Zerstöre die Saat des Bösen, oder sie wird zu deinem Verderben heranwachsen

Eine über Jahrhunderte überlieferte Fabel aus der Antike, die bis heute inspiriert.
Titelbild
Der antike griechische Fabeldichter und Geschichtenerzähler Äsop (620–564 v. Chr.) um 580 v. Chr. Nach einem Gemälde von Diego Velázquez.Foto: Kean Collection/Getty Images
Von 18. August 2023

Es war einmal, dass ein Landmann Hanfsamen auf einem Feld säte, auf dem eine Schwalbe und einige andere Vögel herumhüpften, um ihr Futter zu sammeln.

„Hüte dich vor diesem Mann“, sagte die Schwalbe. „Was macht er denn da?“, fragten die anderen. „Er sät Hanfsamen, und ihr müsst aufpassen, dass ihr jeden einzelnen Samen aufpickt, sonst werdet ihr es bereuen.“

Die Vögel hörten nicht auf die Worte der Schwalbe, und nach und nach wuchs der Hanf heran und wurde zu Schnüren verarbeitet. Aus den Schnüren wurden Netze gemacht, und so mancher Vogel, der den Rat der Schwalbe verachtet hatte, wurde in Netzen gefangen, die aus ebendiesem Hanf gemacht waren.

„Was habe ich dir gesagt?“, sagte die Schwalbe. „Zerstöre die Saat des Bösen, oder sie wird zu deinem Verderben heranwachsen.“

Wer war Äsop?

Äsop war ein antiker griechischer Dichter von Fabeln und Gleichnissen, der im 6. Jahrhundert vor Christus auf der ionischen Insel Samos gelebt haben soll. Ihm werden eine Reihe von Fabeln zugeschrieben, die heute unter dem Namen „Äsops Fabeln“ bekannt sind.

Er gab Tieren eine Sprache und ließ sie in oft lustigen, mal grotesken, mal satirischen Geschichten wie Menschen reden: geizig, neidisch, eitel und gierig, hochmütig und vor allem dumm. Und das nicht ohne Grund. Mit seinen Fabeln hielt er den Menschen einen Spiegel vor, in dem sie sich selbst erkennen sollten.

Sie wurden überliefert, und seine Fabeln prägen unsere Kultur und Zivilisation bis zur heutigen Zeit. Mit ihren moralischen Werten und Tugenden haben sie nicht nur zur Erziehung und Charakterbildung von Kindern beigetragen, sondern Erwachsenen geholfen, sich selbst und das Leben zu reflektieren.

Äsops Fabeln wurden jahrhundertelang nur mündlich im Volke weitergegeben. Eine Sammlung der Fabeln soll zuerst um 300 v. Chr. vorgenommen worden sein, die dann aber im 10. Jahrhundert verloren ging.

Nicht nur Fabeln: Der „Äsop-Roman“

Doch nicht nur seine Fabeln wurden überliefert. Im 10. Jahrhundert erschien der knapp 100-seitige „Äsop-Roman“ des Philosophen Xanthos und seines Sklaven Aisopos über den Dichter, der das Leben des Äsop beschreibt. Das Werk lässt vermuten, dass viel über seine Person im Laufe der Jahrhunderte ausgeschmückt wurde.

So heißt es darin, Äsop sei ein Fürsprecher für die Machtlosen gewesen – ein wahrer Held, der den Mächtigen mit Klugheit und eulenspiegelhaftem Witz begegnete. Und das, obwohl er nur ein hässlicher, missgestalteter Sklave gewesen sein soll, der wegen seiner Hilfsbereitschaft durch eine Göttin Klugheit und Sprache erlangte.

Hans Joachim Schädlich hat sich dem überlieferten Text erstmals literarisch angenähert und verfasste das Buch „Gib ihm Sprache. Leben und Tod des Dichters Äsop“. Darin erzählt er das Leben von Äsop nach. Seine Person beschreibt er so:

„Äsop war zahnlos, seine Rede kaum zu verstehen. Äsop schielte. Er reckte den Kopf vor. Seine Nase war platt, seine Haut schmutzfarben. Äsops Bauch quoll über den Gürtel. Äsop war krummbeinig. Sein linker Arm war kürzer als der rechte. Manche sagen: Sein rechter Arm war kürzer als der linke. Äsop war ein Sklave. Für eine Arbeit in der Stadt war er unbrauchbar. Sein Herr bestimmte ihn für eine Arbeit auf dem Land.“

Es ist eine Lebensbeschreibung des antiken Fabeldichters, dicht an den Quellen erzählt, voll der lehrreichen Pointen und Szenen des Originals, so beschreibt Schädlich sein Werk. Mit Witz und Intellekt, aber ohne Eitelkeit und Machtbestreben, erziehe Äsop seinen Herren mit Worten – die Dialoge sind im Buch zu finden.

Am Ende erlangt der Dichter seine Freiheit wieder, bringt es bis zum Wesir von Babylon, bis schließlich er zum Tode verurteilt wird. Es heißt, er habe eine goldene Schale aus dem Tempel von Delphi gestohlen. Ob er sich wirklich so verhalten hat? Gut möglich ist auch, dass Ordensleute den geistreichen und klugen Mann aus dem Weg räumen wollten.

(Mit Material von The Epoch Times)



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