Lage in Syrien begünstigt Wiedererstarken von Islamisten

Am Samstag wurden in der syrischen Wüste von Homs sechs Beduinen ermordet, zuvor 54 Deserteure der syrischen Armee. Die Täter: wieder aufgetauchte IS-Terroristen. Die USA fliegen Luftangriffe auf vermutete IS-Verstecke. Wie bedrohlich sind IS-Zellen in der derzeitigen Lage? Und wie verhalten sich die Nachbarstaaten?
IS-Zellen sind in Syrien und dem Irak weiter aktiv (Archivbild).
IS-Zellen sind in Syrien und dem Irak weiter aktiv (Archivbild).Foto: Uncredited/Militant website/AP/dpa
Von 15. Dezember 2024

Seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad vor einer Woche wächst im Osten und Südosten des Landes die Befürchtung vor einem Wiedererstarken des „Islamischen Staates“ (IS). Diese radikal-fundamentalistische Dschihadisten-Bewegung hatte von 2014 bis 2017 große Teile von Syrien und des Iraks erobert und dort eine Schreckensherrschaft errichtet, den sogenannten „Islamischen Staat“.

Nach Beendigung der Kämpfe im Dezember 2017 tauchten viele IS-Terroristen in der mit ihnen sympathisierenden lokalen Bevölkerung unter. Seither operiert der IS mit Anschlägen aus dem Hinterhalt, vorzugsweise auf staatliche Stellen wie Polizeistationen und militärische Einrichtungen, gelegentlich auch auf Dörfer, um Einwohner zu terrorisieren und zur Kollaboration mit dem IS zu zwingen.

Im Rahmen der Kämpfe der jüngsten Wochen haben mutmaßlich auch IS-Terroristen wieder zugeschlagen, wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) am Samstag veröffentlichte. So habe der IS neben Beduinen auch 54 syrische Soldaten getötet, die vor der Offensive der Assad-Gegner in die Wüste geflohen waren. „Zudem ermordeten sie seit dem Sturz von Assad 18 weitere Zivilisten, die die Wüste in der Region Homs betreten hatten“, so SOHR.

Nur noch USA und GB bekämpfen IS

Die USA griffen in den letzten Tagen etwa 75 vermutete IS-Ziele in der syrischen Wüste an, wie die amerikanische Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) berichtet. Die unübersichtliche Lage nach dem Sturz des langjährigen Diktators Assad vor einer Woche nährt die Befürchtung, dass sich der IS neu aufstellen könnte.

Die nun erfolgten massiven US-Luftschläge auf vermutete Kämpfer des IS in Syrien sind laut AP auch „teilweise als Botschaft an die Gruppe gedacht und als Schritt, um sicherzustellen, dass sie nicht versucht, das Chaos nach dem Sturz der Regierung von Präsident Bashar Assad auszunutzen“.

Während alle Welt auf die Entwicklung in Damaskus blickt, wollen die USA im Hintergrund sicherstellen, dass der IS nicht versucht, das Führungsvakuum zu nutzen und erneut die Kontrolle über weite Teile des Landes ausübt, gab die Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am 09. Dezember bekannt.

Die USA haben etwa 900 Soldaten in Syrien stationiert. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von „Vertragssoldaten“ für besondere Aufgaben. Die Hauptbase der Amerikaner liegt in der Nähe von Al-Tanf, einem Grenzort im Dreiländereck Syrien, Irak und Jordanien. Auch US-Spezialeinheiten, die im Irak stationiert sind, werden gelegentlich in Syrien zur Bekämpfung des IS eingesetzt. Außerdem befindet sich eine unbekannte Anzahl von britischen Soldaten auf dem US-Stützpunkt.

Al-Tanf liegt an einer Hauptverkehrsstraße zwischen Damaskus und Bagdad. Sie diente dem Iran bislang als „Versorgungsader“ für die Unterstützung der Hisbollah-Milizen in Syrien und im Libanon.

Warum ist IS noch aktiv?

Nach der Kapitulation des IS Ende 2017 gerieten rund 10.000 IS-Terroristen in Gefangenschaft. Sie sind zum großen Teil in Gefängnissen untergebracht, die von der syrisch-kurdischen Miliz-Armee „Syrian Democratic Forces“ (SDF) bewacht werden. Weitere Zehntausende von Familienangehörigen der IS-Terroristen leben in Lagern. Es kommt immer wieder vor, dass Gefängnisse angegriffen und IS-Insassen befreit werden. Auch entweichen aus den Familienlagern herangewachsene Jugendliche, um sich den IS-Keimzellen im Umland anzuschließen.

Besonders im Jahr 2023 konnte laut AP-Meldungen festgestellt werden, dass sich zahlreiche neue IS-Zellen gebildet haben. Die Angriffe auf amerikanische und kurdische Streitkräfte in Syrien nahmen deutlich zu. Zudem haben Angehörige weiterer islamistischer Splittergruppen sowie Überreste von Al-Qaida Zuflucht in der unübersichtlichen Wüste im Osten Syriens gefunden. Diese Wüste geht über in die Anbar-Wüste des Irak – ein riesiges, unkontrollierbares Gebiet, das hunderttausende an Versteckmöglichkeiten bietet.

Alex Younger, der von 2014 bis 2020 den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 geleitet hatte, erklärte Anfang vergangener Woche gegenüber dem englischen Staatsfernsehen BBC, Anlass zu großer Sorge sei die „sehr große Zahl von IS-Häftlingen, die nach der Zerstörung des Kalifats übrig geblieben sind“.

Laut Younger würden „die Überreste des IS“ derzeit zwar von den kurdischen Milizen im Nordosten Syriens „eingedämmt“. Wenn sich jedoch die kurdischen Milizen gegen die derzeit zunehmenden türkischen Angriffe wehren müssten, könne es dazu kommen, dass sie die Gefängnisse nicht mehr bewachen könnten. Die IS-Häftlinge könnten fliehen und damit ein realistisches Wiedererstarken des IS in Syrien – womöglich auch im Irak – herbeiführen.

So gesehen könnte der türkische Druck auf die syrischen Kurden der Auslöser für einen neuen Islamischen Staat in Syrien werden. Solch eine Entwicklung war indes dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bereits in den Jahren 2014 bis 2017 gleichgültig.

Position der USA undurchsichtig

Die führende Oppositionstruppe, die in Damaskus einmarschierte und Assad vertrieb, wird von der UNO als Terrorgruppe gelistet: „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS). HTS war ursprünglich sowohl mit der syrischen „Al-Nusra-Front“, einer Nachfolgeorganisation von Al-Qaida, verbündet, als auch mit dem IS. In der Provinz Idlib konnte sich HTS festsetzen und dort die Herrschaft übernehmen. Den Dschihadisten werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, die bislang nicht aufgearbeitet sind.

Deshalb bleiben die USA bislang zurückhaltend gegenüber den neuen Machthabern in Damaskus. Der designierte amerikanische Präsident Donald Trump empfahl am 07. Dezember, dass sich die USA aus dem Syrien-Konflikt komplett heraushalten sollten. Möglicherweise fühlt sich die israelische Regierung aufgrund solcher Äußerungen ermutigt, ihre Interessen in Syrien ungehindert verfolgen zu können.

Außerdem sieht Trump die USA bei der Lösung des Syrienproblems nicht in der Pflicht. Dies sei die Aufgabe der Staaten der Nahostregion sowie der Europäer als regionale Nachbarn.

Nahost-Staatschefs beraten über Syrien

Folglich beriet gestern im jordanischen Aqaba die „Arabische Kontaktgruppe für Syrien“. In diesem Ausschuss sind die arabischen Staaten Jordanien, Saudi-Arabien, Irak, Libanon, Ägypten sowie der Generalsekretär der Arabischen Liga vertreten. Außerdem schlossen sich nun auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Katar dem Gipfeltreffen an. Einige westliche Beobachter waren ebenfalls eingeladen.

Die Kontaktgruppe diskutierte laut einem Bericht der „Jordan Times“– ohne Teilnahme eines Vertreters aus Syrien – über die Einrichtung eines syrischen Gremiums für eine Übergangsregierung, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung und die Abhaltung freier Wahlen. Die Teilnehmer forderten zudem eine starke Rolle der UN im Übergangsprozess.

Weiterhin wurde der sofortige Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen syrischen Gebieten verlangt. Gegenüber der Türkei, die seit Jahren einen breiten Grenzstreifen im Norden Syriens besetzt hat, wurden gleiche Forderungen nicht geäußert. Der Ausschuss betonte schließlich, dass Syriens Sicherheit für den Frieden in der Region von entscheidender Bedeutung sei, und versprach, den Wiederaufbau des Landes als geeinter, terrorismusfreier Staat zu unterstützen.

Vor allem am letzten Punkt – dem terrorismusfreien Staat Syrien – werden sich die Teilnehmer künftig messen lassen müssen. Denn mindestens ein Staat dieser illustren Runde, Katar, gilt als Hauptförderer von terroristischen Islamisten im Nahen Osten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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