem Fall, man hält sich an die Regeln und Gesetze seiner Zunft.
Tricksen, Mogeln und Beschummeln ist in unserer Gesellschaft allerdings fast ein Gesellschaftssport geworden, nicht nur wenn’s ums Finanzamt geht. Mit einem Laptop oder i-Pad lernen schon die Kleinsten, wie man seine Hausaufgaben nicht mehr selber machen muss, irgendwo im Internet wird schon irgendwer genau das veröffentlicht haben … und schon ist dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Vor allem aber dem Selbstbetrug, denn wer so handelt, hält sich selbst für klüger als seine Lehrer und lernt dabei aber nicht wirklich das, was er für die Prüfungen und das Leben braucht.
Jemand der fähig sein will, der hat Ziele und meist auch gesellschaftstaugliche Werte, der will auch Verantwortung tragen für sich und andere. Welche Ziele und Werte hat denn jemand, der trickst? Wohin geht die Reise in diesem Land, wenn Trickser und Betrüger so große Sympathie genießen?
In den USA wird man zu Beginn einer Doktorarbeit in jedem Fall, manchmal über Wochen, mit dem Ehrenkodex konfrontiert, dessen Nichteinhaltung eine landesweite Schande ist, die zum Ausschluss aus den Universitäten, den Clubs und Verbindungen führt. Die Konsequenzen des Erwischtwerdens sind so vernichtend, dass es, wenn überhaupt, nur von jenen versucht wird, die eh keine Chance haben auf ehrlichen Erfolg.
In Österreich und in der Schweiz werden Plagiatsfälle mittlerweile auch ganz harsch bestraft – auch von der Öffentlichkeit. So musste sich der frühere österreichische Wissenschaftsminister und spätere EU-Kommissar Johannes Hahn einiges anhören, als er im Rahmen seiner Doktorarbeit des Plagiats überführt wurde. Sein Landsmann, der Philosoph Herbert Hrachovec, schrieb dazu Folgendes: „Es handelt sich um eine Arbeit minderer Qualität, die stellenweise an das Banale und sogar Peinliche grenzt. In ihrer Abfassung sind elementare Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens vielfach missachtet worden. Die Schlamperei grenzt an Fahrlässigkeit. Mit Wissenschaft hat das nur als abschreckendes Beispiel zu tun.“
Und wenn es um Putin, den russischen Alleininhaber aller Macht, geht, da finden es auch die Deutschen völlig korrekt darauf hinzuweisen, dass er große Teile seiner Dissertation fast wörtlich von amerikanischen Professoren der Universität Pittsburgh abgeschrieben haben soll. Aber immerhin hat er die Autoren und den Buchtitel in seinem Literaturverzeichnis genannt.
Was viele Leute aktuell in Rage bringt, ist unser Top-Mann, unsere Lichtgestalt und beliebtester Politiker seit Amtsantritt, der Ex-Wirtschaftsminister und jetzige Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg. Wie ein Pop-Idol wird er verehrt von Jung und Alt, von Gebildeten und Ungebildeten, sein Fan-Club wächst bundesweit.
Was einige Medien (selbst-)kritisch anmerken, ist der eigene übertriebene Rummel, den man um Guttenberg veranstaltet hat, zunächst durchaus im positiven Sinne für den jungen smarten Aufsteiger mit der bildschönen Frau. Flecken fanden sich jedoch schon bei seiner Erklärung als jüngster Wirtschaftsminister über seine beruflichen Erfahrungen im heimatlichen Familienbetrieb, die von Journalisten nicht verifiziert werden konnten. Jedoch hat ihm das nicht sichtbar geschadet.
Durch Zufall wurde er jetzt erwischt, wenn man an Zufälle glaubt. Manche Dinge geschehen auch zur rechten Zeit am rechten Ort. Andreas Fischer-Lescano, Jura-Professor, wollte mal wieder eine Rezension schreiben. Gelesen hatte er sie schon, die Doktorarbeit „summa cum laude“, jetzt musste sie nur noch geprüft werden. Und da wurde er mit der besten Methode zum Auffinden von Plagiaten – Google – fündig. Und nicht nur einmal. So fing das alles an.
Weshalb die Universität Bayreuth nicht die 2006 schon verfügbare digitale Überprüfung der Doktorarbeit vornahm, ist noch ungeklärt. Derweil schwappen überaus höhnische Verbalattacken durch Internetblogs und über Youtube, das für alle offene Videoportal. Inzwischen begann die „Die Welt“ am Samstag nach dem ehrenwerten juristischen Motto „im Zweifel für den Angeklagten“, Erklärungen anzubieten, wie diese Ansammlung von berechtigten Verdachtsmomenten und Ungeschicklichkeiten verstanden werden könnte. Da ist vom überlasteten Familienvater die Rede und vom beruflichen Stress, der schon mal in der langen Zeit der schriftlichen Gedankensammlung für eine Doktorarbeit dazu führen könnte, dass man eigene Textstellen nicht mehr von fremden unterscheiden kann.
Wenn man die sonstigen Stellungnahmen verfolgt, klingen sie ziemlich eingefärbt je nach politischem Standort. Eine parteipolitische Affäre sollte es eigentlich nicht sein. Die Frage nach der Ehrwürdigkeit einer Doktorarbeit geht die gesamte Gesellschaft an. Das Einzige, was sich lohnen darf, ist Offenheit, Transparenz.
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