CDU im Osten zwischen den Stühlen: Wie lässt sich im Herbst der Absturz verhindern?

Nach der Schlappe bei der EU-Wahl steht die CDU vor einer existenziellen Krise. Schon im Herbst muss sie Landtagswahlen im Osten bestreiten. Mit einer Anbiederung an die Grünen würde sie die AfD weiter stärken. Andererseits muss sie sich für labile Dreier- oder Viererbündnisse rüsten.
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Ein CDU-Logo wird abmontiert.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 12. Juni 2019

Über Jahre hinweg hatte es die CDU geschafft, sich strategisch so zu positionieren, dass sie sich inmitten von Umbrüchen und Krisen als Anker der Stabilität verkaufen konnte und am Ende sogar je nach Bedarf als die bessere sozialdemokratische Partei oder – wie 2013 – als die sichere Bank für alle rüberzukommen, die sich nicht mehr sicher waren, ob es die FDP überhaupt noch in den Bundestag schaffen würde.

Die Catch-All-Strategie, die im Zweifel auch auf Kosten langjähriger Überzeugungen gehen konnte, schien lange Zeit zum dauerhaften Erfolgsrezept zu taugen. Die wechselnden Koalitionspartner SPD und FDP fanden sich gerupft wieder, die Grünen kamen nicht vom Fleck, weil die Merkel-CDU ihre Politik betrieb – nur eben mit Regierungsbonus. Rechts klaffte bis 2013 eine Lücke, die der Union aber nicht schadete, weil vergrämte Wähler erst zur FDP und dann ins Lager der Nichtwähler abgewandert waren.

Im Klima der Polarisierung der vergangenen Jahre hatte das Feelgood-Selbstverständnis der Union jedoch zunehmend an Zugkraft verloren. Die Energiewende hatte zwar zu stetig steigenden Strompreisen geführt und der einseitige Fokus auf stark subventionierte erneuerbare Energieträger viel an Kosten bei wenig Nutzen gebracht. Dennoch schaffte es die Union, einen großen Teil ihrer Wähler noch mit der Ankündigung zu beruhigen, es handele sich um ein langfristiges Projekt, das mit Fortdauer der Zeit auch zu zählbaren Erfolgen führen würde.

Das Ende der Wohlfühlpolitik

Die Flüchtlingskrise von 2015 zeigte jedoch erstmals die Grenzen der Merkel-Strategie auf. Zwar hatte die Bundeskanzlerin mit ihrer eigenmächtigen Entscheidung zur Grenzöffnung die politische Linke auf der Außenbahn überholt und die Leitmedien hinter sich vereint. In weiten Teilen der Bevölkerung verfing die Botschaft des „Wir schaffen das“ jedoch nicht – zumal der Leidensdruck infolge massenhafter illegaler Einwanderung im Alltagsleben zu spüren war und anders als bei der Energiewende auch das Versprechen einer künftigen Auflösung in Wohlgefallen nicht verfing.

In früheren Unionshochburgen des Südens, vor allem aber im Osten, wo es keine gewachsenen Milieus gibt, verlor die CDU massiv an Rückhalt und mit der AfD war eine Partei entstanden, die in der Lage war, in die Wahlenthaltung geflohene Bürger wieder zurück an die Wahlurne zu holen.

Dass die CDU nun mit dem Rücktritt Merkels als Parteivorsitzende auch aus Sicht der Medien zunehmend ihre Schuldigkeit getan hat, Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer von diesen mit Liebesentzug gestraft wird und die Union nun der „Zerstörung“ anheimfallen kann, weil die Grünen auf der Welle von „Fridays for Future“ einen nie gekannten Höhenflug erleben, bringt die CDU in eine existenzielle Krise. Dies umso mehr, als die nächsten Landtagswahlen im Osten stattfinden.

Medienliebling zu sein bringt im Osten wenig

Würde im Herbst in NRW und Niedersachsen gewählt – die Union könnte mit einem strammen Linksruck, noch mehr „Klimaschutz“ und einem selbstbewusst vertretenen Zeitgeistprogramm ihre Chance suchen und sich offensiv als Konkurrenz zu den Grünen positionieren. Tatsächlich wird jedoch in Sachsen, Brandenburg und Thüringen gewählt und der grüne Hype hält sich dort in Grenzen – während die AfD in all diesen Bundesländern mit Ergebnissen jenseits der 20 Prozent rechnen kann. In Sachsen, wo die Union unter Ministerpräsident Kurt Biedenkopf noch auf absolute Mehrheiten abonniert war, könnten die Rechtskonservativen sogar zur stärksten Kraft vor der CDU werden. In zwei der Länder, in denen gewählt wird, war die AfD schon bei der EU-Wahl stärkste Partei.

Noch grüner zu werden, die Medien durch noch mehr progressive Politik gnädig zu stimmen und sich mehr denn je zum Bannerträger des Postnationalismus aufzuschwingen, ist für die CDU in den Ost-Bundesländern keine Option. Dies haben einige der Spitzenkandidaten auch schon erkannt und versuchen, möglichst nicht den Eindruck zu erwecken, allzu viel mit der Politik Merkels oder der Bundes-CDU zu tun zu haben.

Thüringens CDU-Chef Mike Mohring warnt davor, den Grünen hinterherzulaufen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gibt sich bürgernah und riskiert sogar Schelte aus Berlin ob seines jüngsten Schulterschlusses mit Russland. Er weiß jedoch, dass die Sanktionspolitik in Ostdeutschland denkbar unbeliebt ist und die AfD nur allzu bereitwillig darauf hinzuweisen pflegt, dass die CDU die Ukrainekrise durch Scharfmacherei eher noch angeheizt als entschärft hatte. Selbstkritik wird in der sächsischen CDU großgeschrieben, auf diese Weise hofft man, den drohenden Absturz in Grenzen halten zu können.

AfD Sachsen lehnt Tolerierungsmodell ab

Vor allem Landesverbände wie jene in Sachsen und Thüringen, die es nach der Wende gewohnt waren, eine dominante Rolle zu spielen, ringen mit dem Mute der Verzweiflung darum, nicht zwischen Grünen und AfD zerrieben zu werden. Dass die SED-Fortsetzungspartei „Die Linke“ im Osten auf Landesebene immer noch in der Lage ist, klar im zweistelligen Bereich zu landen, in Thüringen dank dem Ministerpräsidentenbonus sogar jenseits der 20 Prozent, erschwert die Lage für die CDU zusätzlich.

In Sachsen-Anhalt rebellieren die Parteibasis und sogar Teile der Landtagsfraktion regelmäßig gegen die ungeliebte „Kenia-Koalition“ mit SPD und Grünen, die einzugehen man sich 2016 nach dem Wahltriumph der AfD genötigt sah.

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg drohen nun ähnlich instabile Dreier- oder gar Viererkonstellationen – zumal kein Landesverband der Union es wagen würde, ein Regierungsbündnis oder Tolerierungsmodell mit der AfD einzugehen. Auch der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD in Sachsen, Maximilian Krah, hat der möglichen Tolerierung einer CDU-Alleinregierung oder eines schwarz-gelben Bündnisses im Freistaat eine Absage erteilt. Die AfD setze auf eine Änderung der Politik – sollte diese nicht gewährleistet sein, werde man aus der Opposition heraus darauf drängen.

In Thüringen sieht es ähnlich aus, zumal mit Björn Höcke dort ein Politiker den AfD-Landesverband führt, der seit Jahr und Tag medial als Symbolfigur einer mächtigen vermeintlich „rechtsextremen“ Strömung innerhalb der Partei gilt.

Wird Merkel nach Brüssel weggelobt?

In Brandenburg, einst unter General Jörg Schönbohm ein konservatives Aushängeschild der Partei, versucht Landeschef Ingo Senftleben links der Mitte sein Glück: Er steht als einer der wenigen CDU-Spitzenpolitiker des Ostens zur Politik Angela Merkels und will mittlerweile selbst eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausschließen.

Ein Fiasko der Union bei den Landtagswahlen im Osten würde mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Annegret Kramp-Karrenbauer als schwächstes Glied in der Kette zurückfallen. Anders als Bundeskanzlerin Merkel kann sie nicht mehr auf eine freundliche Berichterstattung in den Leitmedien setzen. Die Große Koalition im Bund, die derzeit vor allem durch die Unklarheit über die Zukunft der Kanzlerin zusammengehalten wird, würde spätestens dann auch vonseiten der Union infrage gestellt.

Möglicherweise geht Merkel aber bereits vor den Landtagswahlen oder zwischen den Urnengängen in Sachsen und Brandenburg (1. September) und Thüringen (27. Oktober) als EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel. Dann könnten sich die Entwicklungen noch weiter in ungeahnter Weise beschleunigen.

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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