Krisenherbst für die Ampel: Scholz appelliert in Videobotschaft an die Mitte

In einer Videobotschaft hat sich Bundeskanzler Scholz an die Öffentlichkeit gewandt. Er hat darin an die Mitte in Deutschland appelliert, sich auf das Gemeinsame zu besinnen. Derweil könnte ab sofort jede Kabinettssitzung das Ende der Ampel besiegeln.
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Bundeskanzler Olaf Scholz appelliert an die Mitte in Deutschland.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Von 25. September 2024

Zwei Tage nach den Landtagswahlen in Brandenburg wendet sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit einer Videobotschaft an die Bevölkerung. In dieser versucht er den Eindruck der gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland zu relativieren. Er appelliert insbesondere an die Mitte, sich darauf zu besinnen, dass die Menschen im Land mehr eine als trenne. Es gelte, miteinander zu reden, „statt nur noch übereinander und aneinander vorbei“.

Der Appell kommt zu einem Zeitpunkt, da der Weiterbestand der Ampelkoalition trotz des Erfolges der SPD in Brandenburg so unsicher ist wie nie zuvor. Der Chef der FDP, die bei zwei der drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im Null-Komma-Bereich gelandet war, setzt ein Ultimatum. Und auch bei den Grünen sinkt der Glaube an die Unerschütterlichkeit der eigenen Anhängerbasis: Erstmals seit sieben Jahren liegen sie in einer bundesweiten Umfrage nur noch im einstelligen Bereich.

Scholz: „Uns eint viel mehr, als uns trennt“

Der Kanzler präsentiert sich derweil als Sprachrohr der breiten gesellschaftlichen Mitte. In den wichtigen Fragen stünden die Bürger näher zusammen, als es vielfach den Anschein habe:

„Uns eint viel mehr, als uns trennt. Ich will, dass das so bleibt.“

Die Mehrheit wolle in der Migrationspolitik einen Kurs jenseits von Remigrationsfantasien und offenen Grenzen. Die Menschen seien sich darüber im Klaren, dass Krankenhäuser, Baustellen, Kitas oder Pflegeheime auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen seien. Gleichzeitig beharre man zu Recht darauf, dass Deutschland sich aussuchen könne, wer komme.

Auch mit Blick auf die Ukraine würden die meisten Deutschen Kiew gegen russische Angriffe unterstützen wollen. Gleichzeitig lege sie Wert darauf, dass Deutschland nicht Teil des Krieges werde und es Bemühungen um eine diplomatische Lösung gebe. Scholz fügte hinzu:

„Das unterstützen wir. Dafür ist jetzt die Zeit.“

Rentenpaket kommt in erster Lesung in den Bundestag

Gleiches gelte für eine Politik, die Umwelt und Klima schütze, ohne die Bürger zu überfordern, und für die Frage des Anpackens – bei gleichzeitiger Erwartung einer angemessenen Rente. Scholz betonte, ihm gehe es „um die vielen ganz normalen Leute mit ganz normalen Wünschen“, die „nicht nur laut meckern, sondern einfach machen“. Er könne verstehen, dass diese sich angesichts der Präsenz und Lautstärke extremer Stimmen an den Rand gedrängt fühlten.

Ob Scholz mit dem Video bereits seine Wahlkampfstrategie für die Bundestagswahl austestet, ist unklar. In der von ihm geführten Ampel ist von Einigkeit nicht mehr allzu viel zu bemerken und fortan könnte jede Kabinettssitzung zum Anlass für ein Auseinanderbrechen der Koalition werden.

Dabei ist mittlerweile die SPD die Partei, die das größte Interesse daran hat, über die volle Legislaturperiode zu regieren. Sie will noch das Rentenpaket umsetzen, das im Laufe der Woche in erster Lesung in den Bundestag kommt. Damit wollen die Sozialdemokraten das Rentenniveau bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens stabilisieren.

Tariftreue als neue potenzielle Sollbruchstelle in der Ampel

Das Problem: Die FDP hält nicht nur dies ohne erhebliche Beitragssteigerungen für unmöglich, sie fordert auch Abstriche bei der Rente für besonders langjährig Versicherte – ehemals „Rente mit 63“. Die SPD ist zu solchen jedoch nicht bereit.

Außerdem will die Kanzlerpartei „alles dafür tun, um Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten“. Um die Industrie im Land zu halten, und dabei denkt man unter anderem an den VW-Konzern, solle es deshalb auch flankierende Maßnahmen vonseiten des Staates geben. Aus der SPD kommen unter anderem Forderungen nach einer Abwrackprämie für Verbrenner und eine Wiederauflage der Kaufprämie für E-Autos.

Doch nicht einmal der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist von einem solchen Ansatz überzeugt. Am Montag stellte er im Rahmen des digitalen Autogipfels zwar der Industrie Unterstützung bei der Bewältigung der Standortkrise in Aussicht, allerdings erteilte er – in einem erkennbaren Seitenhieb auf den Vorschlag des Koalitionspartners – „Schnellschüssen“ eine Absage.

Wahl in Hamburg wird zur Nagelprobe für Scholz vor der Bundestagswahl

FDP-Chef Christian Lindner wiederum hat den „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen. Dies gelte vor allem für die Themenbereiche Migration und Wirtschaftspolitik. Dabei erklärte er, „in den nächsten Wochen“ werde sich entscheiden, „ob es den gemeinsamen Willen gibt, das so auch umzusetzen und gegebenenfalls auch darüber hinauszugehen“. Die Koalition müsse „den Mut haben, Dynamik zu entfachen“.

Dabei versteht er unter dieser jedoch kaum die jüngste Initiative von SPD-Sozialminister Hubertus Heil. Dieser will in dieser Legislaturperiode noch ein Tariftreuegesetz auf den Weg bringen. Öffentliche Aufträge sollen demnach nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen. Lindner spricht von einem „unfertigen Entwurf“ und „PR eines Ministeriums“, für die er „keine Verantwortung übernehmen“ könne.

Ob es die Ampel noch durch den Winter schafft oder nicht: Für Kanzler Scholz kommt die große Bewährungsprobe vor der Bundestagswahl Anfang März 2025. Anders als in Brandenburg wird er im Wahlkampf zu den Bürgerschaftswahlen in seinem Heimatbundesland Hamburg an vorderster Front mit dabei sein. Gelingt es ihm zusammen mit dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher, die führende Position der SPD zu verteidigen, würde ihm dies zweiten Wind auch für den Bund verleihen.

Die Ausgangsmarke liegt allerdings bei hohen 39,2 Prozent. Derweil startet die CDU vom schlechtesten Bürgerschaftswahlergebnis ihrer Geschichte aus – mit 11,2 Prozent. Das in Sachsen und Brandenburg erfolgreich bemühte Wahlkampfargument, die Ministerpräsidentenpartei zu wählen, um einen ersten Platz für die AfD zu verhindern, wird in der Hansestadt keine Rolle spielen.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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