Wie Trump 2016 gewann und warum das US-Wahlsystem als „undemokratisch“ kritisiert wird
Seit Kamala Harris ins Rennen gegangen ist, liegt sie beim landesweiten Umfragedurchschnitt mit Stand 26. Oktober mit 48 Prozent knapp vorn, während Donald Trump auf 47 Prozent kommt. Die landesweiten Umfragen verzerren jedoch das Bild. Denn das US-Wahlsystem basiert auf der amerikanischen Verfassung von 1787. Damals wurde das Mehrheitswahlrecht pro Bundesstaat eingeführt. Dieses besagt, dass jeder Bundesstaat einzeln gewonnen werden muss.
Indirekte Wahl mittels Wahlkollegium
Zudem gibt es historisch bedingt das System eines Wahlkollegiums (Electoral College), das besagt: Jeder Staat erhält eine Stimmenzahl, die der Größe seiner Bevölkerung – dieses Jahr aufgrund einer Erhebung im Jahr 2020 – entspricht. Insgesamt gibt es für die 50 Bundesstaaten 538 Wahlmännerstimmen. Ein Kandidat muss also mindestens 270 Wahlmänner erreichen, um zu gewinnen.
Kalifornien hat aufgrund seiner Einwohnerzahl von fast 40 Millionen mit 54 Wahlmännern die meisten Stimmen aller Bundesstaaten, während den dünn besiedelten Staaten Wyoming, Alaska und North Dakota sowie dem Sonderdistrikt der amerikanischen Hauptstadt Washington, District of Columbia (D.C.), nur je drei Wahlmänner zugeteilt wurden.
Bei diesem System kann es zu deutlichen Wahlungerechtigkeiten kommen. Wenn beispielsweise ein Kandidat in Texas knapp 50,1 Prozent der Stimmen erhält, fallen alle 40 Wahlmännerstimmen des Staates an ihn. Die Stimmen der unterlegenen Partei sind hingegen alle wertlos.
Deshalb kann es vorkommen, dass ein Kandidat zwar landesweit eine Mehrheit an Stimmen erhält, jedoch wie im Wahljahr 2016 dennoch verliert. Damals konnte Trump die Mehrheit der Wahlmänner pro Staaten gewinnen, erreichte aber landesweit fast 3 Millionen Stimmen weniger als seine Herausforderin Hillary Clinton.
Dies entspricht im Übrigen nicht dem amerikanischen Demokratiegrundsatz „Eine Person, eine Stimme“. Deshalb gibt es zur Praxis des Systems der Präsidentenwahl immer wieder Klagen. 1969/70 etwa scheiterte eine Klage diesbezüglich nur an wenigen Stimmen.
Sollte es dieses Jahr erneut zu einer knapp ausgehenden Wahl im Stil von 2016 kommen, ist davon auszugehen, dass sich die Debatte darüber erneut verschärft – und eines Tages dazu führen könnte, dieses nicht mehr zeitgemäße Wahlsystem zu kippen.
Zwei Ausnahmen
In zwei Bundesstaaten, Maine und Nebraska, stehen aufgrund ihrer Staatsverfassung nur zwei Wahlmännerstimmen für den Sieger fest. Die verbleibenden zwei Wahlmännerstimmen in Maine und drei in Nebraska werden auf der Grundlage der Stimmenmehrheit in den Wahlbezirken verteilt.
Wie funktioniert das indirekte Wahlsystem?
Nach der Wahl am 5. November geben die Wahlmänner im Dezember in der jeweiligen Hauptstadt ihres Bundesstaates formal ihre Stimme ab.
Die formal schon feststehenden Ergebnisse werden an den Kongress weitergeleitet, von diesem ausgezählt und im Januar 2025 im Senat unter dem Vorsitz der Vizepräsidentin Kamala Harris bekannt gegeben. Der gewählte Präsident beziehungsweise die Präsidentin und der Vizepräsident werden dann am 20. Januar in Washington, D.C. vereidigt.
Wer gewinnt die „Swing States“?
Da die Mehrheiten in den meisten Bundesstaaten von vornherein feststehen, weil die Wähler immer die gleiche Partei favorisieren, hängt der Ausgang der Präsidentenwahl in Wirklichkeit nur von einer Handvoll Bundesstaaten ab, die kein einheitliches Wählerverhalten ausweisen.
Sie werden als „Battleground States“ oder „Swing States“ bezeichnet. Derzeit zeigen die Umfragen in den sieben Staaten, die bei dieser Wahl als unsichere Swing States gelten, ein sehr knappes Ergebnis an: Keiner der Kandidaten scheint in einem von ihnen über einen deutlichen Vorsprung zu verfügen.
Dennoch gibt es Trends: Michigan mit 15 Wahlmännern könnte Harris sicher sein, während sich im größten Swing State Pennsylvania mit 19 Wahlmännern ein knapper Trend für Trump abzeichnet. Dieser könnte wahlentscheidend sein. Insofern läge Trump derzeit knapp vorn.
Analyse des Wahlkampfs
Der Wahlkampf in den USA verläuft alles in allem erstaunlich ruhig. Kein Vergleich zu den Aufgeregtheiten in den Jahren 2016 und 2020. Vor allem 2016 war schlimm, als sich Donald Trump und Hillary Clinton auf niedrigstem Niveau Schlammschlachten lieferten.
2020 wurde Trump von den Demokraten als „Faschist“ gelabelt. Auch jetzt wieder, aber diese Brandmarkung des Republikaners scheint zumindest bei der breiten Öffentlichkeit nicht anzukommen. Liegt das am Alter von Trump (78)? Ist er zahmer geworden?
„Beide Wahlkampflager scheinen sich darin einig zu sein, dass die letzten Wähler, die man für das jeweilige Lager noch gewinnen könnte, konservative Personen sind, die Trump persönlich ablehnen, aber der vermeintlich linken Politik von Harris skeptisch gegenüberstehen“, versuchte kürzlich Chuck Todd, Chefanalyst des US-Fernsehsenders „NBC News“ die Wählerstimmung zu verstehen.
Es fällt tatsächlich auf, dass Harris wohl davon ausgeht, sie müsse republikanisch-geneigte Wähler von ihrer Politik überzeugen. Doch ihre Wahlkampfwerbespots, die über die Fernsehkanäle täglich in die Wohnzimmer der Amerikaner strahlen, sprechen keine Sorgen oder Themen von konservativen Wählern an.
Stattdessen gibt es viel Werbung für die Themen „Soziale Sicherheit“, „reproductive rights“ – also das Recht der Frau auf Empfängnisverhütung und Abtreibung – sowie einige rechtfertigende Werbespots, die den bisherigen Umgang von Harris als Vizepräsidentin mit der Migration aus Lateinamerika über die mexikanische Grenze erklären wollen.
Angriffe auf Trumps weidlich umstrittenen Charakter oder auf seine MAGA-Fans (Make America Great Again) kommen nicht vor – zumindest nicht in der Schlussphase des Wahlkampfs.
Wie sich in den vergangenen zwölf Jahren herausgestellt hat, ist Trump aufgrund seines impulsiven Auftretens sowie seines Gebarens als Bully und Rabauke oft sein eigener schlimmster Gegner. Andererseits war er in den vergangenen zwei Wochen dieses Wahlkampfs – vor allem medial – präsenter als Harris. Ohnehin ist er buchstäblich jedem amerikanischen Wähler hinlänglich bekannt, was man von Kamala Harris nicht behaupten kann.
Insofern liegt folgende Annahme nahe: Sollte Harris ins Weiße Haus einziehen, läge es weniger an ihren überzeugenderen Argumenten als daran, dass sich die entscheidenden Wähler in den Swing States für das „kleinere Übel“ entschieden haben.
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