„Das ist die Handarbeit von unseren Großeltern und Urgroßeltern – das gehört nicht auf die Müllkippe“
In ganz Deutschland, aber auch in Frankreich, der Schweiz, Luxemburg, Polen und den Niederlanden, stehen gerettete Kachelöfen von Martin Graupner. Angefangen hat alles mit dem Zusammenbruch der DDR, als viele Häuser abgerissen oder saniert wurden. Vieles, zu viel, landete im Bauschuttcontainer.
Graupner versuchte „sicherzustellen“ was ging: Dielen, Fenster, Türen, Parkett, Zäune, Lichtschalter und eben auch Kachelöfen wurden von ihm eingelagert. Als sich Mitte der 90er-Jahre der Markt für historische Baustoffe etablierte, zeigte sich, dass sich kaum jemand für Kachelöfen interessierte. Zu aufwendig im Umgang und daher betriebswirtschaftlich uninteressant.
Dennoch hat Graupner seither rund 500 Öfen wieder zum Leben erweckt, weitere 500 lagern im alten Kino von Eichwalde, südlich von Berlin. Foyer und Kinosaal bergen bis obenhin vollgepackt eine geheimnisvolle Welt voller Geschichten, in die es sich vortrefflich eintauchen lässt.
Das Miteinander, das Erzählen am Ofen – neudeutsch das abendliche Happening mit Wohlfühlfaktor – ist für die meisten seiner Kunden heute der Grund, sich einen Ofen bauen zu lassen. Gestiegene Gas- und Ölpreise sowie befürchtete Stromausfälle tragen das ihre bei.
Zwar sind auch die Holzpreise gestiegen, doch die Auftragsbücher von Graupner sind voll – mit einer Wartezeit von über einem Jahr.
Wenn ihm heute alte Öfen angeboten werden, dann schreibe er, dass er es für Vandalismus halte, den Ofen herauszunehmen. Für ihn gehe es darum, „die letzte Instanz vor dem Container“ zu sein. Zwischen einem Prozent und einem Promille der Berliner Kachelöfen habe er so gerettet, schätzt er.
Epoch Times sprach mit dem Ofenbauer Martin Graupner:
Was macht Ihre Firma so einzigartig?
Wir sitzen auf einem Lagerbestand, der wahrscheinlich der umfangreichste in ganz Deutschland ist. Nicht stilistisch, weil wir kaum kunstgeschichtlich wertvolle Sachen haben. Alles vor Barock gibt es hier nicht und Barock nur wenig, Klassizismus auch nur wenig.
Aber alles, was in Berlin und Umland vertreten war, ist gut und reichlich im Lager: Gründerzeit, Jugendstil, Art déco und ein bisschen Neuzeit, 20er-, 30er-Jahre, was auch gerne nachgefragt wird.
Sie sind gelernter Fernmeldemechaniker. Wie wurden Sie zum Ofenbauer?
Ich wollte mir selbst einen Ofen aufbauen und war in der glücklichen Lage, bei einem Ofenbauer mitarbeiten zu können, und so habe ich bei ihm gelernt. Daraus ist dann eine richtige Firma geworden. Wir hatten auch Festangestellte und haben ausgebildet. Inzwischen ist er längst in Rente und ich mache das alleine weiter.
Was sind die Vor- und Nachteile von Grundöfen und Warmluftöfen?
Das ist relativ einfach. Die alten Kachelöfen sind alle Grundöfen. Grundofen bedeutet Strahlungswärme, und zwar zu einem sehr hohen Anteil. Ungefähr 80 Prozent Strahlungswärme und nur 20 Prozent Konvektion. Die in späteren Zeiten gebräuchlichen Warmluftöfen – zu DDR-Zeiten unter dem Namen Ortrand –, die machen genau das Gegenteil: nur 20 Prozent Strahlungswärme und 80 Prozent Konvektion, sprich Luftumwälzung.
Das ist unter baubiologischen Gesichtspunkten nicht so günstig. Wenn man es mit den Bronchien hat, ist eine geringe Luftfeuchtigkeit und die Staubaufwirbelung, zum Teil noch mit versengtem Staub durch die hohen Oberflächentemperaturen, nicht das Gelbe vom Ei.
Das riecht auch immer ein bisschen verbrannt, weil natürlich der Staub verbrennt, auf diesem Übergangsstück von dem eigentlichen Heizeinsatz zu dem Speicherkörper innerhalb der Warmluftöfen, der im ostdeutschen und westdeutschen Ansatz eigentlich systemgleich ist.
Grundöfen speichern die Wärme länger. Die Warmluftöfen sind ja nach zwei, drei Stunden kalt in der Regel. Und diese Grundöfen, die wiegen 1 bis 2 Tonnen. Es geht auch leichter, geht auch schwerer, aber im Regelfall 1 bis 2 Tonnen und die sind für 16 bis 24 Stunden lang warm.
Auf Ihrer Website steht, dass Sie die Richtlinien für Holzfeuerungsanlagen einhalten, die ab dem 1. Januar 2025 gefordert werden. Wie erreichen Sie das?
Grundöfen – dazu zählen die historischen Kachelöfen – haben einen unbefristeten Bestandsschutz. Und wenn Öfen neu errichtet werden, dann werden sie nach Bundes-Immissionsschutzverordnung Stufe 2 aufgebaut, mit einer Sekundärluftführung, sodass es noch sauberer verbrennt.
Das sind nachweislich die Werte, die von dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gefordert werden. Der Verein 850º Handwerklicher Grundofen e. V. hat im großen Stil Öfen für viel Geld bei der Rhein-Ruhr Feuerstätten Prüfstelle in Oberhausen messen lassen und nachgewiesen, dass ein solcherart gebauter Feuerraum die geforderten Werte tatsächlich einhält.
So haben wir Ofenbauer die Möglichkeit, neue Feuerräume zu bauen von 25 mal 22 Zentimeter bis zu 60 mal 40 Zentimeter und können alles, was nachgefragt wird, bedienen. Das ist genial. Man muss nicht für 2.000 Euro typgeprüfte Einsätze kaufen, sondern kann weiter mit Schamottstein Öfen bauen, so wie das früher üblich war.
Wir haben in der Vergangenheit auch Öfen ohne Sekundärluft vom Schornsteinfeger messen lassen und die haben ebenfalls alle bestanden.
Allerdings ist das auch eine Frage, wie man heizt. Wenn man Schuhe reinschmeißt, dann hilft die beste Sekundärluftführung nicht. Man muss schon an den gesunden Menschenverstand appellieren, dass nur unbehandeltes Holz reinkommt.
Die Trägheit der Öfen widerspricht komplett unseren modernen Arbeitsstrukturen. Kaum jemand ist noch den ganzen Tag zu Hause, um am Ofen die Luft zuzumachen oder um Holz nachzulegen.
Ja. Zum einen gibt es elektronische Abbrandsteuerungen. Das könnte man so regeln.
Aber ich habe mir einen Ofen gebaut, der viereinhalb Tonnen wiegt. Den heize ich generell nur abends, wenn ich sowieso da bin, weil ich morgens gar nicht die Zeit habe, anderthalb Stunden zu warten, um ihn zuzuschrauben. In der Übergangszeit heizen wir nur alle anderthalb oder alle zwei oder drei Tage. Das reicht.
Die viereinhalb Tonnen sind nach zwei Tagen noch nicht richtig kalt. Die Öfen haben den Nachteil, dass nach zwei, drei Stunden erst im großen Stil Wärme abgegeben wird. Was sofort abgegeben wird, ist nur das, was durch die Tür durchkommt.
Aber dafür sind sie auch den ganzen Tag lang warm. Und was uns öfters zugetragen wird, ist, dass die Leute überrascht sind – da sie ja vorher einen Kaminofen hatten, meistens irgendein „Eisenschwein“ –, mit einem Bruchteil des Holzes auszukommen.
Was speist das Feuer Ihrer Leidenschaft, immer wieder Öfen zu stellen?
Das ist Protest gegen die Wegwerfgesellschaft. Das ist die Handarbeit von unseren Großeltern und Urgroßeltern – das gehört nicht auf die Müllkippe. Beim besten Willen.
Heute kostet so ein Kachelofen 2.000 oder 3.000 Euro, bei einem sehr schönen Exemplar bis zu 10.000 Euro. Das kann zu dem Preis überhaupt nicht mehr hergestellt werden. Abgesehen davon, dass vielleicht auch inzwischen die Qualifikation dafür abhandengekommen ist; es gar nicht mehr hergestellt werden kann, unabhängig vom Preis. Das ist Alltagskultur, die erhalten gehört.
Was machen Sie bei einem Neubau, in dem kein Kamin existiert?
Da muss man dem Architekten den Vorwurf machen, dass er keinen Kamin vorgesehen hat. Notfalls muss man eben so ein hässliches Edelstahlteil außen anbauen lassen.
Ich sag immer, ein Haus ohne Schornstein ist kein Haus, aus meiner Herangehensweise.
Wie wählt die Kundschaft sich einen Ofen aus?
Wir gehen durch die Kataloge mit Bildern vom ehemaligen Standort. Hier gibt es auch ein paar Öfen aufgebaut. Wenn wir dann wissen, worum es geht, dann wird der Ofen ausgelegt. Dann liegt er hier wie ein Bärenfell.
Reihe eins die Kachel 1 bis 8 und Reihe zwei darüber und so weiter. Da bestehe ich darauf, dass der Kunde das gesehen und abgenickt hat. Denn das ist alles nicht neu und es gibt Gebrauchsspuren. Da sind irgendwelche Abplatzer oder mal eine Kachel gerissen.
Mit den weißen Kacheln sind wir gut bestückt, da müssen wir nichts restaurieren, die werden einfach getauscht. Die Farbe changiert ein bisschen, aber zum Teil changiert es auch innerhalb eines Ofens. Wir können zum Teil auch Kacheln als Ersatz aus anderen Öfen herauslösen.
Findet jeder den Kachelofen, der zu ihm passt?
Ja, Storys gibt es ohne Ende. Ein befreundeter Elektromeister in Obergräfenhain bei Chemnitz hat sich nach dem Katalog einen Ofen ausgesucht. Als wir dann den Ofen aufgebaut haben, stellten wir fest, dass dieser dunkelbraune Art-déco-Ofen ein Muster in den Kacheln hat: einen Blitz-Pfeil.
Er als selbstständiger Elektromeister suchte sich genau diesen Ofen aus. Obwohl das vorher auf dem Foto gar nicht so detailliert zu sehen war. Da fragt man sich, wie kann das sein?
Sind Sie schon mal so richtig baden gegangen mit einem Ofen?
Nein, was man rettet, ist ja nicht der Ofen, der funktioniert oder nicht funktioniert. Was man rettet, ist ja immer nur das, was hier errichtet ist – die Kachelhülle. Und dann wird es so wie früher neu gebaut.
Das ist jahrhundertelange Tradition in Deutschland, im ganzen alpenländischen Raum, in Österreich, Ungarn. Auch in Rumänien haben wir viele Kachelöfen gesehen. Das ist Usus und soweit sicher und ausgereift.
Was sagen Sie zu dem Argument, dass durch die hohe Holznachfrage zuviel Wald zerstört und das Klima gefährdet wird?
Ich sehe Holz ohne Ende hier im Wald vergammeln, hier bei uns in Schmöckwitz. Lange Stämme auch. Es mag sein, dass der eine oder andere Stamm liegen bleiben muss für Käferlarven und Engerlinge.
Aber im Großen und Ganzen gehört das Holz genutzt. Der Stamm liegt entastet und transportfertig abgelängt auf der Erde – schon fünf Jahre und die Pilze wachsen raus. Wenn das Holz im Wald vergammelt, wird auch Methan freigesetzt. Methan hat angeblich das 25-fache Klimaerwärmungspotenzial wie Kohlendioxid.
Vielleicht hat der Mensch einen kleinen Einfluss auf das Klima, aber nicht so, wie diese aus purer Verzweiflung in meinen Augen neu geschaffene Religion behauptet. Ich glaube, die Menschen ertragen es bloß nicht, wenn sie keine Rückbindung mehr haben und keinen Gott. Und dann wird an sonst was geglaubt und notfalls an das Klima.
Ihre Öfen bestehen nur aus Lehm, Stein, Metall?
Man kann den Ofen, so wie er ist, in den Garten werfen und würde damit die Umwelt nicht verschmutzen. Der Frost würde alles, auch die gebrannte Keramik, langsam zersetzen und es würde wieder Lehm daraus. Ökologischer geht es nicht.
Wenn ich sehe, was heute alles im Haus verbaut wird: Acryl, Silikon, die ganze Bauchemie. Baubiologie ist ein Sektor, der sich als Reaktion auf diese unglaubliche synthetische „Materialvielfalt“ ergeben hat, die Auslöser vieler Allergien und Krankheiten ist.
Mit was werden die Kacheln gehalten?
Durch Lehm. Wenn damals schon irgendwelche Fliesenkleber genommen worden wären, hätten die Kachelöfen nicht bis in unsere Zeit überlebt. Da die Fugenmasse härter ist als das Material, geht mir die Kachel kaputt, wenn ich den Ofen auseinandernehmen will.
Wir hatten einmal so einen Ofen, einen sehr, sehr schönen Jugendstilofen. Die Kacheln waren ziemlich kaputt, weil der Ofen um 1980 zu Dekorationszwecken unter Verwendung von Fliesenkleber neu aufgebaut worden war. Ein ziemlicher Restaurierungsaufwand.
Aber im Regelfall ist das alles mit Lehm gebaut und wenn man den vorsichtig abträgt, geht so gut wie nichts kaputt. Es wird vorsichtig lockergerüttelt.
Nachher, wenn man die Kacheln leer macht, wird schon getaucht, sodass es ein bisschen feucht wird. Weil es meistens schwer rausgeht, besteht die Gefahr, dass man die Kacheln kaputtmacht. Da ist es sinnvoll, sie dann einzuweichen, aber auch bloß kurz, sonst geht der Aufkleber mit der Nummer ab. Denn die Kacheln sind alle nummeriert, um den Aufbau zu erleichtern.
Wir haben einen Ofen abgebaut in Berlin-Charlottenburg. Der war noch nie umgesetzt worden. Er hatte noch drei Lagen Biberschwanz-Dachziegeln als Feuerraumdecke. Damals gab es noch keine Schamottsteine, da hat man die Dachziegeln genommen und gut.
Mit welcher Lebensdauer kann man rechnen?
Die Öfen haben bis zu 150 Jahre gehalten und sind dann von uns abgebaut worden. Warum sollen sie, wenn sie vernünftig neu aufgebaut werden, nicht wieder so lange halten? An einem Ofen, wenn man ihn vernünftig und normal behandelt, hat man jahrzehntelang Freude.
Er ist nicht für die Ewigkeit gemacht, aber schon für eine längere Frist, für Generationen. Insofern sollte man sich auch genau überlegen, welche Farbe man sich antut, dass einem das später auch noch gefällt.
Oder den Enkelkindern.
Ja. Zum Beispiel hatten wir Leute hier, da sind die Kinder, die es übernehmen werden, auch schon mitgekommen. Sie waren in ihren späten Fünfzigern und waren der Meinung, dass ihre bereits erwachsenen Kinder mitentscheiden sollten, damit der Ofen später nicht rausgerissen wird, nur da er nicht gefällt.
Wenn ein Ofen kaputtgeht, ist immer nur der Feuerraum kaputt. Irgendwann fällt die Decke runter oder die Schamottsteine sind im Eimer und dann muss der Ofen umgesetzt werden, das heißt, das Schamott des Brennraums wird ausgetauscht.
Die sonstigen Schamottsteine kann man wieder nehmen, sie halten eine zweite und dritte Lebensdauer ohne Weiteres. Höchstens aus ästhetischen Gründen werden sie nicht mehr genommen, weil sie schwarz sind.
Preislich steht ein Auto da. Aber das Auto habe ich nach zehn, fünfzehn Jahren auf den Schrottplatz gefahren. Die Öfen, wenn man sie instand hält, stehen nach 100 Jahren immer noch da.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Das Gespräch führte Silke Ohlert.
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