Aminatou oder die Würde einer Frau der Sahara
Sie wusste, dass sie sie verhaften, foltern und sogar töten konnten. Ein enges Familienmitglied, das aus Angst vor Vergeltung lieber anonym bleiben möchte, sagte uns, dass ihre Familie und Freunde versuchten, sie davon abzuhalten, den „Civil Courage Prize“, einen Menschenrechtspreis, in New York abzuholen. Aber diese Frau hat trotz ihres zerbrechlichen Äußeren eine unzerstörbare Willenskraft und lebt ohne Angst.
Ihr Vater starb, als sie noch ein kleines Kind war. Seitdem hat Aminatou ihren Nachnamen immer in Ehren gehalten, der ursprünglich der Spitzname ihres Großvaters war, und der ihm wegen seiner Charakterstärke gegeben wurde, und weil er zu seinem Wort stand. „Haidar“ heißt Löwe, und es scheint, dass sich die Eigenschaften dieses majestätischen Tieres in der Familie weitervererbt haben.
Immer bereit, die Schwachen zu verteidigen
Ihr Bruder beschreibt sie als aufgeschlossenes Mädchen, das immer bereit war, die Schwachen und diejenigen zu verteidigen, die ungerecht behandelt wurden. Mit wacher Intelligenz studierte sie und machte einen Hochschulabschluss in Moderner Literatur, während ihr Wesen durch die Gräueltaten geprägt wurde, die die marokkanische Militärbesatzung in ihrem Land beging.
Nachdem sich Spanien 1975 aus der Sahara zurückgezogen hatte, kam Marokko und besetzte das Territorium, schlachtete und verfolgte Hunderttausende der Bewohner, der Sahraui. Wer die Massaker überlebte, fand Schutz in einem Stück ungastlicher Wüste, der Hamada de Tinduf, die Algerien ihnen freundlicherweise überließ. Das Gebiet besteht nur aus Steinen und Sand, ohne Wasser, aber dafür mit Extremtemperaturen versehen. Unter solchen Bedingungen leben ungefähr 200.000 Menschen seit 35 Jahren.
Wer blieb, sah sich allen Arten von Verfolgung ausgesetzt: Unterdrückung, Entführung, Haft, Folter, Zerstörung von Hab und Gut. Aminatou bezeugte den Bau einer Mauer von mehr als 2.600 km Länge (1982-87), der Tausende von Sahraui-Familien seit mehr als 35 Jahren auseinander reißt.
Anfang der 1980er Jahre, gerade 20 Jahre jung, beschloss Aminatou, sich dem gewaltlosen Widerstand gegen die Kolonisatoren anzuschließen. Sie versuchte, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft auf das Drama zu lenken, das Tausende von Sahraui-Familien durchleiden.
Sie wurde nicht eingesperrt. Sie verschwand.
1987 verschwand Aminatou während einer friedlichen Demonstration, die von der marokkanischen Monarchie ein Referendum für die Sahraui forderte, um ihre Zukunft selbst zu bestimmen.
Sie wurde nicht eingesperrt: Sie verschwand. Verschwunden für ihre Familie, ihre Freunde und alle Leute, die sie liebten und sie achteten. Niemand wusste, ob sie tot war oder lebte, oder welche Schrecken sie durchleben musste. Die anonym bleibende Verwandte berichtete uns von dem Kummer, den ihre Familie während drei Jahren und sieben Monaten der Unklarheit erlebte.
Aminatou wurde zusammen mit 17 anderen Frauen in die dunkelste, am stärksten abgeriegelte und perverseste Haftanstalt des Gefängnissystems von Marokko gebracht. Ohne Gerichtsverhandlung wurde sie in einem der berüchtigten „geheimen Gefängnisse“ festgehalten.
Mit verbundenen Augen hatte sie für fast vier Jahre alle Arten von Folter und Erniedrigungen zu ertragen. Unter den anderen Aktivisten-Gefangenen befand sich der zukünftige Vater ihrer Kinder.
Nach ihrer Freilassung 1991 setzte sich Aminatou Haidar wieder für die Einhaltung der Menschenrechte in der Sahara ein. Es war für sie wie eigener Schmerz.
Geborene Kämpferin
Während der folgenden Jahre beteiligte sich die geborene Kämpferin ab 1994 am Komitee zur Koordination der Sahraui-Opfer, die verschwunden oder in Haft waren; ab 2001 war sie im Komitee für die Freilassung von Mohmed Daddach und allen Sahraui, die in Haft waren; ab 2002 war sie im Komitee zur Vorbereitung der Information über Vermisste Sahraui und ab 2003 im Komitee für die Freilassung von Ali Salem Tamek und weiteren gefangenen Sahraui.
Am 17. Juni 2005, während sie an der Organisation einer Demonstration in der Stadt Smara arbeitete, wurde sie wieder brutal zusammen geschlagen und bei einer Gerichtsverhandlung, die viele als ungerecht betrachteten, wurde sie zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt. Während dieser Zeit unternahm Aminatou einen 50-tägigen Hungerstreik. Dadurch ist sie jetzt gesundheitlich angegriffen.
„Ich denke an die Sahraui, die täglich unterdrückt werden.“
Jetzt, nach 20 Jahren des Kampfes, verbannt in ein fremdes Land, versucht Aminatou Haidar noch einmal, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das dramatische Problem der Sahara zu lenken. Von der Bus-Haltestelle eines Flughafens aus war ihr einziges Mittel, das sie dafür noch hatte, ihr eigenes Leben. Ihr wurde nach der Rückkehr aus den USA die Einreise in ihr Heimatland verwehrt. Als sie von dieser Nachricht erfuhr, begann sie am 14. November 2009 einen Hungerstreik, der für sie fast tödlich endete.
Nach 32 Tage andauerndem Hungestreik am Rande des Todes, galten ihre Gedanken weiterhin der Zukunft ihres Volkes. „Wie jeden Tag, schmerzt mich der Gedanke an meine Sahraui-Gefährten, die in Haft sind. Mich schmerzt der Gedanke an die sieben Menschenrechts-Aktivisten, die wegen einer willkürlichen Entscheidung der marokkanischen Regierung vor ein Militärgericht müssen. Ihnen droht die Todesstrafe. Ich denke auch an die Sahraui, die täglich von der marokkanischen Polizei in der westlichen Sahara unterdrückt werden. Und ich denke an ihre Zukunft“, schrieb Aminatou in ihrem Brief zum Internationalen Tag der Menschenrechte.
Am 17. Dezember – sie hatte kurz davor Blut erbrochen – wurde ihr die Einreise ins Sahraui-Land in der Westsahara genehmigt. Dort traf sie am 18. Dezember ein.
Originalartikel auf Spanisch: Activista saharaui en huelga de hambre desde hace 26 días
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