Eine zweite Chance nach #MeToo? – die Ersten versuchen ihr Comeback
Neun Monate zog sich Louis C.K. zurück, dann kam er wieder ins Rampenlicht. Ohne jegliche Ankündigung trat der Komiker Ende August im legendären New Yorker Comedy Cellar auf, neun Monate nachdem er zugegeben hatte, mehrere Frauen sexuell belästigt zu haben. Der Comedian sei „sehr entspannt“ gewesen, und die rund 115 Zuschauer hätten ihn mit stehendem Applaus empfangen, sagte Noam Dworman, der Besitzer des Comedy-Clubs, der „New York Times“.
15 Minuten lang habe der Komiker über „typische Louis C.K. Sachen“ gewitzelt. „Es hörte sich an, als ob er neues Material ausprobierte, wie fast immer in den vergangenen zehn Jahren, wenn er zu Beginn eines neuen Programms vorbeikam.“
Er habe nicht erwartet, dass C.K. sich so schnell wieder auf die Bühne zurück wagen werde, sagte Dworman. „Ich hätte auch gedacht, dass er das erste Mal in einer kontrollierteren Umgebung auftreten würde. Aber er hat sich dazu entschieden, dass Pflaster einfach in einem Rutsch abzureißen.“ Grundsätzlich unterstütze er das, sagte Dworman. „Es kann keine lebenslange Strafe geben für jemanden, der etwas falsch gemacht hat.“
Der kurze Auftritt löste in den USA jedoch eine intensive Debatte aus: Das Comeback sei viel zu früh, und C.K. habe keine Reue erkennen lassen, kritisierten zahlreiche Kommentatoren.
„Ich habe meine lange und glückliche Karriere mit Sprechen verbracht und damit, alles zu sagen, was ich sagen will“, hatte C.K. damals nach den Vorwürfen erklärt. „Ich werde jetzt einen Schritt zurücktreten und eine lange Zeit lang zuhören.“ Aber sind neun Monate wirklich eine lange Zeit, fragten viele seiner Kritiker. Und hat er wirklich zugehört?
Die Debatte geht weit über C.K. hinaus. Am Freitag (5. Oktober) vor einem Jahr veröffentlichte die „New York Times“ den ersten Artikel zu Anschuldigungen sexueller Belästigung mehrerer Frauen gegen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein.
Die später mit dem Pulitzer Preis gekrönte Berichterstattung trat eine weltweite Welle von Anschuldigungen los, die sich durch viele Branchen zog und viele mächtige Männer – und Frauen – den Job kostete. Unter dem Motto #MeToo veröffentlichten unzählige Menschen weltweit ihre Erlebnisse mit sexueller Belästigung.
Ein Jahr später hält diese Entwicklung an. Vor kurzem erst trat Les Moonves nach Vorwürfen sexueller Belästigung als Vorstandschef des US-Medienunternehmens CBS ab. Gleichzeitig taucht immer stärker die Frage auf: Kann es für Männer – und Frauen – die einmal in einen #MeToo-Skandal verwickelt waren, jemals wieder eine zweite Chance in der Öffentlichkeit geben? Und wenn ja – wann, und für wen?
Comedian C.K. ist nicht der einzige, der derzeit vorsichtige Schritte in Richtuang Comeback macht. Auch unter anderem die TV-Moderatoren Matt Lauer und Charlie Rose liebäugeln mit einer Rückkehr auf die Bildschirme.
Die TV-Show von Rose beim Sender PBS hat jetzt allerdings erstmal die Journalistin Christiane Amanpour übernommen. „Ob ich denke, dass es absolut notwendig war, dass eine Frau diesen Job bekommen hat? Absolut. Das glaube ich.“
Entscheidend für die Chance auf eine rasche Rückkehr ist in erster Linie die Frage, wie schwer die Schuld im jeweiligen Fall wiegt. Ein Comeback beispielsweise von Hollywood-Mogul Weinstein, der mittlerweile wegen sechs Sexualdelikten angeklagt ist, die er bestreitet, und auf seinen Prozess wartet, kann sich derzeit wohl niemand wirklich vorstellen. Ebenso wenig eine Rückkehr des gerade zu mindestens drei Jahren Haft verurteilten Schauspielers und Entertainers Bill Cosby Cosby, auch wenn noch während des Prozesses wieder in einem Comedy-Club aufgetreten war.
Aber falls es sich um weniger schwere Delikte handelt, könne ein Comeback möglich sein und finde wahrscheinlich auch Unterstützer, sagte die Sucht-Expertin Anna David dem US-Sender CNBC.
In unserer Kultur geht es um Aufbauen und Niederreißen, und es herrscht ein Kurzzeitgedächtnis vor. Wenn Menschen denken, dass sie von einem Star finanziell profitieren werden, dann werden sie einen Weg finden, dass dieser zurückkommen kann.“
Voraussetzung zumindest für ein gesellschaftlich breit anerkanntes Comeback seien neben einer Entschuldigung auch öffentlich erkennbare Reue und eine längere Wartezeit, immer in Zusammenarbeit mit den Opfern, schrieb die Autorin Roxane Gay in der „New York Times“.
Wie lange also beispielsweise jemand wie Comedian Louis C.K. warten müsse? „Mindestens so lange, wie er daran gearbeitet hat, die Frauen, die er angegriffen hat, ruhig zu stellen.“ Außerdem müsse er diese Frauen finanziell für alle durch seine Taten verursachten Arbeitsausfälle ausgleichen und ihnen mit seinen Kontakten dabei helfen, neue Jobangebote zu bekommen.
„Er sollte ihre psychische Betreuung bezahlen, so lange sie sie brauchen. Er sollte Benefiz-Organisationen Geld geben, die mit Opfern sexueller Belästigung arbeiten. Er sollte öffentlich zugeben, was er gemacht hat, und warum es falsch war, ohne Ausreden, ohne Juristendeutsch, ohne Ablenkung. Und jeder andere, der sich sexueller Belästigung schuldig gemacht hat, sollte seinem Beispiel folgen.“ (dpa)
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