Abgedreht: Die ernüchternde Bilanz nach einer Woche mit „angebundenen Deckeln“

Fest verbundene Kunststoffdeckel sind seit einer Woche an Getränkeeinwegflaschen Pflicht und erschweren die Benutzung. Dafür hat eine neue EU-Richtlinie gesorgt, die der Plastikvermüllung der Umwelt entgegenwirken soll. Dafür fehlen bislang die Belege. Eine Bewertung der neuen EU-Regelung wird erst 2027 stattfinden. Verbraucherprotest gibt es jetzt schon.
Lose Verschlusskappen sind künftig an bestimmten Getränken verboten.
Angebundene Verschlusskappen erschweren nun das Trinken.Foto: Robert Michael/dpa
Von 9. Juli 2024

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Seit dem 3. Juli gilt eine neue EU-Richtlinie, nach der lose Verschlusskappen bei bestimmten Getränken verboten ist. Der Deckel darf sich nicht mehr von Getränkeflaschen lösen lassen, so will es die EU.

Das betrifft Einwegverpackungen, deren Deckel aus Kunststoff bestehen – etwa Saftkartons oder Einweg-PET-Flaschen – mit einem Volumen bis zu drei Litern. Glas oder Metall sowie Mehrweggetränkebehälter sind von der Pflicht zum festen Verschluss ausgenommen. Der Leichtmetallnippel an Aluminiumdosen darf also weiterhin entfernt und weggeworfen werden, ebenso Schraubverschlüsse aus Metall und Flaschenkorken aus Plastik oder Kork.

Weg aus der Plastikvermüllung oder übergriffiger Irrsinn?

Was für die einen wie ein Eingriff der EU in das Alltagsleben der Bürger erscheinen mag, ist für andere ein wichtiger Schritt für den Umweltschutz.

Die Maßnahme ist Teil einer neuen EU-Richtlinie, die darauf abzielt, die Auswirkung von Einwegkunststoffartikeln auf die Umwelt zu reduzieren (bekannt als Einwegplastikrichtlinie/SUP-Richtlinie, 2019/904). Die Vorschriften zur Verwendung angebundener Verschlusskappen sollen sicherstellen, dass Verschlusskappen nicht als Müll in die Umwelt gelangen, sondern zusammen mit der Flasche gesammelt und recycelt werden können. Damit soll verhindert werden, dass sie getrennt davon im Restmüll oder gar im Wald oder Meer landen.

Der Einführung des „angebundenen Deckels“ soll dem Umweltministerium zufolge eine Studie zugrunde liegen, wonach Kunststoffdeckel zu den am häufigsten an Stränden der EU vorzufindenden Kunststoffabfällen gehören.

Die Verordnung, die die Vorgaben in Deutschland regelt, trat am 3. Juli 2021 in Kraft. Es gab aber eine dreijährige Übergangsfrist, in der bereits viele Produzenten den Schraubverschluss umgestellt haben. Alte Behälter, die nicht den neuen Anforderungen entsprechen, aber vor dem Stichtag auf den Markt gekommen sind, können noch ohne zeitliche Begrenzungen abverkauft werden. Bislang liegen weder dem Ministerium noch dem Umweltbundesamt Zahlen vor, wie stark sich der Plastikmüll durch die neue Vorgabe verringern könnte.

Unpraktisch zu benutzen, noch unbelegt in der Wirkung

Die sogenannten Tethered Caps erscheinen vielen Endverbrauchern wohl eher unpraktisch, weil sie das Trinken aus der Flasche mit dem neuen Verschluss erschweren. Auch der Wiederverschluss der Flasche ist komplizierter als zuvor. Zudem bleiben Reste des Flascheninhaltes eher im Deckel und tropfen dann wahlweise ins Gesicht oder über die Kleidung. Mal ganz abgesehen davon, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen oft nicht mit den festhängenden Verschlusskappen klarkommen.

Der „Stern“ fasst kommentierend zusammen, dass der Gewinn gering sei. „Noch fataler ist es, wenn die Flaschentrinker auf Gläser ausweichen. Durch das extra Spülen wird die Umweltbilanz ins Negative kippen.“ Die erhoffte größere Recyclingmenge werde mit einem höheren Materialaufwand erkauft. Die meisten Verschlüsse seien größer, auch der zusätzliche Verbindungssteg bestehe aus dem Kunststoff, der vermieden werden soll. 

Das Bundesumweltministerium räumt ein, dass die Akzeptanz des neuen Flaschendeckels durchwachsen ist: „Dem BMUV ist bekannt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die fest verbundenen Deckel nicht nur positiv sehen“, heißt es von einer Sprecherin. Das Ziel der Richtlinie sei jedoch, die Umwelt durch geringfügige Maßnahmen zu schützen. 

Die Bundesregierung wird, so das Umweltministerium, 2027 die Umsetzung der neuen Regelung bewerten.

Am Kernproblem vorbei

Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, bezeichnet gegenüber der „Kölnischen Rundschau“ die Änderung der Verschlussart als „wenig zielführend“. Das Gesetz gehe am Kernproblem vorbei. Laut Heldt ist dieses, dass zu viele Einwegprodukte verbraucht werden. Insofern nütze es der Umwelt erst mal nichts, allein den Deckel zu ändern. Laut dem Referenten verbrauchen die neuen Verschlüsse in vielen Fällen sogar etwas mehr Material als die früheren Deckel.

Ins gleiche Horn blies auch die WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“ via Instagram: „Plastikmüll ist ein großes Problem für die Umwelt. Dass ausgerechnet die Deckel dabei aber ein besonders großes Problem darstellen, dafür gibt es keine stichhaltigen Belege.“ Das EU-Parlament möchte unter anderem mit diesen tethered caps die Plastikmüllverbreitung in den Meeresgebieten reduzieren. 

Ob das hilft, ist leider nicht geklärt. Es fehlt an Evidenz.“

Die Reaktionen auf den „Quarks“-Post sind vielfältig. Mutmaßlicher Sinn und Unsinn des kleinen Plastikteils, das jetzt per EU-Verordnung an der Flasche bleiben soll, wird diskutiert:

  • pr_ddorf schlägt vor: „Wir sollten eher das Problem da bekämpfen, wo es keine vernünftige Entsorgung gibt. Die asiatischen Strände sind ja nicht vermüllt, weil hier im Land Plastik produziert und verbraucht wird, sondern weil dort alles in die Gewässer geht. Und dort ist das Plastikproblem noch viel, viel höher als hier.“
  • liltheth kommentiert: „Man braucht keine Gewalt, um die abzumachen. Ich denke mittlerweile nicht mal mehr drüber nach und drehe die mit einem Handgriff ab. Völlig unproblematisch, wenn es einen stört.“
  • krs.nils stellt die Frage nach dem Sinn der neuen Regelung: „Mich nervt es total. Wäre das Gesetz europaweit sinnvoll, hätte ich kein Problem damit. Das ist meinem Erachten nach aber kein deutsches Problem. Ich kenne niemanden, der die Deckel der Flaschen nicht wieder auf die Flasche dreht. Wir haben ein Pfandsystem, wenn ich keinen Deckel auf die Flasche mache, kann ich die Flasche nicht abgeben, weil sie komplett verbeult. Von der Sauerei in der Pfandtüte ganz zu schweigen. Ein einheitliches EU-Pfandsystem würde so viel [mehr] bringen, als diese kleinen Deckel an die Flasche zu heften. DAS ist es, worüber ich mich aufrege.“
  • matricxo spöttelt: „Zum Glück gibt es keine EU-Vorschrift, die es verbietet, den Deckel abzureißen 👍😂“
Hans-Georg Maaßen, Parteivorsitzender der WerteUnion, kommentiert den neuen EU-Verschluss auf X mit einem Tweet ganz ohne Worte, nur mit einem Bild:

Hans-Georg Maaßen: Deckelrevolte gegen tethered caps Foto: Bildschirmfoto X/@HGMaassen

— Dr.Hans-Georg Maaßen (@HGMaassen) 25. Juni, 2024

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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