Deutschland wird Teil des Nahostkonflikts: Hinrichtung des Deutsch-Iraners Sharmahd
In arabischen Medien, wie etwa der reichweitenstarken saudischen Tageszeitung „Asharq Al Awsat“, sowie auf den Webseiten iranischer Nachrichtenagenturen erhält man ungefiltert Einblick in die Denkweise des Iran auf den Fall des am 28. Oktober 2024 hingerichteten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd.
Dort kommt eindeutig zum Ausdruck: Sharmahd wurde Opfer des aktuellen Nahostkrieges. Und Deutschland wurde von Teheran als Zielscheibe ausgewählt, weil von Berlin die ungefährlichste Reaktion zu erwarten ist, bei gleichzeitig höchstmöglicher Aufmerksamkeit.
Iran: „Deutscher Pass wertlos“
Der iranische Außenminister Abbas Araghchi gab auf mehreren Kanälen, darunter „X“ und „Pars Today“, bekannt: „Der deutsche Pass verleiht niemandem Immunität, geschweige denn einem terroristischen Straftäter.“
Und nun der entlarvende Schlüsselsatz: „Die deutsche Regierung ist auch am anhaltenden Völkermord des israelischen Regimes in Gaza beteiligt, da Deutschland der zweitgrößte Lieferant tödlicher Waffen für den Völkermord in Gaza und das Töten im Libanon ist.“
Die Hinrichtung Sharmahds erfolgte zwei Tage nach dem letzten Angriff Israels auf den Iran. Jetzt weiß die ganze Welt: Teheran antwortete dieses Mal nicht mit einem Gegenangriff, sondern mit dem Scharfrichter.
Was heißt „mehr als auf einen Tiefpunkt“?
Die Reaktion der Bundesregierung auf die Hinrichtung eines ihrer Staatsbürger fiel erwartungsgemäß aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem „Skandal“.
„Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt und behalten uns weitere Maßnahmen vor“, teilte das Auswärtige Amt im Namen seiner Ministerin auf der Plattform „X“ mit. Was aber heißt „scharfer Protest“?
Annalena Baerbock (Grüne) berief etwa den deutschen Botschafter aus Teheran zurück und schloss die iranischen Konsulate in Hamburg, Frankfurt am Main und München. Dazu die Außenministerin am 31. Oktober gegenüber der Presse:
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Berlin seien „mehr als auf einem Tiefpunkt“. Die Ministerin ließ allerdings offen, was an den deutsch-iranischen Beziehungen noch schlimmer sei als ein Tiefpunkt.
Und weiter: Irans Regierung „kennt vor allem die Sprache der Erpressung, Drohung und Gewalt“, sagte Baerbock am Donnerstag. „Auch die jüngsten Äußerungen des iranischen Außenministers, in denen er den kaltblütigen Mord an Jamshid Sharmahd in den Kontext der deutschen Unterstützung Israels stellt, sprechen eine deutliche Sprache.“
Baerbocks Rechtfertigung
In einer vom Auswärtigen Amt verbreiteten Erklärung der Ministerin heißt es zudem: „Dass nun im Lichte der jüngsten Entwicklung im Nahen Osten die Ermordung erfolgte, zeigt, dass ein diktatorisches Unrechtsregime wie das der Mullahs nicht in der normalen diplomatischen Logik agiert.“
Wie keine andere Bundesregierung zuvor habe das Auswärtige Amt unter ihrer Leitung das „menschenverachtende Agieren des Regimes in Iran“ in den letzten Jahren „klarstens benannt“: dessen „destabilisierende und schädliche regionale Rolle, die Raketenlieferungen an Russland, die Unterstützung regionaler Terrorgruppen wie Hisbollah, Hamas und Huthis“.
„Ebenso die direkten Angriffe auf Israel mit Drohnen und Raketen, das intransparente Nuklearprogramm und nicht zuletzt die schwerwiegende Repression gegen seine eigene Bevölkerung“ wie etwa bei den Frauenprotesten, zählte die Grünen-Politikerin ihr Engagement gegen den Iran seit ihrem Amtsantritt auf.
Baerbocks Anti-Iran-Engagement
In der Europäischen Union habe „ich als deutsche Außenministerin, gegen hunderte Verantwortliche unter unterschiedlichen Sanktionsregimen Sanktionen verhängt“, erklärte Baerbock ihr Engagement gegen das iranische Mullah-Regime weiter.
Dabei sei es um „Nuklearsanktionen, mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen und zuletzt mit Blick auf die Unterstützung des russischen Angriffskriegs“ gegangen.
Erst vor zwei Wochen habe die EU ein weiteres Sanktionspaket umgesetzt, das es der iranischen Fluggesellschaft „Iran Air“ „unmöglich macht, in Europa zu landen“, so Baerbock weiter.
Schließlich habe sie in Brüssel darauf gedrängt, die iranischen Revolutionsgarden auf die europäische Terrorliste zu setzen, „nachdem wir nun ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf haben, was die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hat“, erklärte die Ministerin am Donnerstag.
Die „Revolutionsgarden“ sind eine iranische Spezialeinheit, die vor allem gegen inneriranische Opposition eingesetzt wird. Ihr werden besondere Grausamkeit und Gräueltaten nachgesagt.
„Nicht genug getan“?
Seitens des Regierungspartners FDP hagelt es heftige Kritik an Baerbocks Politik gegenüber dem Iran. Die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann etwa urteilte auf X: „Die Iran-Strategie und Abkommen der letzten Jahre waren naiv.“ Sie forderte eine Anpassung der Iran-Politik an die Realität.
Vor allem jedoch die Tochter des Ermordeten, Gazelle Sharmahd, forderte von der Bundesregierung eine „harte Bestrafung“ des Iran. Was genau meint sie damit? Epoch Times hat eine Anfrage an Frau Sharmahd gestartet. Eine Antwort liegt bisher noch nicht vor. Sie wird nachgereicht, sobald diese erfolgt.
Rebecca Schönenbach, eine Islamismusexpertin, die sich schon länger gemeinsam mit Gazelle Sharmahd für die Freilassung des Vaters eingesetzt hat, hat nach dessen Ermordung gegenüber der Presse schwere Vorwürfe gegen das Auswärtige Amt erhoben: Ihrer Meinung nach hätte der iranische Botschafter in Deutschland „längst ausgewiesen werden müssen“. Dieser wurde indes im Juli von Teheran selbst schon längst zurückberufen.
Baerbock habe keine „Verhandlungsgrundlage aufgebaut“, um das Regime abzuschrecken. Während Frankreich, Schweden, Österreich und Belgien „in den vergangenen Monaten einige ihre Staatsbürger aus den iranischen Folterkerkern retten“ konnten, sei dies Deutschland nicht gelungen. Schönenbach glaubt, dass Teheran dies als „ein Zeichen von Schwäche“ ausgelegt habe.
Vorwürfe des Iran an Hingerichteten
Jamshid Sharmahd, 1955 in Teheran geboren, lebte ab 1962 überwiegend in Hannover, erhielt 1995 die deutsche Staatsangehörigkeit, zog aber 2003 mit seiner Familie nach Kalifornien. Dort arbeitete er als Softwareingenieur, engagierte sich aber auch auf einer Website gegen Menschenrechtsverletzungen im Iran.
Als Sharmahd im Sommer 2020 auf einer Geschäftsreise nach Indien in Dubai zwischenlandete, wurde er vom iranischen Geheimdienst des Mullah-Regimes gefangen genommen und nach Teheran verschleppt.
Dort wurde ihm vorgeworfen, er sei 2008 an einem Bombenanschlag auf eine Moschee beteiligt gewesen, wofür er schließlich im vergangenen Jahr zum Tode verurteilt und nun hingerichtet wurde.
Deutschlands direkter Draht verglüht?
Die Forderungen nach „Konsequenzen“ sind stets schnell und einfach geäußert. Aber so funktioniert internationale Politik nicht.
Zwar könnte die Bundesregierung weitere wirtschaftliche Sanktionen gegen den Iran verhängen, etwa gegen den Export von Maschinen und Produkten, die für die medizinische Versorgung der Bevölkerung wichtig sind. Solcherart Sanktionen hätten somit spürbare Folgen in der iranischen Gesellschaft. Aber ist solch ein Schritt klug?
Anders als die meisten westlichen Staaten, die sich gegen den russischen Angriff auf die Ukraine und gegen das Gebaren des Iran im Nahen Osten empören, hält die Bundesregierung nach wie vor die diplomatischen Kanäle zu Moskau und Teheran offen. Man spricht immer noch miteinander.
Für den Iran war bislang die Bundesregierung Hauptansprechpartner innerhalb der EU. Nach der Ermordung Sharmahds sehen eine Reihe von Beobachtern auf europäischer Ebene „die stille Diplomatie Deutschlands“ nun als gescheitert an.
Das wäre eine katastrophale Entwicklung nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Als letzte Konsequenz bliebe aus solch einem Scheitern nur noch übrig, dass die diplomatische Arbeit „hinter den Kulissen“ Staaten wie Katar oder gar der Türkei überlassen werden müssten.
Deren Vermittlungen haben aber stets einen Preis. Auf diese Weise geriete die EU, geriete Deutschland außenpolitisch in die Abhängigkeit anderer ehrgeiziger Akteure, deren Interessen nicht mit denen Deutschlands und Europas übereinstimmen.
Über den Autor:
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.
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