Russland verteidigt in Syrien Sicherheitsinteressen Deutschlands
Brandanruf eines syrischen Freundes in Aleppo am Samstagmorgen um 3 Uhr deutscher Zeit. Er will weg, weiß aber nicht, wie. Seine Angst kriecht durch die Telefonleitung bis in mein Schlafzimmer. Die islamistische Terrororganisation „Hayat-Tahrir-al-Sham“ (HTS) sei wieder da und habe Aleppo eingenommen. Wo die Regierungssoldaten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad seien, weiß kein Mensch.
HTS hieß bis 2016 „Jabhat al-Nusra“ und gehörte zur pan-arabischen Terrororganisation Al-Qaida. Mit Entstehung des brutalen „Islamischen Staates“ schloss sich HTS dieser bis heute noch im Irak aktiven Terrororganisation an. Dass diese „Steinzeit-Islamisten“ nun die größte Stadt Syriens eingenommen haben, versetzt nicht nur die Einwohner von Aleppo in Panik. Der militärische Coup der Terroristen sollte auch in Deutschland die Alarmglocken schrillen lassen. Warum?
Türkei als Hauptdrahtzieher
Ein Grund für das Fortbestehen der IS-nahen Terrorgruppe HTS ist die gemeinsame Interessenlage mit der Türkei. Die Türkei hat in Nordsyrien im HTS eine kampfstarke Milizorganisation als Verbündeten gewonnen, um gegen die kurdischen Aufständischen vorzugehen. Für die Türkei gelten die syrischen Ableger der kurdisch-türkischen Terrororganisation PKK als Hauptfeind.
Zudem finden auch die PKK-Kämpfer in Nordsyrien Rückzugsgebiete, von wo aus sie die Türkei angreifen. Deshalb nimmt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan jede Möglichkeit wahr, diese Kurden zu bekämpfen und sei es mithilfe islamistischer Terroristen. Diese Zusammenarbeit bestand auch mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) und nun erneut mit dessen syrischen Rumpfableger HTS.
Dass die Türkei mit ihrer Terror-Unterstützung andere NATO-Staaten gefährdet, hat in Ankara noch nie eine Rolle gespielt. Hier verfährt Erdoğan nach dem Prinzip, dass ihm das Hemd näher sei als der Rock. Zudem hatten sich weder die einstige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) je bei Erdoğan über sein faustisches Bündnis mit den Islamisten beschwert. Zumindest nicht öffentlich.
Hohe Gefährdung für Deutschland
Wenn nun die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor wenigen Tagen vor einer „abstrakt hohen Bedrohungslage auf Weihnachtsmärkten“ warnte und die Bundesbürger „zur Wachsamkeit“ aufrief, zeigt sich am aktuellen Beispiel in Syrien, dass die Anschlagsgefahr durch islamistische Gefährder, die Faeser meint, nicht abstrakt, sondern ganz konkret ist.
Dies macht zum Beispiel auch eine Information des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt deutlich. Auf einer seiner Webseiten warnt das Ministerium vor der Gefahr von islamistischen Anschlägen in Deutschland und führt unter anderem explizit die „Terrororganisation Hai’at Tahrir al-Sham“ (HTS) auf.
Jeglicher Erfolg des HTS in Syrien kann zur Gewinnung neuen Anhänger führen, auch unter Syrern, die in Deutschland leben. Insofern kann sich der Fall der Stadt Aleppo in die Hand des HTS unmittelbar auf Deutschland auswirken.
Russland flieg Luftangriffe – auch für deutsche Sicherheit
Wenn nun Russland, wie gestern gemeldet, mit seinen seit 2015 in Syrien verbliebenen Kampfjets Luftangriffe gegen HTS-Stellungen fliegt, dienen diese auch deutschen Sicherheitsinteressen. Konflikte im Nahen Osten stellen immer alle herkömmlichen Regeln komplett auf den Kopf:
- Die Türkei möchte Mitglied der von Russland geführten Staatengruppe BRICS werden, unterstützt aber Islamisten im Kampf gegen Russlands Verbündeten Assad.
- Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch das Handeln des NATO-Partners Türkei in Syrien wird vom türkischen Präsidenten billigend in Kauf genommen.
- Deutschland ist ein Verbündeter der Ukraine im Kampf gegen Russland. Jedoch trägt Moskau in Syrien dazu bei, jene vom NATO-Partner Türkei unterstützten Islamisten zu bekämpfen, deren Anhänger die innere Sicherheit Deutschlands bedrohen.
- Im Norden Syriens unterstützen die USA gegen den Willen der Türkei sogenannte „Syrische Demokratische Kräfte“, die von Kurden angeführt werden. Diese „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) kontrollieren weite Teile des Nordostens und Ostens Syriens und gewähren PKK-Kämpfern Unterschlupf und Unterstützung.
Wer dieses Wirrwarr bis hierhin nachvollziehen kann, hat einen Grundkurs in Nahost-Politik absolviert.
Das staatliche russische „Zentrum für die Versöhnung der verfeindeten Parteien in Syrien“ erklärte laut Nachrichtenagentur „Reuters“, die russischen Raketen- und Bombenangriffe auf die Rebellen hätten „Kommandoposten, Depots und Artilleriestellungen“ in den Provinzen Aleppo und Idlib zum Ziel gehabt. Es behauptete weiterhin, etwa 300 Rebellen seien durch die russischen Angriffe getötet worden.
Die Stimmungslage vor Ort zeigt ein anderes Bild: Die Kämpfer ziehen ausgelassen feiernd ungehindert durch die Straßen Aleppos, posieren für Fotos und schwenken Fahnen. Auch der Flughafen Aleppos sei unter ihrer Kontrolle, weshalb Flucht über den Luftweg nicht mehr möglich sei.
Laut Nachrichtenagenturen habe Russland seinem Verbündeten in Damaskus zugesagt, dass binnen 72 Stunden zusätzliche Militärhilfe eintreffen werde. Es blieb aber offen, worum es sich bei dieser Zusage genau handelt.
USA geben Assad die Schuld
In Washington gab laut Nachrichtenagentur „Reuters“ der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Sean Savett, die Schuld an der jetzigen Lage ausschließlich Assad. Dessen Weigerung, sich an einem politischen Prozess zu beteiligen, und sein Verbleib in der militärischen Abhängigkeit von Russland und dem Iran hätten „die Bedingungen für die sich jetzt entwickelnde Lage geschaffen, darunter den Zusammenbruch der Linien des Assad-Regimes im Nordwesten Syriens“.
Gleichzeitig wies Savett Spekulationen zurück, die USA seien in irgendeiner Form in der neuen Offensive, die von einer „als Terroristen eingestuften Organisation“ angeführt werde, involviert.
Der syrische Bürgerkrieg, der hunderttausende Menschen das Leben gekostet und viele Millionen vertrieben hat, dauert seit 2011 an, ohne dass ein formelles Ende in Sicht wäre. Die Kämpfe waren seit 2020 überwiegend eingestellt, nachdem der Iran und Russland Assads Regierung massiv mit Waffen, Soldaten und Milizen unterstützt hatten, die Kontrolle über die meisten Gebiete des Landes sowie über alle großen Städte wieder herzustellen.
Aleppo war 2016 zum Wendepunkt des Krieges geworden, nachdem die Assad-Truppen die Stadt nachhaltig für Damaskus zurückgeholt hatten.
Reihum Schuldzuweisungen
Zu den Kriegen in Gaza und im Libanon gesellt sich nun erneut der syrische Bürgerkrieg. Deshalb hat laut mehrerer Presseberichte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan telefoniert.
Laut türkischen Angaben habe Fidan gesagt, die Türkei habe ursprünglich schlimmere Absichten der Rebellen verhindert. Der iranische Außenminister Abbas Araqchi telefonierte ebenfalls mit Lawrow und ließ mitteilen, dass die „Rebellenangriffe Teil eines israelisch-amerikanischen Plans zur Destabilisierung der Region“ seien, wie iranische Staatsmedien berichteten.
Aus dem Kreis der Rebellen war laut Presseberichten zu erfahren, dass die Angriffe auf Idlib und Aleppo ursprünglich lediglich als Reaktion auf jüngste Angriffe der russischen und syrischen Luftstreitkräfte in den vergangenen Wochen gedacht waren. Über den raschen Geländegewinn und die nahezu nicht erfolgte Gegenwehr der Assad-Truppen seien die Rebellen selbst überrascht.
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