Kretschmann-Aussagen zur Rechtschreibung sorgen für Irritationen
Mit seinen jüngsten Äußerungen zur Wichtigkeit korrekter Rechtschreibung als Ziel des Schulunterrichts hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann für Irritationen gesorgt. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur hatte Kretschmann zwar eingeräumt, dass jeder Mensch „ein Grundgerüst an Rechtschreibkenntnissen“ brauche.
Die Bedeutung korrekter Rechtschreibung insgesamt nehme jedoch ab, „weil wir heute ja nur noch selten handschriftlich schreiben“ – und, so zitiert ihn das Redaktionsnetzwerk Deutschland, „kluge Geräte“ Fehler in Grammatik und Rechtschreibung korrigieren könnten.
Kein Mathe mehr, weil es Taschenrechner gibt?
Mit dieser Position stieß er auf Widerspruch aufseiten der Kultusministerin in seinem Kabinett, Susanne Eisenmann. Diese wünscht sich „ein deutliches Bekenntnis zur Rechtschreibung […], gerade im medialen Zeitalter“. Rechtschreibung sei ein bedeutendes Kulturgut und eine Schlüsselqualifikation wie Lesen und Rechnen. Auch aus diesem Grund habe das Kultusministerium in Baden-Württemberg zuletzt den Rechtschreibunterricht gestärkt.
In der „Welt“ bezeichnet Chefkommentator Jacques Schuster die Stoßrichtung von Kretschmanns Wortspende als „bedrohlich“. Abgesehen von horrender Rechtschreibung, die sich in mancher elektronischen Nachricht finde, würde Kretschmanns Anregung einer Marginalisierung der Orthografie im Schulunterricht weitergehenden Entwicklungen Tür und Tor öffnen:
„Nähme man sie ernst, bräuchte kein Schüler mehr rechnen zu lernen. Jedes Handy verfügt seit Jahren über einen Taschenrechner. Fremdsprachen? Wozu? Von Monat zu Monat werden die Übersetzungsprogramme ausgefeilter. Auch Romane zu lesen und die Geschichte des eigenen Landes zu kennen, ist nicht nötig. Es gibt doch Wikipedia! Man muss nur wissen, wo es steht.“
„Grundlage für die Persönlichkeitsbildung und Urteilsfähigkeit“
Es sei ein fatales Signal, so Schuster, in der Schulpolitik nur noch über die Anschaffung von Laptops und Digitalisierung zu reden, Inhalte aber völlig außen vorzulassen. Soziale Tugenden und grundlegende Kulturtechniken wie Texterschließung, Rechtschreibung und logisches Verständnis seien nicht nur weiterhin die Voraussetzung für den Bildungserfolg. Sie seien auch „die Grundlage für die Persönlichkeitsbildung und Urteilsfähigkeit und damit die Voraussetzung dafür, dass der Mensch auch in Zukunft den Computer beherrscht und nicht der Computer den Menschen“.
Der deutsche Sprachraum hatte erst in den 1990er Jahren eine Rechtschreibreform erlebt, die zum Teil heftige Reaktionen hervorrief und in den Jahren 2004 und 2006 selbst einer Überarbeitung unterzogen wurde. Zudem musste sich der Deutsche Rechtschreibrat erst vor eineinhalb Jahren mit Bestrebungen befassen, „geschlechtergerechte“ Schreibweisen offiziell im orthografischen Kanon zu verankern.
Im Vorjahr geriet ein SPD-Verband in Mülheim in die Schlagzeile, nachdem eine besonders unvorteilhaft anmutende falsche Schreibweise des Wortes „Faschismus“ auf einem Gedenkkranz anfänglich unbemerkt geblieben war.
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