„Es geht nicht darum, Russland Gebiete zu überlassen. Nur amerikanische Interessen zählen“

Philippe Fabry, französischer Geopolitologe und Historiker, analysiert für Epoch Times die Außenpolitik von Donald Trump. Im Interview geht er auf die Art und Weise ein, wie die neue US-Regierung den russisch-ukrainischen Konflikt beenden will. Er äußert sich auch zur Zukunft eines Friedens im Nahen Osten und zum Panamakanal.
Wie beurteilen Sie Donald Trumps ersten Monat im Weißen Haus im Hinblick auf die Außenpolitik? Besonders provokant agierte der US-Präsident gegenüber Panama, Grönland und Kanada.
Zunächst müssen wir uns daran erinnern, dass es uns in Frankreich und in Europa allgemein schwerfällt, zu verstehen, dass die USA keine europäische Nation sind.
Wir haben diese im 20. Jahrhundert noch recht lebendige Idee verloren, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor eine junge Nation sind, die sich immer noch im Aufbau befindet. Sie sucht ihre natürlichen Grenzen, indem sie die einzige Herrscherin über Nordamerika sein will. Diese Idee schockiert die amerikanische Bevölkerung in keiner Weise, da sie an diese Logik gewohnt ist, neue Territorien zu integrieren.
Darum ist die Idee, Grönland, Kanada und möglicherweise den Panamakanal zurückzugewinnen, ein Mittel, um die Routen zu kontrollieren, die das amerikanische Territorium umgeben. Mit dem Kanal gibt es eine essenzielle Wasserstraße, die in chinesische Hände fallen könnte. Es geht also darum, den chinesischen Rivalen aus der Zone zu vertreiben.
Und in gewisser Weise ist der Wunsch, Kanada zu einem Ganzen mit den Vereinigten Staaten zu integrieren, die Fortsetzung einer jahrzehntelang verfolgten Politik. 1958 gründeten die beiden Mächte das Kommando für die Luft- und Raumfahrtverteidigung Nordamerikas (NORAD). 30 Jahre später unterzeichneten sie das kanadisch-amerikanische Freihandelsabkommen (ehemals NAFTA).
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Philippe Fabry. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Fabry
Die Idee besteht darin, eine solide Front gegenüber dem arktischen Rivalen Russland aufzubauen und insbesondere die Kontrolle über das zu haben, was als wichtige neue Seeroute angekündigt wird. Was der amerikanische Präsident sagt oder tut, ist also nicht so absurd, wie man meinen könnte.
Wie sehen Sie die Ukraine-Politik von Trump? Einige Analysten behaupten, er sei dabei, Moskau von Peking zu trennen.
Das sage ich schon seit Jahren. Donald Trump verfolgt eine Art umgekehrte Kissinger-Nixon-Strategie. Damals ging es darum, China von der UdSSR zu lösen, die der Hauptgegner war. Heute muss Russland von China getrennt werden.
Diese Strategie hat jedoch ihre Grenzen: Zur Zeit der Regierung Nixon war der Bruch zwischen Peking und Moskau bereits vollzogen. Damals hatten die beiden Länder 1969 in Onsuri einen Krieg geführt, der laut CIA 20.000 Menschenleben kostete.
Diejenigen, die auf dieser Strategie bestehen, sehen bei Donald Trump eine größere Nachsicht gegenüber Wladimir Putin als andersherum. Der US-Präsident versucht, Russland von China abzukoppeln, aber nicht um jeden Preis und nicht ohne erhebliche Opfer für Russland.
Ferner gibt es derzeit keine besonderen Dinge, die neu wären – verglichen mit den Bedenken, die Joe Biden bereits gegenüber der Ukraine hatte.
In einem aktuellen Interview mit der Journalistin Catherine Herridge warf US-Außenminister Marco Rubio dem ukrainischen Präsidenten vor, wegen eines Rohstoffabkommens ein doppeltes Spiel mit ihm und Donald Trump zu spielen. Könnten Sie auf die Aussagen von Marco Rubio eingehen?
Marco Rubios Worte kommen nicht aus dem Nichts. Von Anfang an war Donald Trump gegenüber Wolodymyr Selenskyj recht nachsichtig. Als der ukrainische Präsident öffentlich seine Ablehnung des Deals verkündete, begann er, ihn zu tadeln.
Dies geht im Übrigen auch aus einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Artikel von „Politico“ hervor. Dort heißt es, proukrainische Vertreter der Republikanischen Partei in Washington hätten das ukrainische Staatsoberhaupt aufgefordert, das Abkommen zu akzeptieren.
Es wurde viel darüber gesprochen, dass der US-Präsident das russische Narrativ des Ukraine-Kriegs aufgreift. Doch es sieht eher danach aus, dass Wolodymyr Selenskyj Donald Trump offenbar verärgert hat.
In dem Interview berichtet Marco Rubio, der ukrainische Präsident habe gesagt, dass er den Deal akzeptiere, allerdings müsse er ihn vom Parlament ratifizieren lassen. Aber dann, ohne Trump zu benachrichtigen, sagte Selenskyj, dass er gezwungen sei, den Deal abzulehnen. So hat er es öffentlich angekündigt. Das hat Donald Trump verärgert.
Dennoch gab es später auch andere positive Signale: Donald Trump erklärte, der Deal liege weiterhin auf dem Tisch. Michael Waltz, der Nationale Sicherheitsberater, sagte, es sei eine verfeinerte Version des Vorschlags vorgelegt worden. Mit anderen Worten: Wolodymyr Selenskyj wird ein weiterer Deal angeboten.
Auf der anderen Seite befindet sich der ukrainische Präsident in einer problematischen Lage, denn seit Kriegsbeginn wird immer wieder wiederholt, dass die Kiewer Truppen für den Westen kämpfen. In den Augen von Selenskyj und seinen Anhängern ist die US-Hilfe zu einer Selbstverständlichkeit geworden, gerade wegen ihrer Rolle bei der Eindämmung der russischen Truppen.
Aus Washingtons Sicht ist es ein wenig anders. Man geht davon aus, dass man der Ukraine einen „Gefallen“ tut. Das Land ist weit entfernt und die Hilfe teuer. Das Mindeste wäre also, den Deal anzunehmen. Davon abgesehen laufen die Verhandlungen noch – selbst nach dem theatralischen Gebaren von Donald Trump.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs sprechen davon, dass die Ukraine im Stich gelassen würde. Sie vergessen jedoch, dass die einzigen Bedingungen, unter denen der republikanische Präsident eine Einigung mit Wolodymyr Selenskyj erzielen will, auf einem Wirtschaftsabkommen zwischen den USA und der Ukraine beruhen.
Es geht nicht darum, Russland Gebiete zu überlassen. Dies ist nicht Teil des Deals. Nur die amerikanischen Interessen zählen in der Ukraine.
Ferner ist es interessant, festzustellen, dass sich Kiew ab dem Zeitpunkt, an dem sich die USA als Miteigentümer eines großen Teils der Ukraine betrachten, nicht mehr so viele Sorgen um seine Sicherheitsgarantien machen muss. Es ist schwer vorstellbar, dass Donald Trump das, was eine amerikanische Investition geworden ist, nicht verteidigen würde.
Ich sage, die Europäer gehen voreilig vor, wenn sie behaupten, die Ukraine werde von Amerika im Stich gelassen.
Also ist dieser Deal auch für die Ukraine interessant?
Es hat zwar seine Schattenseiten, ein Herrschaftsgebiet der USA zu werden, doch ich glaube, es ist besser, unter der Herrschaft Washingtons zu stehen als unter der von Moskau. Auf der amerikanischen Seite gibt es einen einseitigen Deal, gleichzeitig sieht sich Kiew jedoch mit erzwungenen Entscheidungen konfrontiert. Das ist der Grund, warum Donald Trump nicht vorhat, Geschenke zu machen.
Stellen Sie sich vor, er müsste eines Tages diese Investition gegen die Russen verteidigen. Trump hat also ein Interesse daran, profitabel zu sein, sonst würde es seine Wählerschaft nicht verstehen.
Könnte im Nahen Osten das Friedensabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten von 2020 dazu beitragen, den Frieden in der Region wiederherzustellen?
Donald Trump ist der Initiator des Abraham-Abkommens. Daher ist es naheliegend, dass er sie nicht loswerden möchte.
Die Signale, die er seit zwei Monaten sendet, deuten darauf hin, dass Trump die Absicht hat, in der Region Ordnung zu schaffen und sie neu aufzustellen.
Er besteht weiterhin darauf, dass die palästinensische Bevölkerung Gaza verlassen und von Ägypten oder Jordanien aufgenommen werden müsse, was selbst im Rahmen der Abraham-Abkommen eine ziemlich gewagte Forderung ist.
Meines Erachtens wird es zu einer Neuverhandlung dieser Punkte kommen und nicht nur einfach zu einer Umsetzung der ursprünglich geplanten Maßnahmen.
Der Artikel erschien zuerst in der französischen Epoch Times unter dem Titel „Philippe Fabry : «En cas de deal économique entre les États-Unis et l’Ukraine, Kiev n’aura plus à s’en faire pour sa sécurit黓. (deutsche Bearbeitung ks)
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