„Wie ein Verrückter“: Tauber Beethoven komponierte die „Ode an die Freude“

„Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium“: Die 9. Sinfonie ist nicht nur eines der bekanntesten klassischen Werke der Welt, sondern auch Beethovens letzte Sinfonie – sein großer Triumph als tauber Komponist.
Titelbild
Das Manuskript von Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie wurde am 22. Mai 2003 in London für 1,9 Millionen Pfund versteigert.Foto: Ian Waldie/Getty Images
Von 16. März 2024

Sie ist nicht nur die neunte und letzte Sinfonie, die der klassische Komponist Ludwig van Beethoven je schrieb, sondern gilt auch als seine Krönung. Die „Ode an die Freude“ war für den deutschen Virtuosen mehr als nur ein Musikstück. Sie repräsentiert in schneidiger, melodischer Form ein ganzes Leben voller Entbehrungen, Triumphe und seinen lebenslangen Tanz mit dem „Hammer des Schicksals“.

Der letzte Satz seiner 9. Sinfonie war eine Komposition, an der er mehr als 30 Jahre arbeitete. Die Inspiration für dieses berühmte Stück kam Beethoven zum ersten Mal während seiner Studienzeit, als er die Gedichte von einem seiner Lieblingsschriftsteller – Friedrich von Schiller – studierte.

Beethoven komponierte die „Ode an die Freude“

Porträt Beethovens mit der Partitur zur „Missa Solemnis“ gemalt von Joseph Karl Stieler, 1820. Foto: Gemeinfrei

Beethovens Arbeit, sein musikalisches Genie und seine Lebensphilosophie erreichte am Abend des 7. Mai 1824 mit der Uraufführung dieser Sinfonie seinen Höhepunkt. Da er bereits einige Zeit vor der Uraufführung sein Gehör verloren hatte, ist es wahrscheinlich, dass er dieses monumentale Werk der westlichen klassischen Musik selbst nie in einer Aufführung hörte.

Die Geschichte der 9. Sinfonie mit ihrem berühmten Chorfinale „Ode an die Freude“ ist entscheidend für das Verständnis, welche Bedeutung dem Leben des großen Künstlers zugrunde liegt. Sowohl die Komposition als auch der Komponist stehen für die Schönheit und die Kraft, die aus Poesie, Entdeckerfreude und dem Streben des Menschen nach Freiheit und Glück hervorgehen.

„Saitenbrecher“ und „Großmogul“

Der 1770 in Bonn geborene Beethoven zeigte schon früh Interesse an der Musik – insbesondere am Klavier. Sein Vater, Johann van Beethoven, war sein erster Musiklehrer. Der Schüler übertraf bald seinen Lehrer und der junge Beethoven zog schließlich nach Wien, um mit der Musik professionell fortzufahren.

Im Alter von 21 Jahren begann er sein Studium bei Joseph Haydn, einem der angesehensten Komponisten der klassischen Musik. Diese Beziehung war genau das, was der angehende Virtuose brauchte. Schon bald veröffentlichte er eine Reihe eigener Werke, darunter die 1. Sinfonie, die er zu Ehren seines Freundes und Mentors schrieb.

Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse Nr. 20. Foto: Thomas Wolf/www.foto-tw.de, Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 DE

Der Pianist beeindruckte nicht nur mit seinen frühreifen musikalischen Fähigkeiten, sondern auch mit seiner Leidenschaft für die Musik. Von den Klaviertechnikern erhielt er den Spitznamen „Saitenbrecher“, weil der junge Komponist sie immer wieder bat, die Widerstandsfähigkeit des ohnehin schon robusten Instruments zu verbessern, damit er es nicht kaputtmachen könne. Haydn nannte ihn einmal „Großmogul“ und spielte dabei auf sein manchmal an Hochmut grenzendes Selbstbewusstsein bei der Beherrschung der Tasten an.

Im Alter von 28 Jahren war sein Werk und seine Präsenz in der lebhaften Wiener Klassikszene dem des historischen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart ebenbürtig. Vor seinem 30. Geburtstag schuf Beethoven einige seiner größten Werke. Zu dieser Zeit wurde ihm jedoch die Tatsache bewusst, dass er langsam das verlor, was jeder Musiker zum Komponieren braucht: sein Gehör.

Kupferstich von Mozart und Beethoven im Jahr 1787. Foto: Gemeinfrei

Beethoven als Erfinder

Damals konnten die Ärzte nicht diagnostizieren, warum Beethoven sein Gehör verlor. Erst eine moderne DNA-Analyse seiner Haarlocke gab den Hinweis darauf, dass langer Kontakt mit dem Schwermetall Blei etwas damit zu tun haben könnte. Zu Beethovens Zeiten aßen und tranken die Menschen häufig aus bleihaltigem Geschirr, weil die toxischen Auswirkungen von Blei noch nicht bekannt waren.

Zweifellos hatte die drohende Taubheit tiefgreifende Auswirkungen auf ihn. Er beschrieb den allmählichen Verlust seines Gehörs einmal als „Hammer des Schicksals“. Beethovens unbeugsamer Wille war jedoch stärker als das Schicksal. Anstatt sich von seiner Leidenschaft – der Musik – zu entfernen, wurde der Musiker kreativ und nutzte seine innovativen Fähigkeiten, um weiterhin Musik zu machen.

Schillers Werk „Ode an die Freude“ inspirierte Beethoven zu seiner Sinfonie

Beethoven im Jahr 1815, gemalt von Willibrord Joseph Mähler. Foto: Gemeinfrei

Eine seiner Erfindungen war ein rudimentärer Knochenvibrationsleiter. Beethoven fand heraus, dass er, wenn er das eine Ende eines Holzstabs an seinem Klavier befestigte und das andere Ende zwischen die Zähne klemmte, die Noten, die er auf den Tasten spielte, in seinem Kopf vibrieren hören konnte.

Auch das Metronom sollen wir Beethoven zu verdanken haben. Seine Schwerhörigkeit inspirierte das Genie zur Konstruktion eines physischen Zeitmessers, der ihm helfen sollte, die Taktarten zu erkennen und im Takt zu bleiben.

Die „Ode an die Freude“ komponierte Beethoven ohne Gehör

Die Erfindung des Metronoms half Beethoven dabei, taub zu komponieren und zu spielen. Foto: iStock

In seinen 30er- und 40er-Jahren stellte sich der innovative Komponist jeder Herausforderung mit Kreativität, Mut und einer bewundernswerten Hartnäckigkeit. Dies hatte schon seinen Mentor Haydn beeindruckt, als Beethoven gerade 21 Jahre alt war. In dieser Zeitspanne schuf er ein umfangreiches Werk, darunter sechs Sinfonien und 72 einzelne Stücke.

In seiner letzten Lebensdekade hatte er noch eine Sinfonie zu schreiben. Sie sollte sein Hauptwerk werden – eines, das die Kritiker schließlich als „die Sinfonie, die alle Sinfonien beendet“ bezeichneten.

Eine geschichtsträchtige Aufführung

Schon als Jugendlicher entdeckte Beethoven an der Universität Bonn Schillers Lyrik. Schillers aufgeklärte Ideale von Freiheit, Schönheit und Glück trafen auf Beethovens eigenen lebendigen Geist. Das Gedicht Schillers, „Ode an die Freude“, umfasste all diese Werte und wirkte wie „ein Kuss für die ganze Welt“, wie Schiller selbst es einmal ausdrückte. Für Beethoven war das Gedicht ein künstlerisches Ideal, das ihn während seiner gesamten Laufbahn leiten sollte.

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Autograf von Schillers „Ode an die Freude“. Foto: Gemeinfrei

Mit 52 Jahren begann Beethoven mit der Arbeit an seiner neunten und letzten Sinfonie. Um das Gedicht, das ihm so viel bedeutete, offiziell zu ehren, nannte er den letzten Satz seiner neunten Symphonie „Ode an die Freude“. Das musikalische Meisterwerk enthält sowohl Zeilen aus Schillers Gedicht als auch einige Verse von Beethoven und ist eine überwältigende Hommage an den Schriftsteller, der seine Lebensauffassung und seine Karriere so sehr beeinflusst hat.

Von Schiller inspiriert: Die „Ode an die Freude“

Porträt von Friedrich Schiller gemalt von Anton Graff. Foto: Gemeinfrei

Als Beethoven 1822 mit der Komposition seines größten Orchesterwerks und ersten Sinfonie mit Chorgesang begann, soll sein Gehör fast vollständig erloschen gewesen sein. Er verließ sich bei der Komposition der einzelnen Sätze weitgehend auf die Erinnerung an den Klang der Noten und die Musiktheorie.

Weder seine Taubheit noch die Bedenken seiner Kollegen hinderten Beethoven daran, das Orchester bei der Uraufführung seines Werkes 1824 im ausverkauften Theater am Kärntnertor in Wien zu dirigieren. Tatsächlich holten Beethovens Kollegen einen zweiten Dirigenten, Michael Umlauf, dazu und gaben dem Orchester und den Sängern die Anweisung, während der Aufführung nur Umlaufs Dirigat zu folgen.

Freude im gesamten Saal

Am Abend der Uraufführung bemerkte der Geiger Joseph Böhm, dass Beethoven das Orchester „wie ein Verrückter“ geleitet habe. „In einem Moment reckte er sich zu seiner vollen Größe, im nächsten kauerte er sich auf den Boden. Er fuchtelte mit Händen und Füßen herum, als wolle er alle Instrumente spielen und alle Chorstimmen singen.“

Während die Musiker nach den Vorgaben des Co-Dirigenten spielten, berührte Beethoven mit seiner wilden Leidenschaft und seinem unbändigen Enthusiasmus die Herzen des Publikums zutiefst. Es applaudierte mehrmals während der Sätze und konnte sein Lob nicht auf den Schluss zurückhalten.

Als das Ende schließlich kam und die letzten Töne der „Ode an die Freude“ durch den Saal hallten, brach das Publikum in tosenden Applaus aus. Insgesamt gab es fünf Mal stehenden Applaus.

Beethovens „Ode an die Freude“ wurde 1824 im Theater am Kärntnertor in Wien uraufgeführt

Beethovens „Ode an die Freude“ wurde 1824 im Theater am Kärntnertor in Wien uraufgeführt. Foto: Gemeinfrei

Trotz des Beifalls dirigierte Beethoven weiter, ohne zu merken, dass die Aufführung zu Ende war. Das Publikum warf schließlich Taschentücher und Hüte, um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich drehte ihn eine Sängerin zu den Zuschauern um, damit er das Ergebnis seiner einmaligen Aufführung sehen konnte. Nach weiteren Beifallsstürmen brauchte Beethoven an diesem Abend keinen Knochenvibrationsleiter, um die Schwingungen des faszinierten Publikums zu spüren und zu verstehen, was er und seine Mitmusiker vollbracht hatten.

Viel gespieltes Erbe

Beethovens Musik war nicht nur der Inbegriff der Klassik, sondern seine Werke waren die ersten Funken der späteren romantischen Epoche der Musik. Die Freiheit, die Schönheit und das Glück, das die Menschen durch Beethovens Kompositionen erfahren, halten bis in unsere Zeit an.

Im 20. Jahrhundert wurde die „Ode an die Freude“ schließlich zur Hymne Europas erklärt. Außerdem ist seine 9. Sinfonie bis heute eine der am häufigsten aufgeführten Sinfonien auf der ganzen Welt.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „‘Ode to Joy’“ (redaktionelle Bearbeitung kms)



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