„Die Angst spaltet uns in Gehorsame und Aufbegehrende“

Ein ehemaliger DDR-Bürger erzählt über heutige Parallelen zum DDR-Sozialismus – und wie ihn das Aufwachsen in einer Diktatur geprägt hat.
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Ein Protest gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Von 13. Februar 2022

Die sogenannten „Spaziergänger“ im ehemaligen Osten Deutschlands sehen sich oft in der Tradition der Montagsdemonstrationen von 1989. Besonders in Sachsen treibt es viele Menschen auf die Straße, in fast jeder Stadt gibt es inzwischen am Wochenende oder am Montag Versammlungen Tausender Bürger.

Thomas Kühnert gingen die gemeinsamen Spaziergänge nicht weit genug. Der sächsische Projektmanager für Anlagenbau suchte nach weiteren Wegen, um, wie er sagt, die Menschen in seiner Stadt zum Nachdenken anzuregen. Denn: Die Corona-Maßnahmen sieht er kritisch.

Mit Gleichgesinnten entwarf er Plakate mit Fragen darauf, die beim Leser ein inneres Bild entstehen lassen sollen, wie etwa: „Kinderlachen oder Maskenball??“, „Ungeimpft ein schlechter Mensch??“, oder „Wohnung heizen oder Auto tanken??“. Die Plakate wurden dann an verschiedenen Stellen der Stadt angebracht. Das geschah Ende Januar. Ob sie Wirkung gezeigt haben, das kann er im Moment noch nicht einschätzen. Den sozialen Medien war jedoch zu entnehmen, dass nicht alle Bürger der Stadt damit einverstanden waren und die kleinen roten Plakate teilweise schnell wieder entfernten.

Für Epoch Times beantwortete Thomas Kühnert vier Fragen zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Was hat das Aufwachsen in der DDR mit Ihnen als Mensch gemacht? Wie hat es Sie geformt?

Ich wurde 1970 geboren, habe also meine Kindheit und frühe Jugend in der DDR verbracht. Rückblickend sehe ich die DDR und ihren Sozialismus wohl immer noch durch die Augen eines Jugendlichen, der das Traditionelle anzweifelt und allem Neuen entgegen jubelt. Es gab eine ganz einfache Regel, nach der die Mehrheit lebte: „Überleg dir genau, mit wem du offen sprichst“.

Eine eigene, nicht gleichlautende Meinung an falscher Stelle war nicht wirklich hilfreich und konnte im ungünstigsten Fall nicht nur Auswirkungen auf dein weiteres Leben, sondern auch auf das deiner Familie haben. Diffamierungen und Ausgrenzungen Andersdenkender waren an der Tagesordnung. Wer von uns Ossis wird sich nicht an den Schulkameraden erinnern, der so lange allein in einer Ecke stehen musste, bis er wieder gleichgeschaltet funktionierte, bis er wieder die gleichen Lieder sang – oder den Jugendlichen, der aus dem Klassenzimmer zum Direktor der Schule gebracht wurde, weil er im Staatsbürgerunterricht vehement die falsche Meinung vertrat. Wir wurden zu Meistern der Verstellung, weil wir genau das schon als kleine Kinder erlernten.

Oder aber wir funktionierten, waren die vorbildlichen Jung- und Thälmannpioniere, verbrachten drei Jahre in den Diensten der Volksarmee und wurden später dann Mitglied der Einheitspartei.

Das Aufwachsen in der DDR hat mich aber auch zu einem kritischen Menschen geformt, einem der hinterfragt und unterscheidet zwischen seiner privaten Meinung und der Vorgabe derselben in den Massenmedien. Der nicht jede Parole für bare Münze nimmt und sich informiert und prüft, was ihm verkauft werden soll.

Es ist wohl eher das Ende der DDR, was mich schwer enttäuscht hat. Das Miterleben einer Wende, die dir das Gefühl vermittelte, dass es sich lohnen könnte zu widersprechen. Das Mauern sich öffnen, dass Korruption und Selbstsucht aufgedeckt und Aufarbeitung möglich ist. Leider kam es größtenteils anders und die Zeit wurde nicht wirklich gut genutzt, um etwas Neues zu wagen. Schnell fanden sich die ehemaligen Genossen wieder in entsprechenden Machtpositionen. Bei uns nannte man sie „Wendehälse“.

Erstaunlich, wie gestern noch Sozialismusfanatiker in kürzester Zeit zum genauen Gegenteil mutierten. Und schon wieder funktionierten sie, den eigenen Vorteil sofort im Blick. In der Gunst der Stunde wurden Betriebe verscherbelt, wurden Genossen zu Millionären. Es ging ihnen nicht um eine bessere Welt, um mehr Harmonie, um mehr Gerechtigkeit. Ausschließlich die eigene Tasche wollte gefüllt werden und das um jeden Preis.

Kann man Ihrer Meinung nach bei alledem Parallelen zu heute erkennen? Wiederholt sich die Geschichte?

Die Parallelen in den Verhaltensweisen der Menschen in diktatorischen Systemen sind unübersehbar. Je höher der Druck auf die breite Masse wird, desto deutlicher zeigen sich die schlechtesten, aber auch die besten Eigenschaften der Menschen. Denn zu viel Druck führt zur Angst und spaltet uns in Gehorsame oder Aufbegehrende.

Heute ist es dein Nachbar, der dich anschwärzt, weil du mehr Gäste als erlaubt in deinem Haus empfängst, damals war es ein Mitarbeiter der Stasi, der dich bei den Staatsorganen meldete. Heute werden deine Facebook-Kommentare von Faktencheckern gelesen und gelöscht, damals wurde kein Buch, kein Artikel und auch kein Lied ohne die Genehmigung der Staatsorgane veröffentlicht.

Heute gibt es eine absolut gleichgeschaltete Medienlandschaft. Damals gab es das DDR-Staatsfernsehen mit dem gleichen Anspruch. Heute gewinnt die Partei mit dem meisten Geld (um nicht von Spenden zu sprechen). Wir wussten, es gibt nur eine Partei und die gewinnt immer.

Heute bereichern sich Politiker ganz privat neben ihrer Tätigkeit als „Volksvertreter“ durch Lobbyarbeit, in Aufsichtsräten – und diese Einnahmen liegen weit über ihren Diäten. Auch für die Genossen in der DDR wurde entsprechend gesorgt. Sie lebten nie auf dem Niveau ihres Volkes.

Heute ist der Impfpass das Zeichen des Gehorsams, der dich einkaufen und reisen lässt – damals war das Parteibuch der Schlüssel zu Wohlstand und Glück. Heute der Feind im Osten, der dich bedroht – damals der Feind im Westen.

Aber es zeigen sich auch die besten menschlichen Eigenschaften, sobald der Druck auf die breite Masse höher wird. Heute ist es dein Nachbar, der dir freundlich zulächelt, wenn du mit deinen Freunden feierst, der dir nach wie vor die Hand und nicht die Faust zum Gruße reicht und der dich umarmt, wenn es dir schlecht geht. Damals war es dein Freund, der dich warnte vor den Stasispitzeln oder der Pfarrer deiner Kirche, der sich traute, diesen Staat zu kritisieren. Der Kabarettist im Theater deiner Stadt, mit dem du gemeinsam über unsere Mächtigen lachen konntest.

Inwiefern sind die derzeitigen Corona-Maßnahmen für Sie nicht sinnvoll und nachvollziehbar?

Ich habe mich oft gefragt, wie abnormal sich Politiker und Medien in dieser Corona-Krise verhalten haben und es noch immer tun. Welcher normal denkende Mensch würde Angst und Panik verbreiten? Kein Vater, keine Mutter würde so reagieren. Sie würden ihre Kinder beruhigen, sie würden trösten, umarmen und alles tun, was die Gesundung fördert. Doch es waren Leichenberge in Italien, Panik und Terrorbilder, die verbreitet wurden.

Mittlerweile bin ich über 50 und habe schon einige Panikszenarien erlebt: den sauren Regen, das Ozonloch, Rinderwahn und Vogel- und Schweinegrippe, um nur einige zu nennen. Mit diesen Erfahrungen verfällst du nicht sofort in Panik. Nein, ich wettete unbekümmert, dass der Spuk in sechs Wochen ein Ende finden würde.

Als es aber losging, dass Wissenschaftler und Ärzte, die relativierend und beruhigend auftraten, diffamiert wurden, fing ich an, mich zu informieren. Ich verglich die tatsächlichen Todeszahlen der Jahre mit Daten aus dem Statistischen Bundesamt, und mir wurde schnell klar: Hier wird schamlos gelogen. Sicher, es war eines der Jahre, in dem die Grippe mehr Opfer forderte, aber mehr eben auch nicht. Als es damit weiterging, dass man die Alten aus den Pflegeheimen in Krankenhäuser verschleppte, um diese dort zu beatmen, war ich schockiert. Das hatte nichts mit Würde und Nächstenliebe zu tun, es erinnerte mehr an Planerfüllung um jeden Preis. Der perfide Plan, Panik und Schrecken zu verbreiten.

Alle weiterführenden Maßnahmen waren genauso absurd. Masken, die die Atmung behindern, Ausgangsbeschränkungen und immer wieder die Parole, die Krankenhäuser schaffen es nicht. Nachvollziehbar wäre für mich gewesen, Chaos und Panik zu vermeiden. Krankenhäuser und Pflegekräfte zu unterstützen, anstatt Betten abzubauen. Nach Medikamenten zu suchen, sich international auszutauschen über Wirkung und Maßnahmen. Alle wissenschaftlichen Meinungen zu hören, statt zu diffamieren und zu bestrafen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft und was wäre Ihrer Meinung nach der bessere Weg aus der Krise?

Was ich mir langfristig wünschen würde, wäre eine Zeit der Aufarbeitung und dass die in dieser Zeit Geschädigten nicht eher ruhen, bis alle Zusammenhänge offen liegen. Dass alle Menschen erkennen, dass Profitgier die Triebfeder allen Leids ist.

Der bessere Weg wäre mit der Erkenntnis verbunden, dass Macht und Geld kein Glück bewirken. Dass selbstlose Hilfe viel mehr von dem verschafft, was wir uns wünschen. Dass Demokratie nicht nur ein Wort wäre, sondern uns allen die Wahl bliebe zu entscheiden, wie wir unser Leben verbringen wollen.

Die Fragen stellte Nancy McDonnell.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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