Deutsche-Bank-Chef fordert EU-Reformen nach Brexit
Der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, hat als Konsequenz aus dem Brexit-Votum Reformen in der EU angemahnt. „Wenn Europa jetzt einfach weitermacht wie bisher, vernachlässigt man, dass die Briten nur mit hauchdünner Mehrheit für den Austritt gestimmt haben“, sagte er der „Welt“. Eigentlich liebten die Briten Europa.
„Sie haben sich nur gefragt, ob die Strukturen der Europäischen Union noch die richtigen für sie sind, ob Europa das Geld wert ist“, sagte Cryan. „Wir sollten uns deshalb die europäischen Strukturen und Institutionen genau anschauen und uns fragen, wie wir sie reformieren können, um sie wieder relevanter zu machen.“ Komme es nicht zu den Reformen, riskiere man auch in anderen Ländern eine immer größere Unzufriedenheit der Bürger. „Viele Menschen werden mit den heutigen Verhältnissen immer unzufriedener werden, wenn wir in Europa nicht die nötigen Reformen angehen“, sagte Cryan. Auch in diesem Jahr seien wirtschaftliche Schocks durch unerwartete Wahlergebnisse nicht ausgeschlossen. „Furcht ist nicht angebracht“, sagte Cryan. „Aber das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Frankreich wird eine Weichenstellung für die weitere Entwicklung in Europa sein, insbesondere nach dem Brexit-Referendum.“ Man müsse auch 2017 wieder „auf das Unerwartete vorbereitet sein“. Als Wirtschaftsvertreter müsse man den Menschen die Vorteile der Globalisierung erklären. „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen den Nutzen des Fortschritts zu erklären und ihnen Ängste zu nehmen“, sagte Cryan. „Wenn die Menschen hingegen verunsichert sind, droht das die Globalisierung zu bremsen oder gar umzukehren.“ Viele Arbeitsplätze gingen nicht durch die Globalisierung, sondern durch die Automatisierung verloren. Dieser Trend werde sich fortsetzen. „Die Welt hat sich dramatisch verändert. In den nächsten Jahren werden weitere Jobs verlorengehen – und an anderen Stellen neue Arbeitsplätze entstehen“, sagte Cryan. Die Arbeitszeit des Einzelnen habe sich in den Industrieländern reduziert, die Produktivität sei gestiegen. „Vielleicht geht der gesellschaftliche Wandel einmal so weit, dass die meisten nur noch zehn oder 15 Stunden pro Woche arbeiten werden.“ Was das für die Gesellschaft bedeute, müsse debattiert werden. „Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass künftig vielleicht nicht mehr jeder Arbeit im heutigen Sinne hat“, sagte der Deutsche-Bank-Chef. Optimistisch ist Cryan für die gemeinsame europäische Währung. „Europa und der Euro werden überleben, aber es wird eine große Herausforderung bleiben“, sagte er. „Wir brauchen mehr als geldpolitische Mittel, um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Volkswirtschaften auszugleichen, zum Beispiel über die Fiskalpolitik oder eine Kapitalmarktunion.“ (dts)
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