Beispiel Stuttgart: Kontrollverlust bei Einreise von Asylbewerbern an Flughäfen

Warum kann offenbar nicht beantwortet werden, wie viele Asylbewerber über den Stuttgarter Flughafen ins Land kommen? Es geht konkret um die Frage, wie viele „mutmaßlich illegale Einreisen aus Griechenland“ von der Bundespolizei registriert werden.
Titelbild
Polizeipatrouille am Flughafen.Foto: Panama7/iStock
Von 30. September 2024

Wenn eine Bundesoberbehörde – in diesem Fall die Bundespolizei – der größten Regionalzeitung Baden-Württembergs über zwei Wochen hinweg eine gewünschte Auskunft nicht erteilt, dann ist das für sich genommen eine Meldung.

Konkret hatte die Stuttgarter Zeitung gefragt und nicht mit Kritik an der fehlenden Antwort gespart: „Mit beharrlichem Schweigen auf Presseanfragen macht sich die Bundespolizei selbst zum Teil einer Desinformationsindustrie. Und schwächt so die wehrhafte Demokratie.“

Die Redaktion will hier in der Nichtauskunft ein Zurückhalten von Informationen und darin eine absichtsvolle Desinformation erkennen. Die Zeitung kann sich aber auch vorstellen, dass dem Präsidenten der Bundespolizeidirektion Stuttgart solche Zahlen nicht vorliegen und „er quasi die Kontrolle darüber verloren hat, wer über den Flughafen einreist, der seiner Verantwortung anvertraut ist“.

Auch eine Erinnerung an das Presserecht, welches Behörden des Bundes verpflichtet, Presseanfragen zu beantworten, blieb, so die Zeitung weiter, von der Pressestelle der Bundespolizei unbeantwortet.

Info über unerlaubte Einreisen

Jüngst hatte besagte Bundespolizeidirektion auf ihrer Webseite allerdings darüber informiert, wie viele unerlaubten Einreisen durch die Bundespolizei (Stand: 24. September 2024) festgestellt wurden. Eine Tabelle dazu reicht zurück bis ins Jahr 2021, indem insgesamt 57.637 Illegale eingereist sind. Auf den ersten Blick fällt hier auf, dass dies fast exakt die gleiche Zahl illegaler Einreisen ist, die bis Ende August des laufenden Jahres festgestellt wurden (57.370 Personen).

Vergleicht man den Monat August der vergangenen vier Jahre, dann waren es zwar 2024 mit knapp achttausend Personen annähernd doppelt so viele Illegale wie drei Jahre zuvor, aber im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 15.000 illegalen Einreisen.

Der Chef der Polizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, hatte zuletzt festgestellt, dass von den illegal Einreisenden nur ein geringer Anteil Deutschland wieder verlassen muss: „Wir haben von den 50.000 etwa 27.000 Rückübernahme nach Dublin angeboten. Und nur 14.000 tatsächlich überstellt.“

Am Airport braucht es nur wenige Tage

Grundsätzlich gibt es bei Einreisen über Flughäfen seit 2015 eine Sonderreglung. Das sogenannte „Flughafenverfahren“. Ein Schnellverfahren, das noch im Transitbereich des Flughafens durchgeführt werden soll, „wenn die Antragstellenden sich nach mündlichem Schutzersuchen nicht mit einem gültigen Pass oder Passersatz ausweisen können oder aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen“, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mitteilt.

Innerhalb weniger Tage kann hier theoretisch zurückgewiesen werden. Diese Möglichkeit ist allerdings begrenzt, wie das BAMF selbst mitteilt: „Das Flughafenverfahren wird nur an Flughäfen umgesetzt, die Asylsuchende auf dem Flughafengelände unterbringen können. Dies gilt derzeit für die Flughäfen Berlin-Brandenburg, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg und München.“

Konkret geht es also um Haftplätze, die in Stuttgart laut BAMF offenbar gar nicht vorhanden sind. Nicht bekannt ist, ob illegal Einreisende oder ihre Schlepper mittlerweile wissen, über welche Flughäfen die Einreise erfolgversprechender ist, wenn das BAMF darüber öffentlich informiert. Das könnte den Flughafen Stuttgart ohne Haftplätze für Schleuser und illegal Einreisende attraktiv erscheinen lassen.

Zugunsten von Griechenland und Italien

Das BAMF informiert auch über die rechtlichen Grundlagen besagter Flughafenverfahren. Demnach beruht das deutsche Verfahren auch auf dem EU-Beschluss 2015/1523 und der ist überschrieben mit den einleitenden Worten: „Beschluss zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland.“

Der Stuttgarter Flughafen verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 8,4 Millionen Fluggäste, was einen Zuwachs von zwanzig Prozent gegenüber 2022 bedeutet. Wer recherchieren will, wie viele Asylbewerber über Flughäfen einreisen, stößt dabei auf ähnliche Schwierigkeiten, wie die genannten Journalisten aus Stuttgart.

Ähnlich erging es 2020 schon einmal der „ZEIT“, die sich letztlich auf Zahlen von freiwilligen Befragungen von Asylbewerbern stützen musste. Die Zeitung titelte damals: „Ein Drittel der Asylsuchenden per Flugzeug eingereist“ und schrieb dazu: „Nach offiziellen Angaben reisten 15.401 Menschen, die 2019 einen Asyl-Erstantrag gestellt haben, auf dem Luftweg ein. Wie viele illegale Einreise es gab, unklar.“

Keine grenzpolizeilichen Kontrollen an Flughäfen

Warum die Feststellung illegaler Einreisen so schwierig sei, ist kein Geheimnis, wie besagte Zeitung bereits vor vier Jahren bemerkte: Die Feststellung sei nämlich schon dadurch erschwert, weil bei Flügen innerhalb des Schengenraumes in der Regel „keine grenzpolizeilichen Kontrollen stattfinden“.

Wer also aus dem außereuropäischen Ausland nach Deutschland einreisen will, der macht es über einen EU-Staat. So wird deutlich, warum die Einreise hier vom BAMF bei Asylsuchenden auf freiwilliger Basis abgefragt wird.

Die Bundespolizei in Stuttgart liefert jetzt einer Zeitung – jedenfalls nach deren Aussage – über zwei Wochen hinweg keine Informationen zu illegalen Einreisen. Offenbar, weil ihr keine vorliegen. Die Zeitung schreibt dazu, die Polizei des Bundes mache sich so in einer Zeit zum Teiler „einer Fake-News-Industrie“.

Tatsächlich erhalten solche aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak nach Stuttgart einfliegende Passagiere in den meisten Fällen eine Fahrkarte und werden an die zuständige Erstaufnahmestelle (LEA) beim Regierungspräsidium Karlsruhe verwiesen, erfährt die Zeitung.

Eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Karlsruhe berichtet, dass Asylsuchende, die am Stuttgarter Flughafen ankommen, generell von der Bundespolizei an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung verwiesen werden. Bei den Direktankünften werde dann nicht mehr differenziert, „ob eine Weiterleitung von der Bundespolizei nach Einreise über den Flughafen Stuttgart erfolgt ist. Daher liegen uns dazu keine Zahlen vor“, so die Sprecherin.

Nach der Einreise verwischen sich die Spuren

Daran gemessen lesen sich die Vorhaben des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) von Mitte September 2015 wie Mitteilungen aus einer fernen Zeit.

Damals überlegte der Innenminister der Regierung Merkel nämlich, ob man nicht eine EU-Richtlinie von 2013 anwenden könne, wonach die Möglichkeit bestehe, besagtes Flughafenverfahren auch auf die Einreise auf dem Landweg zu übertragen, nach welchem noch auf dem Airportgelände die Antragsteller festgesetzt und binnen Tagen abgefertigt werden und gegebenfalls direkt aus dem Transitbereich ins Herkunftsland zurückgeschickt werden könnten.

Knapp zehn Jahre später erweist sich am Beispiel des Stuttgarter Flughafens, dass offenbar nicht einmal die speziellen Haftplätze zur Verfügung stehen.

Und noch etwas ist zu beachten, wenn es heißt, fast täglich kämen Migranten illegal aus Griechenland. Illegal meint in dem Falle, dass sie gemäß dem Dublin-Übereinkommen in jenen EU-Staat zurückgeschoben werden müssen, wo sie zuerst den Boden der EU betreten und ihren Asylantrag gestellt haben.

Asylsuchende in Deutschland, die über Griechenland gekommen sind, sind allerdings seit Anfang 2021 durch ein deutsches Gerichtsurteil geschützt. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes in Münster dürfen Asylanträge von bereits in Griechenland registrierten Asylbewerbern in Deutschland nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland „die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung“ drohe, so jedenfalls die Entscheidung des Gerichts.

Griechenland ist aus der Dublin-Vereinbarung gefallen

Die Urteilsbegründungen nennen eine drohende „extreme materielle Not“ für die Asylbewerber in Griechenland ebenso wie drohende Obdachlosigkeit in dem südlichen EU-Mitgliedsstaat.

Neu indes ist dieses Gezerre um Zuständigkeiten und die Wirksamkeit von EU-Vereinbarungen nicht. Einem Medienbericht von 2013 zufolge war die Bundespolizei noch zwei Jahre vor Beginn der Massenzuwanderung nach Deutschland durchaus bereit und in der Lage, an deutschen Flughäfen die Schengen-Freizügigkeit in bestimmten Fällen enger auszulegen und Kontrollen anzuordnen, um Illegale von der Einreise abzuhalten.

Hier war auch explizit vom Flughafen Stuttgart die Rede, wo die Bundespolizei vor nunmehr elf Jahren direkt an aus Griechenland kommenden Flugzeugen Passkontrollen durchführte, um illegale Einreisen zu verhindern. Laut Auskunft eines Bundespolizisten aus dem Jahr 2013 sei das am Flughafen Stuttgart bei allen Flügen aus Griechenland und Italien der Fall gewesen, berichtete die „taz“.

Seinerzeit erklärte die Bundespolizei auf Nachfrage, es handle sich bei den Kontrollen lediglich „um Dokumentensichtungen bzw. Befragungen im Sinne des Schengener Durchführungsübereinkommens in Verbindung mit dem Bundespolizeigesetz“. Und das seien eigentlich keine Kontrollen, auch wenn Reisende das so empfänden.

Die Grünen im EU-Parlament meinten damals, die Ausweiskontrollen in Stuttgart seien ein klarer und inakzeptabler Verstoß gegen die Schengen-Regeln. Aber sie wurden dennoch durchgeführt. Die Bundespolizei wusste sich 2013 zu helfen. Heute heißt es laut einer Stuttgarter Zeitung, sie könne nicht einmal mehr Anfragen dazu beantworten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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