Rückzahlungen für Corona-Hilfen: Das Damoklesschwert über dem Mittelstand

Fünf Jahre nachdem die ersten Corona-Hilfen ausgezahlt wurden, befürchten viele Mittelständler, dass sie Rückzahlungen an den Staat leisten müssen. Ungünstige Familienverbundregeln könnten zu mehr Insolvenzen führen. Eine Analyse.
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Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft in Deutschland sieht in möglichen Rückzahlungen der Corona-Hilfen ein Problem für viele Betriebe.Foto: Lars Baron/Getty Images
Von 14. März 2025

„Wir lassen niemanden allein“, so kündigte der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Anfang der Corona-Pandemie im Jahr 2020 umfangreiche Wirtschaftshilfen an. Fünf Jahre später bangen viele Unternehmen immer noch, ob und wie viel der Corona-Hilfen sie an den Bund zurückzahlen müssen. Experten schätzen, dass es noch bis 2027 dauern könnte, bis das Bürokratiemonster abgewickelt ist. Schon jetzt sind die Insolvenzzahlen so hoch wie seit 2015 nicht. Für viele kleine und mittelständische Unternehmen könnte die Rückzahlung in der ohnehin angespannten wirtschaftlichen Lage den Todesstoß bedeuten.

Vor allem Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen waren am Anfang der Corona-Pandemie stark und unmittelbar von den Corona-Maßnahmen betroffen. Über mehrere Monate in mehreren Lockdowns mussten sie ihre Läden schließen oder durften sie nur unter strengen Auflagen öffnen, verbunden mit gravierenden Umsatzeinbußen. Um die Wirtschaft am Leben zu erhalten, gab der Staat insgesamt über 60 Milliarden Euro aus. Soforthilfen, Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfen, was schnell und unbürokratisch wirken sollte, wurde zu einem fast undurchschaubaren Regelkonstrukt. 

Intransparenz und Bürokratie statt unkomplizierter Hilfe

Statt über die Finanzämter, die über alle Daten der Unternehmen verfügen, wurden die Anträge über sogenannte „prüfende Dritte“, also in der Regel Steuerberater, abgewickelt. Die Unternehmer mussten dabei immer wieder ihre zu erwartenden Umsatzrückgänge schätzen, um Zuschüsse zu ihren laufenden Kosten zu erhalten.

Anders als in Österreich wurde in Deutschland kein Unternehmerlohn zur Deckung von Lebenshaltungskosten ausgezahlt, sondern je nach Umsatzrückgang Zuschüsse zu Mietzahlungen und anderen Fixkosten.

Mit der Schlussabrechnung, die spätestens zur letzten Frist Ende September 2024 eingereicht werden musste, soll jetzt geklärt werden, ob Unternehmen das erhaltene Geld wirklich und in voller Höhe benötigt haben. „Der Schutz aller Steuerzahler verlangt nun, dass der korrekte Bedarf der ausgezahlten Steuergelder nun auch nachgewiesen wird“, sagte Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium im Juli vergangenen Jahres.

Was den Unternehmen und ihren Steuerberatern indes bei der Ermittlung der Förderung von Anfang an Kopfzerbrechen bereitet hat, waren die komplizierten Anträge und die Kriterien dafür, die in den sogenannten FAQs (Fragen und Antworten) auf der Website www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de oft wöchentlich korrigiert und verändert wurden. Mitarbeiter mussten regelmäßig geschult werden, um das intransparente Regelwerk und seine rückwirkenden Änderungen zu durchschauen und anwenden zu können. So wurden Zuschüsse zu Marketingkosten oder Kosten für Umbauten in Gastrobetrieben rückwirkend wieder gestrichen. 

„Familienverbund“ führt zu erheblichen Rückzahlungen

Unternehmen, die zunächst Einzelanträge gestellt hatten, mussten plötzlich Anträge im Familienverbund abgeben. Für die Annahme eines Familienverbunds legten die prüfenden Behörden lediglich ein Verwandtschaftsverhältnis oder Mietsituationen zwischen den Familienangehörigen zugrunde, ohne weitergehende Unternehmensverflechtungen.

Zum Beispiel musste ein Hotelier seinen Antrag mit dem des Gastrobetriebs seines Bruders zusammenlegen. Die Mietausgaben des Gastronomen an seinen Bruder wurden im Nachhinein nicht mehr als Kosten anerkannt und die dafür vorgesehenen Hilfen gestrichen, die Umsätze der eigenständigen GmbH-Unternehmen kumuliert. Namentlich genannt werden wollen die Unternehmer nicht, da die Abschlussverfahren noch laufen und sie Reputationsschäden oder andere Nachteile fürchten.

Unter Androhung der Prüfstellen, bei Nichtbeachtung der Regeln für Verbundunternehmen alle Hilfen komplett zurückzufordern, rieten Steuerberater ihren Mandanten in diesen Fällen dazu, die Anträge zusammenzulegen.

„Nach der mittlerweile gefestigten Vergabepraxis und der verbindlichen Vorgaben des Bundeswirtschaftsministeriums werden Mitglieder der sogenannten Kernfamilie (Vater, Mutter, Kind, Geschwister und Ehepartner) unwiderlegbar als gemeinsam handelnde Gruppe von Personen gewürdigt“, sagt Steuer- und Corona-Hilfen-Experte Lukas Hendricks. „Sofern diese also in einem gleichen oder benachbarten Markt tätig sind, werden sie beihilferechtlich und für Zwecke der Bewilligung der Überbrückungshilfen in einem Verbund zusammengerechnet.“

Ungleichbehandlung durch Regeln für Verbundunternehmen

Das kommt einer Sippenhaft gleich. Und hat weitreichende Folgen für die Schlussabrechnung: Die Umsätze aller angenommenen Verbundunternehmen werden zusammengerechnet und Mietkosten untereinander nicht berücksichtigt. Dadurch drohen den betroffenen Unternehmen erhebliche Rückforderungen bereits ausgezahlter Hilfen.

„Diese Handhabung ist für alle Beteiligten extrem unbefriedigend. Die Regeln wurden Jahre nach den ursprünglichen Antragsfristen geändert. Meiner Meinung nach wurde das von der Regierung zum Zeitpunkt der maximalen medialen Aufmerksamkeit bewusst nicht kommuniziert. Intakte Familien wurden somit im Nachhinein bestraft und ungleich behandelt“, so Hendricks.

Ein Viertel der Antragsteller muss Hilfen ganz oder teilweise zurückzahlen

Konkrete Zahlen über die Anzahl betroffener Unternehmen liegen offiziell nicht vor. Aber vor dem Hintergrund, dass laut der Stiftung Familienunternehmen 90 Prozent aller deutschen Unternehmen familienkontrolliert sind, dürfte die Zahl erheblich sein. Wie viele Unternehmen generell von Rückzahlungen betroffen sein werden, lässt sich derzeit nur schätzen.

Die IHK München und Oberbayern teilt beispielsweise mit, dass bei circa einem Viertel der Endabrechnungsanträge eine teilweise oder ganze Rückzahlung aufgrund der angegebenen Umsatzangaben zu erwarten ist. Laut einem Pressesprecher wurden zur Auswertung der Schlussabrechnung und Eintreibung der Gelder allein in Bayern bis Ende 2024 über 60 Millionen Euro an Beratungsfirmen wie KPMG ausgegeben. Da erscheint die Ankündigung von Markus Söder im vergangenen Jahr, Corona-Bußgelder etwa für das Nichttragen von Masken zu erlassen, vielen Unternehmern als blanker Hohn.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft in Deutschland sieht in möglichen Rückzahlungen ein Problem für viele Betriebe. Ein Sprecher sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, nicht zuletzt wegen der angespannten Weltlage seien die Rücklagen vieler Unternehmen aufgebraucht. „Es wäre ein starkes Signal gewesen, dem schwer unter Druck stehenden Mittelstand die Rückzahlung dieser Hilfen zu erlassen“, erklärte der Verband.

Insolvenzwelle – höchster Wert seit 2015

In den wirtschaftlich schweren Zeiten, die mit einer massiven Konsumzurückhaltung einhergeht, kämpfen viele Unternehmen ohnehin ums Überleben oder haben längst aufgegeben. 2024 gab es laut Creditreform insgesamt rund 22.400 Unternehmensinsolvenzen – der höchste Wert seit 2015. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhten sich die Fallzahlen um 24,3 Prozent.

Stark betroffen sind unter anderem Modehändler. Bereits 2022 beantragten 102 Händler und Hersteller von Textilien ein Insolvenzverfahren, berichtet das Branchenmagazin Textilwirtschaft. 2023 folgten Branchenriesen wie Peek & Cloppenburg oder Schuhhändler Reno, 2024 dann unter anderem Galeria Kaufhof, die KaDeWe-Gruppe und Esprit.

Der große Aufschrei in der Bevölkerung und in den Medien bleibt bislang aus. Vielleicht auch, weil die Unternehmen leise und peu à peu sterben. Je nachdem, wie stark sie von der Wirtschaftsflaute betroffen sind und wohl auch, wann sie ihre Corona-Schlussabrechnung abgegeben haben.

Experten schätzen, dass sich die Abwicklung noch bis 2027 ziehen wird. Das verschafft den Unternehmen erst mal Luft. Hoffnung auf erfolgreiche Klagen gegen den Staat und den oft als ungerecht empfundenen Regeln können sie sich dagegen kaum machen. Die Corona-Hilfen seien eine freiwillige Billigkeitsleistung des Staates, ist dabei in entsprechenden Prozessen das Hauptargument. In 3.834 Klageverfahren allein in Bayern konnten nur 0,8 Prozent der Antragsteller einen Klageerfolg verbuchen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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