Bundeswehreinsatz und Flüchtlinge: Was die Nahosteskalation für Deutschland bedeutet

Der befürchtete großflächige Krieg im Nahen Osten ist zwar näher gerückt, aber noch vermeidbar, wie Reaktionen aus Teheran vermuten lassen. Als Folge steigt jedoch der Ölpreis weltweit an. Auf den Einmarsch israelischer Truppen (IDF) in den Libanon gestern Morgen folgte am Abend ein Raketenangriff des Irans auf Israel. Der israelische Militärsprecher kündigte daraufhin „Konsequenzen“ an. Doch welche Konsequenzen hat die Gewaltspirale für Deutschland?
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Am Abend des 1. Oktober griff der Iran mit 180 Raketen Israel an. Dies sei die Antwort auf Bodentruppen von Israel, die zuvor am selben Tag die Grenze zum Libanon überquerten.Foto: Ahmad Gharabli/AFP via Getty Images
Von 2. Oktober 2024

Der Iran feuerte laut Israel am Dienstagabend in mehreren Angriffswellen 180 ballistische Raketen auf israelische Städte ab, darunter Tel Aviv. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit eines direkten, umfassenden Krieges zwischen zwei der stärksten Militärmächte im Nahen Osten beträchtlich.

USA: Angriff war „unwirksam“

Der Angriff aus dem Iran stellt bislang den Höhepunkt einer rasanten Reihe von militärischen Entwicklungen innerhalb von 48 Stunden dar. Die Reizschwelle in Teheran wurde endgültig überschritten, als Israel am Dienstagmorgen mit einer Division (etwa 10.000 Soldaten) in den Südlibanon vorstieß, um Stellungen der vom Iran unterstützten Miliz Hisbollah zu bekämpfen.

180 ballistische Raketen habe der Iran abgefeuert, gab IDF-Sprecher Daniel Hagari gestern auf X bekannt. Eine ballistische Rakete verhält sich in ihrer Flugbahn wie ein Geschoss. Sie visiert ein Ziel an, ohne dabei von ihrer Flugbahn abzuweichen. Moderne Raketen können Abfangsystemen ausweichen und suchen sich das eingestellte Ziel selbst; ballistische Raketen können das nicht und sind deshalb leichter abzufangen.

Erste Berichte deuteten darauf hin, dass Israel mithilfe der US-Schiffe im Mittelmeer „und anderer Partner“ „diesen Angriff effektiv abgewehrt“ habe, sagte der amerikanische Außenminister Antony Blinken in Washington. Wer mit „anderen Partnern“ gemeint war, stand gestern Abend noch nicht fest. Im April, bei einem ähnlichen Angriff des Irans auf Israel, wehrten auch jordanische Kräfte die iranischen Raketen ab.

Vor dem jetzigen iranischen Angriff war – ebenso wie im April – zwei Stunden zuvor vom Weißen Haus in Washington gewarnt worden. Dies nährt die Annahme, dass Teheran bewusst im Vorfeld informiert haben könnte, um den Angriff damit diplomatisch abzumildern. Die amerikanische Regierung bestreitet dies indes und behauptet, sie habe die Information aus einer anderen Quelle. Und Israel war ohnehin auf einen Gegenschlag des Irans vorbereitet: Sobald die israelischen Truppen die Grenze zum Libanon überschritten hatten, wurde die Versammlungsfreiheit in israelischen Städten eingeschränkt und Bürger aufgefordert, in der Nähe von Schutzunterkünften zu bleiben.

Chamenei: Es wird „noch heftiger“, wenn …

Auf den Angriff des Iran werde es „Konsequenzen“ geben, kündigte der israelische Konteradmiral (wie Zwei-Sterne-General) Daniel Hagari auf X weiterhin an. „Wir werden reagieren, wo, wann und wie auch immer wir wollen.“

Der oberste iranische Führer, Ali Chamenei, reagierte daraufhin ebenfalls mit einer neuen Maximaldrohung. Der nächste Angriff werde „noch heftiger und schmerzvoller für Israel“ ausfallen, berichtet die Onlineplattform „Times of Israel“ gegen 22 Uhr. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi postete jedoch noch in der Nacht ( 2 Uhr) rasch eine Mäßigung hinterher: Nur im Fall eines israelischen Vergeltungsangriffs auf den Iran werde ein weiterer Gegenschlag erfolgen.

Araghtschi schrieb auf X: „Unsere Aktion ist abgeschlossen, es sei denn, das israelische Regime beschließt, zu weiteren Vergeltungsmaßnahmen aufzurufen.“ Und weiter: „Heute Abend (1. Oktober) haben wir Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta geübt und dabei ausschließlich Militär- und Sicherheitsstandorte ins Visier genommen, die für Völkermord in Gaza und Libanon verantwortlich sind. Wir taten dies, nachdem wir fast zwei Monate lang äußerste Zurückhaltung an den Tag gelegt hatten, um Raum für einen Waffenstillstand in Gaza zu schaffen.“

Offenbar konnten nicht alle iranischen Raketen abgefangen werden. Es gab eine Reihe von Schäden. Wie die „New York Times“ berichtete, sei eine iranische Rakete in der Nähe des israelischen Geheimdienstzentrums des Mossad in Tel Aviv eingeschlagen. Auch eine leere Schule sei getroffen worden. In Tel Aviv sei es zudem zu einer Schießerei gekommen, berichtet die amerikanische Zeitung weiter.

Iraner bereiten sich auf Flucht vor, Ölpreis steigt

Wie die iranische Nachrichtenagentur „ISNA“ berichtete, gab es erste Reaktionen im Iran: „Iraner strömen zu Tankstellen“. Dahinter steckt die Angst vor einem israelischen Angriff.

Iraner bereiten sich darauf vor, aus Städten zu fliehen. Diese Sorge wirkt sich bereits jetzt auf die Benzinversorgung aus. Wie Nachrichtenagenturen berichten, hat die nahöstliche Eskalation an der New Yorker Börse zu Kursverlusten und steigenden Ölpreisen geführt.

Ziel der israelischen Bodeninvasion im Libanon

Laut Angaben israelischen und amerikanischen offiziellen Stellen hatten die israelischen Luftangriffe auf die Hisbollah im Libanon in der vergangenen Woche „etwa die Hälfte der Raketen, die die Hisbollah über mehr als drei Jahrzehnte angesammelt hatte, vernichtet“ und zahlreiche Hisbollah-Kommandeure getötet, darunter am vergangenen Freitag ihren höchsten Führer Hassan Nasrallah.

Doch das Arsenal der Miliz scheint so immens zu sein und die Führung der Raketeneinheiten weiterhin intakt, dass die Hisbollah immer wieder das israelische Abfangsystem „Iron Dome“ überwinden und den israelischen Norden massiv bedrohen kann.

Nach vorherigem Einsickern von Spezialeinheiten folgten nun israelische Bodentruppen, um die Hisbollah aus dem Südlibanon zu vertreiben. Offizielles Ziel der israelischen Regierung ist es, die Hisbollah so weit zurückzudrängen, dass die aus Nordisrael Geflohenen in ihre Ortschaften zurückkehren können.

Die libanesische Hisbollah hat Israel seit dem Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas im Oktober 2023 nach eigenen Worten „aus Solidarität“ nahezu täglich mit Raketen beschossen und dadurch viele Einwohner im Norden Israels vertrieben.

Die US-Streitkräfte im Nahen Osten wurden vergangene Woche kurzfristig auf 43.000 Soldaten verstärkt. Amerikanische Soldaten operieren im Irak, Syrien, Jemen, im Mittelmeer und im Roten Meer.

Bundeswehr für den Gazastreifen?

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat gestern umgehend ebenfalls Bundeswehrsoldaten für die Region gefordert, meinte aber: als Friedenstruppe für den Gaza-Streifen. Doch dort operiert die israelische Armee weiterhin gegen die Hamas und Frieden ist nicht in Sicht. Zudem richten sich alle militärischen Planungen in der Region derzeit auf den Libanon. Insoweit war die gestrige Formulierung der Außenministerin schwer nachzuvollziehen.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), zeigte sich über Baerbocks Forderung umgehend empört. Sie kann sich eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem Einsatz in Gaza nicht vorstellen. „Unsere Bundeswehr ist echt am Rande dessen, was überhaupt noch zu leisten ist“, klagte Högl am Rande eines Treffens militärischer Ombudsleute in Berlin. Dies berichtete ntv.

Diese Aussage dürfte eher als Handlungsunwillen zu werten sein. Denn die Bundeswehr ist nach 34 Jahren Auslandserfahrung in Friedenseinsätzen für solch eine Mission sehr wohl geeignet. Auch an Personal und Ausrüstung dafür würde es, anders als Högl es darstellt, nicht mangeln, sind doch in diesem und letzten Jahr die Einsätze in Mali und Niger beendet worden.

Es geht offenbar nicht um die angeblich mangelnden Fähigkeiten der Bundeswehr, sondern um Innenpolitik. Anders als Baerbock fürchtet die SPD womöglich – und für diese spricht Högl –, mit solch einer Mission die Auseinandersetzung mit Hamas-Anhängern in Deutschland zu verschärfen.

Dass die Hamas in der deutschen Hauptstadt längst eine Auslandshochburg an Anhängern aufbauen konnte, spiegelte sich gestern wieder im Berliner Ortsteil Wedding, wo laut eines Videos eines Reporters der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa) nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel Jubel ausgebrochen sei.

Großer Flüchtlingsstrom erwartet

Zudem wird ein großer Flüchtlingsstrom nach Europa, respektive Deutschland, erwartet, worüber Epoch Times bereits berichtet hat.

Die „Bild“ sprach am 1. Oktober mit dem libanesischen Minister für Katastrophenmanagement, Nasser Yassine. Dieser sagte voraus, dass ein enormer Flüchtlingsstrom aus dem Libanon „auf Europa und Deutschland zukommen könnte“, zumal „Europa nur hundert Kilometer“ vom Libanon entfernt sei. Damit sind die Inseln Zypern und Kreta gemeint, von wo aus Flüchtlinge nach Zentraleuropa weitergeleitet werden.

Aber nicht nur im Libanon sehen dortige syrische Flüchtlinge, palästinensische Hamas- und Hisbollah-Anhänger in Europa eine bessere Zukunft. Auch im Iran könnten zahlreiche Menschen die Gelegenheit nutzen, über das Nachbarland Irak aus dem Land zu fliehen. Hier bietet sich als schnellstes Entkommen die sogenannte Nordroute über die autonome Kurdenregion im Nordirak an, wo es von Erbil aus Direktflüge nach Wien und Frankfurt gibt.

Auswirkung auf Bundestagswahl 2025

In einer Zeit, in der zahlreiche europäische Staaten einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge bereits praktizieren und die Bundesregierung aufgrund der Landtagswahlergebnisse in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ebenfalls die Aufnahmezahlen senken will, ist innenpolitisches Konfliktpotenzial aufgrund der neuesten Entwicklung im Nahen Osten zu erwarten. In Schweden wurde Medienberichten zufolge bereits gestern auf die israelische Botschaft geschossen. Das erinnert an den versuchten Terroranschlag eines jungen Moslems am 5. September auf das israelische Konsult in München.

Die sich anbahnende humanitäre Katastrophe im Libanon könnte sich auch auf die Bundestagswahl im nächsten Jahr auswirken. Denn die Bundesregierung kann Hilfsleistungen nicht verwehren, dazu zählt auch die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Libanon. Doch diese Hilfsbereitschaft wird zum einen zu weiteren und schärferen Auseinandersetzungen mit jenen europäischen Staaten führen, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen aus dieser Region generell verweigern.

Zum anderen wird es die innenpolitische Debatte verschärfen: Der Landkreis München etwa meldete am 14. September, er sei nicht mehr in der Lage, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Ähnlich hatten sich zuvor zahlreiche weitere Kommunen geäußert.

Hinzu kommt, dass es in Deutschland offenbar eine steigende Tendenz gibt, keine „Flüchtlinge aus islamischen Ländern“ mehr aufzunehmen. Zu diesem Ergebnis kam das Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA-Consulere aus Erfurt im April dieses Jahres.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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