Zwischen Regierungsgeschäften und Mäzenatentum
„Erhabenes verehrend, Schönes genießend, Gutes wirkend, Förderte sie alles, Was Menschheit, Ehrt ziert und bestätigt“, lautet die Grabinschrift, die Goethe zum Andenken an Anna Amalia entwarf.
Anna Amalia ist eine der bedeutendsten Frauen des 18. Jahrhunderts, zog Geistesgrößen wie Goethe und Schiller an und verhalf dem Städtchen Weimar zu Weltruhm. Doch wer war diese Frau, die oft zwischen den anderen Größen unterzugehen droht?
Anna Amalia gilt als Wegbereiterin der Weimarer Klassik und Gründerin des Weimarer Musenhofs. Dass Geistesheroen wie Wieland, Goethe, Herder, Jean Paul und Schiller nach Weimar kamen und blieben, ist hauptsächlich ihr Verdienst. „Kein bedeutender Name ist von Weimar ausgegangen, der nicht in ihrem Kreise früher oder später gewirkt hätte“, fasste Goethe zusammen.
Lebensweg vorgezeichnet
Am 24. Oktober 1739 wurde Anna Amalia als fünftes von insgesamt dreizehn Kindern des Herzogs Carl I. (1713-1780) und seiner Gattin Philippine Charlotte (1716-1801), geborene Prinzessin von Preußen, einer Schwester Friedrichs II., als braunschweigische Prinzessin in Wolfenbüttel geboren.
Als ihre Ausbildung im Sinne einer aufgeklärten Pädagogik begann, war sie gerade einmal drei Jahre alt. Naturwissenschaften und Sprachen (Deutsch, Latein, Englisch, Französisch) sowie Geschichte, Geografie und Religion standen auf dem Stundenplan. Außerdem hatte sie Zeichen- und Tanzunterricht, erlernte mehrere Musikinstrumente, Komponieren sowie die strengen Regeln des Hofzeremoniells.
Als 33-jährige Regentin schrieb Anna Amalia in ihren autobiografischen Aufzeichnungen: „Meine Erziehung zielte auf nichts weniger, als mich zur Regentin zu bilden. (…) Nicht geliebt, von meinen Eltern immer zurückgesetzt, meinen Geschwistern in allen Stücken nachgesetzt, nannte man mich nur den Ausschuss der Natur. (…) Durch diese harten Unterdrückungen zog ich mich ganz in mich selbst. Ich wurde zurückhaltend, ich bekam eine gewisse Standhaftigkeit, die bis zum Starrsinn ausbrach. Ich ließ mich mit Geduld schimpfen und schlagen und tat doch so viel wie möglich nach meinem Sinn.“
Heirat und Ankunft in Weimar
Im Jahre 1756 kam ihre Chance, dem elterlichen Hause zu entfliehen. Als 16-Jährige wurde die Ehe der braunschweigischen Prinzessin mit dem 18-jährigen Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1737-1758) arrangiert. Als Anna Amalia in Weimar eintraf, war es nur ein unansehnliches Ackerburgstädtchen mit circa 6.000 Einwohnern.
Mit 17 Jahren gebar sie ihr erstes Kind, den Erbprinzen Carl August – für sie „die erste und reinste Freude ihres Daseins“. Die Geburt des zweiten Sohnes Constantin im September 1758 erlebte der Herzog nicht mehr. Seit seiner Kindheit schon kränklich, starb Ernst August Constantin vier Monate zuvor. So fand sich Anna Amalia mit einem Neugeborenen und einem Kleinkind in dem ihr noch fremden Weimar vor.
Regierungsübernahme
In seinem Testament erklärte der verstorbene Herzog Anna Amalia zur Regentin des Landes und zum alleinigen Vormund der beiden Söhne. Die Verfügung führte zu heftigen Auseinandersetzungen mit Ministern und benachbarten Fürstenhäusern. Doch schließlich wurde Anna Amalia die „venia aetatis“, die Volljährigkeit, durch den Kaiser zuerkannt. So übernahm sie mit 19 Jahren die Regentschaft über das hoch verschuldete Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.
„In meinem achtzehnten Jahre fing die größte Epoche meines Lebens an. Ich wurde zum zweitenmal Mutter, wurde Wittib (Witwe), Obervormünderin und Regentin! Die schnellen Veränderungen, welche Schlag auf Schlag kamen, machten einen solchen Tumult in meiner Seele, daß ich nicht zu mir selber kommen konnte. Ein Zusammenfluß von Ideen, von Gefühl, die alle unentwickelt waren! Kein Freund, vor dem ich mich aufschließen konnte! Ich fühlte meine Untüchtigkeit, und dennoch mußte ich alles in mir selber finden.“
Um ihrer Aufgabe als Regentin gerecht zu werden, verschaffte sie sich bald die nötige Sachkenntnis und Kompetenz. So heißt es im Regierungsprogramm vom September 1759 „Die Regentin will (…) sich die Mühe nicht verdrießen lassen, alles mit eigenen Augen zu sehen, Ohren zu hören, das Geheime Conseil fleißig besuchen, (…) einem Jeden aufmerksames Gehör geben“.
Das war auch nötig. Denn die politische und wirtschaftliche Situation im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war schwierig. Aufgrund der Misswirtschaft und Verschuldung des früheren Herzogs Ernst August I. forderte zusätzlich der Siebenjährige Krieg (1756-1763) seinen Tribut.
Rückblickend auf ihre erste Zeit in Weimar schrieb sie 1773/74: „Mein Unvermögen kränkte mich sehr; (…) Ach! Wie glücklich wäre ich gewesen, wenn ich damals einen Freund gehabt hätte, der die große Kenntnis des menschlichen Herzens besessen, mir das aufzuschließen, was mir selbst ein Rätsel und in mir tief verschlossen war! Es sollte aber nicht sein, und es schien, ich sollte ganz durch eigene Erfahrung gebildet werden.“
Hofökonomie und Gemeinwohl
Während ihrer Regentschaft verlieh Anna Amalia dem ländlich geprägten Weimar städtische Formen: Alle Scheunen innerhalb der Stadt wurden abgerissen und Neubauten mit Ziegeln statt mit dem leicht entzündlichen Stroh gedeckt, sie veranlasste eine regelmäßige Straßenreinigung und eine Straßenbeleuchtung, die übel riechenden Abwasserkanäle wurden überwölbt und die Landstraße instand gesetzt.
Sie setzte Reformen im Sozial- und Bildungswesen durch, kümmerte sich um die Kirchen und das Schulwesen. Freiwillige Spenden, Arbeitsvermittlung und eine Freischule für die Armen der Stadt gehörten dazu. Um die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit einzudämmen, ließ sie in Jena Hebammen ausbilden und sie stellte beamtete Ärzte für die allgemeine Gesundheitspflege ein.
Neue Schulgesetze legten den Schwerpunkt der Ausbildung auf Sprachen, Geschichte und Geografie und auch die Landesuniversität Jena erhielt finanzielle Unterstützung. „Das ganze Welt Gebäude ist auf Ordnung und Harmonie gegründet gleich wie die Natur“, schrieb sie.
In ihrer Abhandlung „Gedanken über die Musick“ vertritt Anna Amalia die Ansicht, dass die Musik auf den sittlichen Charakter des Menschen einen fördernden Einfluss hat, und Christoph Martin Wieland überlieferte, dass die Herzogin überzeugt war, „daß ein wohlgeordnetes Theater nicht wenig dazu beitrage, den Geschmack und die Sitten eines ganzen Volkes unvermerkt zu verbessern und zu verschönern.“ Selbsterklärend also, dass die Herzogin die musischen Künste förderte. Erstmals durften unter ihrer Regentschaft auch die Bürgerinnen und Bürger Weimars dreimal wöchentlich unentgeltlich einen Teil der Plätze im Theater einnehmen.
Neuer Lebensabschnitt
Als sie in ihrem 36. Lebensjahr die Regierungsgeschäfte an ihren Sohn Carl August übergab, war das Herzogtum schuldenfrei. Für Anna Amalia begann jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Endlich konnte sie sich ganz ihrer vielfältigen künstlerischen und literarischen Interessen widmen, für die während ihrer Regentschaft wenig Raum war. Sie pflegte ihre regelmäßige „Tafelrunde“, die aus klugen Männern und geistreichen Frauen bestand und begründete ihren Ruf als geistvolle Gastgeberin des Weimarer „Musenhofes“. Auch konnte sie sich endlich den lang ersehnten Traum einer Italienreise erfüllen.
„Ich glaube, Italien ist für uns, was der Fluß Lethe den Alten war: Man verjüngt sich, indem man alles Unangenehme, was man in der Welt erfahren hat, vergißt und dadurch ein neugeborener Mensch wird. (…)“, schreibt sie an Johann Heinrich Merck.
Am 10. April 1807 verstarb die beliebte Fürstin. „Sie zog die besten Geister an sich, wo sie sie fand, das wird nun in Weimar nicht mehr geschehen, und sind Wieland und Goethe einmal nicht mehr, so wird Weimars Glanz und Ruhm, den Amalia ihm erwarb, nur noch in der Geschichte leben“, schrieb ihr Bibliothekar Carl Ludwig Fernow.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 67, vom 22. Oktober 2022.
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