G20: Brasilien fragt nach Hunger- und Klima-Zeche

Gastgeber Brasilien hat auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro bis Mittwoch den Kampf gegen den Hunger und den Klimawandel – neben der Besteuerung von Superreichen – als Zielsetzung markiert. Beraten wird auch über Israels Krieg im Nahen Osten und den Konflikt in der Ukraine.
Die G20 wurde zur internationalen Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen gegründet, beschäftigt sich inzwischen aber auch mit vielen anderen globalen Themen von der Terrorbekämpfung über den Klimaschutz bis hin zu Kriegen. (Archivbild)
Die G20 wurde zur internationalen Abstimmung in Finanz- und Wirtschaftsfragen gegründet.Foto: Ricardo Stuckert/Palacio Planalto/dpa
Von 20. November 2024

Die G20-Staaten haben sich schon am ersten Tag ihres Gipfeltreffens in Rio de Janeiro auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt.

Gastgeber Brasilien gelang es, die wichtigsten Punkte seiner G20-Präsidentschaft in dem Dokument unterzubringen – darunter auch den Kampf gegen Hunger und Klimaerwärmung. UNO-Generalsekretär António Guterres plädierte im Vorfeld dafür, im Hinblick auf die Klimakrise die G20-Staaten auf eine Führungsrolle beim Kampf gegen den Klimawandel einzuschwören.

Brasilien im Fokus

In Brasilien trat 2003 ein grundlegender politischer Wandel ein, als Luiz Inácio Lula da Silva in der futuristischen Hauptstadt Brasilia seine erste Präsidentschaft begann. Dieser bärtige, wohlwollend blickende Mann aus dem Volk, der als historischer Führer der brasilianischen Linken galt, betonte seine totale Unabhängigkeit von den USA.

Bei den „Yankee-Gegnern“ des Subkontinents fand er bereitwillige Verbündete und Sympathisanten. Lulas Präsidentschaft wurde von einem beachtlichen ökonomischen und geopolitischen Aufstieg seines Heimatlands flankiert.

In Brasilien entstand jenseits des Atlantiks ein ins Monumentale verzerrte Spiegelbild der ehemaligen Super- und Kolonialmacht Portugal, welche heute ein eher bescheidenes Dasein als EU-Mitgliedsstaat fristet.

Das aufstrebende Brasilien orientierte sich an den Ambitionen der Lusiaden und erhob innerhalb der multipolaren Welt unserer Tage den Anspruch auf einen Großmachtstatus. Unter der Abkürzung BRIC hatten die Medien einen Sammelbegriff für jene Schwellenländer erfunden – Brasilien, Russland, Indien, China – die Europas Bedeutung in den Schatten zu stellen drohten und mit den USA zusehends auf Augenhöhe kommunizierten.

Lula hatte dem Riesen Brasilien von 2003 bis 2011 einen beispiellosen Wirtschaftsboom beschert. Die Zahl der Armen halbierte sich. Doch 2012 endete der Aufschwung schlagartig. Brasilien rutschte in die Rezession ab; Arbeitslosigkeit und die ohnehin hohe Kriminalität stiegen rasant. Lulas Nachfolgerin, Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei, scheiterte an den immensen Problemen.

Durch den Petrobras-Korruptionsskandal sowie die Odebrecht-Schmiergeldaffäre wuchs die Wut der Brasilianer auf ihre Regierung, also auf die Arbeiterpartei. Rousseff wurde gestürzt. Lula da Silva wurde aus dem Verkehr gezogen und inhaftiert.

Nach dem Amtsantritt von Bolsonaro hatte sich in Brasilen, einst das größte katholische Land der Welt, ein markanter Machtwechsel vollzogen.

Bis auf eine Ausnahme, als der General Ernesto Geisel zur Zeit der Militärdiktatur 1974–1997 dem Land vorstand, waren alle Staatsoberhäupter des Giganten Südamerikas bisher Katholiken. Es ist daher auch nicht als Zufall zu betrachten, dass der neue evangelikale Präsident Jair Messias Bolsonaro seine Bewunderung für die Militärdiktatur, die erst 1985 enden sollte, zum Ausdruck brachte.

Bolsonaros Wahlsieg – er selbst ließ sich erst 2006 von einem evangelikalen Pastor im Jordan taufen – wurde getragen von der explosiven Ausbreitung dieser Glaubensrichtung, nicht nur in Brasilien.

Seit dem Neujahrstag 2023 ist Lula wieder im Amt und vertritt seine schon in der ersten Amtszeit vertretenen politischen Überzeugungen.

Lula versteht sich als Klimaschützer

Für den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva besitzt der Kampf gegen den Klimawandel einen hohen Stellenwert. Mit US-Präsident Joe Biden hat Lula einen Mitstreiter an der Seite, welcher aber nur noch wenige Wochen im Amt ist.

Bidens designierter Nachfolger Donald Trump will verstärkt Öl fördern und hatte schon in seiner ersten Amtszeit das Pariser Klimaabkommen für die USA außer Kraft gesetzt. Auch Brasiliens Nachbarland Argentinien ist in Rio vertreten und es wird befürchtet, dass der rechtsliberale argentinische Präsident Javier Milei, der sich selbst als „Anarchokapitalisten“ bezeichnet und den menschengemachten Klimawandel infrage stellt, aus dem internationalen Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen wird.

Konfliktstoff beherbergt auch die Debatte um die Kosten für die Klimakrise. Den Angaben im Vorfeld zufolge folgt der Streit über die Klimakosten dem bekannten Muster: Reiche Nationen plädieren dafür, dass einige boomende Schwellenländer sich ebenfalls an diesen beteiligen. Diese sehen jedoch die reichen Industriestaaten in der Pflicht.

Brasilien vertritt eine weltweite Allianz gegen Hunger

Neben der Klimakrise wird der Kampf gegen den weltweiten Hunger ein zentrales Thema in Rio darstellen. Lula brachte zu Beginn des Gipfels die „globale Allianz gegen Hunger und Armut“ ins Spiel, deren Ziel es ist, Initiativen zur Steigerung der Lebensmittelproduktion und zur Bekämpfung von Hunger voranzutreiben. Lula selbst sieht Maßnahmen seiner Politik in Brasilien diesbezüglich als Vorbild, zum Beispiel Programme für arme Familien und Mikrokredite für Kleinbauern.

Fragen zu Krieg und Frieden

Die G20 verfasst bei ihren Gipfeltreffen normalerweise gemeinsame Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs, die zwar rechtlich nicht bindend sind, politisch aber eine gewisse Signalwirkung entfalten. So wird auch bereits im Vorfeld schon an der Abschlusserklärung gearbeitet. Der Ukraine-Krieg stellt für die G20 seit dem russischen Einmarsch 2022 ein Problem dar, weil ein Großteil der Teilnehmer das westliche Narrativ nur bedingt teilt.

Bezüglich der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten wurde bisher nur ein Minimalkonsens gefunden. Moskaus Krieg gegen Kiew wird nicht ausdrücklich verurteilt, das G20-Mitglied Russland wird in der entsprechenden Passage nicht erwähnt. Es wird nur allgemein „auf das menschliche Leid und die negativen zusätzlichen Auswirkungen des Krieges“ verwiesen, beispielsweise auf die Nahrungsmittel- und Energiesicherheit.

Ebenfalls nicht erwähnt ist der Terrorüberfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. In der Erklärung zeigt sich die G20 über die humanitäre Lage im Gazastreifen und über Israels Krieg im Libanon besorgt und bekräftigt ein „unerschütterliches Engagement“ für eine Zweistaatenlösung.

Der russische Präsident Wladimir Putin ist in Rio nicht anwesend, sondern lässt sich durch seinen Außenminister Sergej Lawrow vertreten. Dieser war auch auf einem Gruppenfoto zu sehen, bei dem die hochrangigen Gipfelgäste posierten, allerdings ohne den Chef im Weißen Haus.

Über den Autor:

Der Artikel wurde unter Pseudonym eingereicht. Der Autor ist der Redaktion persönlich bekannt und ist beziehungsweise war für verschiedene öffentlich-rechtliche sowie privatrechtliche Medien im deutschsprachigen Raum seit über 20 Jahren tätig, unter anderem auch als Auslandskorrespondent.

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