Christoph Feurstein: CNN Journalist of the Year 2007
Ein kurzer Anruf – „ich bin bei einem Interview, es wird ein bisserl später“, ein Kaffee aus der Kantine des Österreichischen Rundfunks (ORF), und es kann losgehen. Christoph Feurstein, spätestens seit seinem Interview mit der in einem Kellerzimmer gerade mal acht Jahre festgehaltenen Natascha Kampusch „der“ Star des ORF, wechselte für Epoch Times-Chefredakteur Florian Godovits von der für ihn gewohnten Rolle des Fragenstellers auf die andere Seite. Und auch dort machte der zum „CNN Journalist of the Year 2007″ gewählte 36-jährige eine gute Figur. Und es wird rasch klar, dass hinter dem hübschen Gesicht und dem mit offenem Hemd und Jeans locker gekleideten Feurstein ein Mensch steckt, der hart für seinen Erfolg schuftet und zu den Journalisten gehört, die ihre Recherche-Arbeit wirklich als solche sehen und nicht als notwendiges Übel. „Das Kampusch-Interview war die Folge von 14 Jahren journalistischer Tätigkeit“, so Feurstein. Acht Jahre davon war er am „Fall Kampusch“ drangeblieben. Er sprach mit uns über Menschlichkeit im Journalismus, den schwierigen Umgang mit dem Neid der Kollegen und die Verantwortung, die man trägt, wenn man das „Publikum ins Herz treffen“ möchte. Und darüber, wie wichtig es ist, die Bodenhaftung zu behalten, denn „mit Superstar-Mentalität will Dir niemand Interviews geben“.
Herr Feurstein, Sie haben vor kurzem den CNN Journalist of the Year 2007 Award bekommen, davor haben sie mehrere nationale Auszeichnungen erhalten. Wie ist Ihrer Meinung nach das Verhältnis zwischen Transpiration und Inspiration, um erfolgreich zu sein – und hat der Erfolg auch etwas mit Ihrem Aussehen zu tun?
Feurstein: Die Erfolge mit den Preisen haben gar nichts mit dem Aussehen zu tun, sondern damit, dass ich mich für Themen interessiere, und wenn ich etwas anpacke, dann zu hundert Prozent. Wenn ich mich mit einem Thema beschäftige, und wenn man dann eine Reportage von mir sieht, dass da sehr viel Herzblut von mir drinnen ist, sehr viel Seele, sehr viele Gedanken, die ich mir mache. Ich begreife das, was ich tue, nicht nur als Handwerk, sondern das ist immer auch ein Spiegel von mir selbst. Ich habe beim ORF sehr jung begonnen, mit 22, ich habe immer sehr jung ausgeschaut, war so der „blonde Jüngling“, und es war sehr schwer, sich Glaubwürdigkeit zu erarbeiten.
ETD: Das heißt, für Sie ist ihre Tätigkeit beim Fernsehen eine Art künstlerischer Akt?
F: Ich sehe mich als Fernsehgestalter. Ich spiele gern mit dem Medium Fernsehen, das heißt ich spiele mit Tönen, mit Bildern, mit Effekten. Jede Geschichte hat eine Dramaturgie, jede Geschichte will erzählt werden, und das ist eigentlich eine Form von Kunst. Wenn man beim Fernsehen arbeitet und ein Gleichgewicht zwischen all diesen Elementen schafft, dann berührt das die Zuschauer. Ich will, dass die Zuschauer begreifen, dass das, was sie sehen, ein Teil von ihnen ist. Dass sie nicht einfach vor dem Fernseher sitzen und sich berieseln lassen, sondern dass das, was sie sehen, in einer Art und Weise auch ein Spiegel von ihnen ist.
ETD: Sie bewegen sich mit ihren Beiträgen – wie beispielsweise mit dem Natascha Kampusch-Interview – im Spannungsfeld zwischen Qualitätsjournalismus und Boulevard. Wie schafft man da den Spagat?
F: Es geht bei allen Themen, die ich bearbeite, zu hundert Prozent um Emotionen und Gefühle. Genau das ist ja ein Bereich, der mit jedem Menschen zu tun hat, und wo man die große Chance hat, Mechanismen aufzugreifen und den Menschen zu sagen, sie können sich nicht zurücklehnen und sagen, das hat nichts mit mir zu tun. Ich habe mich beispielsweise sehr stark mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftigt, jahrelang. Hier kann man nicht auf einen einzelnen Menschen zeigen, die Frage ist viel komplexer, und jeder sollte sie sich stellen. Wie kommt es zu solchen Dingen? Denn so etwas hat immer sehr viel mit der Gesellschaft zu tun, dem Umgang mit Sexualität, mit Randgruppen, von Eltern mit ihren Kindern. Das ein Stück weit der Gesellschaft zu sagen, das ist die Aufgabe dieser Art von Journalismus.
ETD: Gerade beim Fernsehen hat man auch die Möglichkeit, mit den Emotionen der Menschen zu spielen.
F: Gerade diese Art von Journalismus, die teilweise sehr verschrien ist, ist diejenige, die am allermeisten Verantwortungsbewusstsein braucht. Weil man hier – wie ich bereits gesagt habe – genau die Seele, ins Herz der Menschen trifft. Da kann man ganz verheerende Sachen anrichten. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, die Menschen nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Ich spiele auch bewusst mit Emotionen. Aber ich versuche, durch die Emotion, die Leute ein bisschen zum Nachdenken zu bringen.
ETD: Wie entspannt man von den schweren Themen, mit denen Sie sich beschäftigen?
F: Ich bin ein lebenslustiger Mensch und habe einen feinen Freundeskreis von Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen. Schlimm wäre es, wenn mit dem Erfolg Menschen zu mir das Vertrauen verlieren würden. Das ist Gott sei Dank nicht passiert. Das Wichtigste sind meine Freunde – wo ich auch meine Familie dazuzähle – die mir immer zugehört haben in den vergangenen Jahren, und ich muss unglaublich genervt haben, weil es nur ein Thema gegeben hat. Sie haben mich aber aufgefangen. Denn wenn man Erfolg hat, darf man ja nicht sagen, dass es einem schlecht geht. Oder wenn man es sagt, dann hören es die Menschen nicht. Man kann dann nicht mehr darüber reden, wie es einem geht. Meine Freunde haben das nie getan. Sie haben gesehen, wie es mir geht und wie ich mich fühle, und das war das Allerwichtigste. Sonst würde ich auch nicht dasitzen und so gescheit reden.
ETD: Gibt es noch Ziele für Sie? Etwas, das Sie sich beweisen wollen?
F: Es birgt eine große Gefahr, wenn man als Moderator mit 35 diese Auszeichnungen bekommen hat. Ich werde jetzt in Zukunft weiter das machen, was ich tue, also meine Reportagen. Ich arbeite an meiner nächsten großen Dokumentation, bin Medientrainer in Sozialorganisationen.
ETD: Der Spruch von Lao-Tse „Wer nicht vorwärts geht, geht rückwärts“ trifft also auf Sie zu?
F: Ja, schon. Man darf nie den Gedanken haben, „Was soll jetzt noch kommen“? Oder dem Druck von Außen nachgeben „jetzt braucht er einen Erfolg“. Ich glaube, Erfolg darf man nicht suchen. Es war auch nicht immer alles so eitel Wonne. Ich habe zwei Jahre lang „25 – Das Magazin“ moderiert und war geschmeichelt, das Gesicht einer Sendung zu sein und überallhin eingeladen zu werden. Da habe ich jedoch schnell gemerkt, ich verstelle mich. Zu dieser Zeit war ich so unglücklich. Ich habe nicht das getan, was ich tun sollte, und da kam auch kein Erfolg. Da wusste ich, ich darf nie wieder frontal etwas moderieren, mit dem ich mich nicht identifizieren kann.
Ich habe mich nie verkleidet, ich habe immer gesagt, ich bin so wie ich bin, und so will ich auch Interviews machen. In meinen 14 Jahren als Journalist habe ich gelernt, keine Interviews zu führen, sondern Gespräche. Das Wichtigste bei einem Fernsehinterview ist, dem Gegenüber das Gefühl zu geben, die Kamera ist nicht da. Das ist das Allerzentralste, dass man den Menschen das Gefühl gibt, jetzt können sie sich wohl fühlen.
ETD: Haben Sie hier ein paar Tipps und Tricks für sich selbst auf Lager?
F: Das ist situationsabhängig, aber in erster Linie ist es das Interesse an Menschen. Ich weiß, das klingt jetzt alles so gesülzt, aber es stimmt. Ich interessiere mich einfach für die Menschen, die mir gegenüber sitzen.
Ich trainiere seit sechs Jahren Sozialarbeiter im Umgang mit Medien. Ich war dort zwar Trainer, aber ich habe so verdammt viel gelernt – wie man auf Menschen zugeht, wie man sie betreut, warum man sie betreut, wie die Arbeit noch erfolgreicher sein kann. Meine Schwester leitet ein Altenpflegeheim, und allein die Auseinandersetzung mit dem Alter… – ich gehe sie oft besuchen, und ich freue mich jedes Mal auf die Leute dort. Da sind 100-jährige dabei, die können Geschichten erzählen…Sie sind froh wenn man ihnen zuhört, und ich höre gerne zu.
Text erschienen in Printausgabe Epoch Times Deutschland Nr. 18
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