Die Schlacht um Kursk ist zu Ende – Was sind die Folgen für die Friedensverhandlungen?

Am 6. August 2024 rückten etwa 11.000 Streitkräfte der Ukraine mit Panzern in das russische Grenzgebiet Kursk vor. Am Ende der ersten Woche teilte das ukrainische Militär mit, dass es 1.000 Quadratkilometer russisches Territorium erobert habe.
Im Oktober 2024 kam der ukrainische Vormarsch zum Erliegen. Gemäß einer umfangreichen Studie des Washingtoner „Institute for the Study of War” (ISW) begann das russische Militärkommando rund 78.000 Soldaten, darunter 11.000 Nordkoreaner, im Bezirk Kursk zusammen zu ziehen und die ukrainischen Soldaten zurückzudrängen.
Ukraine gibt Kursk wieder auf
Bis 11. März dieses Jahres zogen sich laut dem amerikanischen „Forbes“-Magazin die meisten ukrainischen Streitkräfte aufgrund russischer Gegenangriffe wieder nahezu vollkommen hinter die russisch-ukrainische Grenze zurück, um nicht eingekesselt zu werden.
„Forbes“ verwies darauf, dass der ukrainische Oberbefehlshaber General Oleksandr Syrskyi nicht von einer Niederlage sprach, sondern am 10. März erklärt habe, die ukrainischen Einheiten in der Region Kursk seien „nicht bedroht.“
„Aber Syrskyj sagte nicht, dass seine Truppen in Kursk bleiben würden“, hält das Magazin fest. Stattdessen kündigte der ukrainische General nebulös an, seine Einheiten würden Maßnahmen ergreifen, „um an einer vorteilhaften Verteidigungsgrenze zu operieren“.
„Das könnte bedeuten, dass die ukrainischen Brigaden Kursk verlassen und einen Großteil des Territoriums aufgeben, das Selenskyj im Gegenzug für einen günstigen Waffenstillstand an Russland zurückgeben wollte“, analysiert „Forbes“.
Allerdings habe die ukrainische Regierung nie behauptet, sie wolle Teile des Bezirks Kursk dauerhaft besetzen. Vielmehr sei dieser militärische Vorstoß auf russisches Gebiet ein Versuch gewesen, Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin auszuüben und ihn zu Friedensverhandlungen zu zwingen, indem die russischen Streitkräfte von wichtigen anderen operativen Zielen in der Ukraine abgelenkt werden sollten, ist das ISW überzeugt.
Erfolge für die Ukraine
Der Ukraine ist es seit August 2024 gelungen, dem russischen Militär großen Schaden zuzufügen, russische und nordkoreanische Soldaten gefangen zunehmen, die russische Artillerie vorübergehend in ihrer Reichweite stark zu behindern und Nachschublinien zu zerstören. Eine Entlastung der ukrainischen Truppen an der Front im Südosten gelang durch das Unternehmen jedoch nicht.
Als ursprüngliches Ziel der Ukraine für ihren Angriff auf Kursk wird von Militärexperten, darunter dem österreichischen Oberst Markus Reisner, genannt: Ein möglichst tiefes Vordringen in russisches Territorium, idealerweise bis zum russischen Atomkraftwerk in Kursk, um ein Faustpfand für Verhandlungen zu erlangen; die Entlastung der stark umkämpften Front im Donbass, sowie eine Blamage für Putin. Denn erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wurde wieder auf russischem Territorium gekämpft.

Foto: Epoch Times nach Center for Strategic and International Studies, Institute for the Study of War with American Enterprise Institute’s Critical Threats Project
Warum die Region Kursk?
Wer mit der Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs vertraut ist, könnte rasch versuchen, Parallelen zu den heftigen Kämpfen in diesem Gebiet im Sommer 1943 zu ziehen.
Das russische Militärkommando hatte seine lange Westgrenze zur Ukraine seit Mitte 2022 im Wesentlichen als eine „ruhende Front“ behandelt und es daher laut ISW „versäumt, die Grenze ausreichend zu befestigen und zu bemannen“.
Stattdessen konzentrierte sich der Kreml auf die russischen Stellungen in der Ost- und Südukraine und versuchte diese zu festigen und auszubauen. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 wurde der Grenzschutz weitgehend Kräften der Geheimpolizei „Föderaler Sicherheitsdienst“ (FSB), der russischen Nationalgarde Rosgwardija und gering ausgebildeten Wehrpflichtigen überlassen.
Die Militärstrategen in Kiew erkannten, dass die Grenze im Westen Russlands anfällig für Angriffe sein könnte, insbesondere im Bezirk Kursk.
Nach Informationen des ISW seien sich die russischen Behörden in den Monaten vor August 2024 der Gefahr eines möglichen ukrainischen Überfalls auf Kursk zwar bewusst gewesen, konnten jedoch „keine angemessenen Schritte“ unternehmen, um der ukrainischen Bedrohung zu begegnen.
Außerdem war Russland offenbar nicht ausreichend über die Truppenstärke und Fähigkeiten der ukrainischen Armee informiert. Und so blieb die Grenze im Bezirk Kursk im Sommer 2024 weitgehend ungeschützt.
Fehleinschätzung Putins
Das ISW kommt weiterhin zu dem Schluss, dass Putin 2024 einer generellen Fehleinschätzung über die Kampfkraft seiner Truppen unterlegen gewesen sei.
Er sei davon überzeugt gewesen, dass die russischen Streitkräfte drei Jahre nach Beginn des Krieges „immer noch in der Lage seien, erfolgreiche Offensivoperationen in der Nordukraine durchzuführen“, sollte dies nötig sein. Auch diese Fehleinschätzung habe dazu beigetragen, die Region Kursk weitgehend unbefestigt zu lassen.
Vielmehr habe sich Putin auf eigene Angriffe verlassen, wie mit der Offensive im nördlichen ukrainischen Bezirk Charkiw im Mai 2024.
Putin sei „weiterhin davon überzeugt“ gewesen, „dass die russischen Streitkräfte in der Lage seien, erhebliche Vorstöße in die Nordukraine durchzuführen“, so wie zu Beginn seiner Invasion im Februar 2022. Putin hätte jedoch ab 2024 gewarnt sein müssen, dass seine Annahme nicht stimmt, denn die militärischen Fähigkeiten der Ukraine reichten aus, die russische Offensive im Norden von Charkiw einzudämmen.
Ukrainer durch Drohnen gestoppt
Nun aber neigen sich die Kämpfe um Kursk dem Ende zu. Vor etwa einem Monat gelang es den russischen Truppen „durch den Einsatz weitreichender FPV-Drohnen die wichtigste ukrainische Versorgungslinie“ im Kursker Raum unter Kontrolle zu bringen, erklärt der österreichische Oberst Markus Reisner in einem Beitrag auf der Webseite des österreichischen Bundesheers.
Dies habe „zu einer erheblichen Unterbrechung der Nachschublieferungen in die Stadt Sudja, dem zentralen Logistikverteilerpunkt der Ukrainer“ geführt.
Die Ukraine habe in den vergangenen Monaten keine Luftüberlegenheit mehr herstellen können, was entscheidend dazu beigetragen habe, dass die russische Aufklärung durch Drohnen ungehindert habe durchgeführt werden können.
Auf diese Weise hätten die russischen Streitkräfte täglich Ziele für Gleitbomben- und Artillerieangriffe aus sicherer Entfernung aufklären können. Vergangene Woche begannen zudem russische Flankenangriffe, denen die ukrainischen Truppen nichts mehr entgegensetzen konnten.
Wie gehts weiter?
Es ist davon auszugehen, dass Putin nach dem jüngsten Erfolg in Kursk seine Ziele, insbesondere für die derzeitigen Waffenstillstandsverhandlungen, neu formulieren kann. Sein strategisches Ziel bleibt zweifellos weiterhin, jede Bedrohung Moskaus durch weitreichende westliche Waffensysteme auszuschließen.
„Dafür muss Russland den kompletten Raum östlich des Dnepr kontrollieren – entweder direkt oder durch eine entmilitarisierte Zone, die idealerweise von chinesischen Friedenstruppen überwacht wird“, glaubt Oberst Reisner. Jedwede weitere Entwicklung hängt maßgeblich auch von der Bereitschaft des Westens ab, die Ukraine zu unterstützen.
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